Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Letzteres ist nämlich bei den Nadelholzstöcken nicht der Fall, da einige
hiergegen geltend gemachte Fälle zu vereinzelt, vielleicht nicht einmal ganz
sichergestellt sind. Wenn man solche überwallte Stöcke untersucht, so
findet man, daß im Boden eine oder einige ihrer Wurzeln mit denen
eines daneben stehenden lebendigen Baumes derselben Art verwachsen sind.

Da von Natur den genannten Nadelhölzern das Vermögen des
Stockausschlages fehlt, so stirbt der im Boden bleibende Stock nachdem
er seines Stammes beraubt ist, in kurzer Zeit vollständig ab, die Fläche
des Abhiebes vertrocknet und die zwischen Holz und Rinde eintretende
Saftzersetzung veranlaßt, daß sich die Rinde bald abschält.

Die beistehenden Figuren, L., veranschaulichen uns den interessanten
Vorgang der Stocküberwallung. Figur 1. stellt einen Lärchenstock dar,
der oben am Abhiebe, namentlich stark entwickelt auf der linken Seite (*)
einen Ueberwallungsring zeigt, der an der Grenzlinie zwischen Rinde
und Holz hervortritt. Unten ist mit einer seiner Wurzeln, bb, eine
Wurzel a a verwachsen, welche einer an der rechten Seite des Stockes
stehenden Lärche angehört. Auf der Durchschnittsfläche der verwachsenen
Wurzeln a a b b sehen wir bei a b die Grenzlinie beider. Man sieht
die beiden Jahresringsysteme beider Wurzeln zuletzt von gemeinsamen
Jahresringen umschlossen. Dies kann nicht anders geschehen sein, als
durch ein Resorptionsvermögen, welches den Pflanzen eigen ist. Beide
Wurzeln, die Anfangs weit von einander getrennt nebeneinander im
Boden lagen, mußten sich indem sie dicker wurden einander immer mehr
nähern, bis sie endlich aneinanderstießen. Nun trat eine ziemlich lange
Zeit ein, während welcher sich beide Wurzeln an der Berührungsstelle
in der Holzbildung hinderten, so daß sie beide an dieser Stelle sich ab-
platteten. Die jetzt sichtbare Verschmelzung beider Holzkörper wäre un-
möglich, wenn die Rinde an der Berührungsstelle nicht beseitigt worden
wäre. An einer Stelle sehen wir allerdings die Rinde noch nicht beseitigt
und an dieser Stelle hat auch die Verschmelzung nicht stattgefunden.
Weiter unten links aber ist die alte Rinde durch Verflüssigung (Resorption)
vollständig beseitigt und beide in Eins verschmolzene Wurzeln umgiebt
nun an dieser Stelle eine gemeinsame Rinde.

Durch diese Verschmelzung ist der verwaiste, dem Tode geweihte
Stock ein Glied des lebendigen neben ihm stehenden Baumes und die

Letzteres iſt nämlich bei den Nadelholzſtöcken nicht der Fall, da einige
hiergegen geltend gemachte Fälle zu vereinzelt, vielleicht nicht einmal ganz
ſichergeſtellt ſind. Wenn man ſolche überwallte Stöcke unterſucht, ſo
findet man, daß im Boden eine oder einige ihrer Wurzeln mit denen
eines daneben ſtehenden lebendigen Baumes derſelben Art verwachſen ſind.

Da von Natur den genannten Nadelhölzern das Vermögen des
Stockausſchlages fehlt, ſo ſtirbt der im Boden bleibende Stock nachdem
er ſeines Stammes beraubt iſt, in kurzer Zeit vollſtändig ab, die Fläche
des Abhiebes vertrocknet und die zwiſchen Holz und Rinde eintretende
Saftzerſetzung veranlaßt, daß ſich die Rinde bald abſchält.

Die beiſtehenden Figuren, L., veranſchaulichen uns den intereſſanten
Vorgang der Stocküberwallung. Figur 1. ſtellt einen Lärchenſtock dar,
der oben am Abhiebe, namentlich ſtark entwickelt auf der linken Seite (*)
einen Ueberwallungsring zeigt, der an der Grenzlinie zwiſchen Rinde
und Holz hervortritt. Unten iſt mit einer ſeiner Wurzeln, bb, eine
Wurzel a a verwachſen, welche einer an der rechten Seite des Stockes
ſtehenden Lärche angehört. Auf der Durchſchnittsfläche der verwachſenen
Wurzeln a a b b ſehen wir bei a b die Grenzlinie beider. Man ſieht
die beiden Jahresringſyſteme beider Wurzeln zuletzt von gemeinſamen
Jahresringen umſchloſſen. Dies kann nicht anders geſchehen ſein, als
durch ein Reſorptionsvermögen, welches den Pflanzen eigen iſt. Beide
Wurzeln, die Anfangs weit von einander getrennt nebeneinander im
Boden lagen, mußten ſich indem ſie dicker wurden einander immer mehr
nähern, bis ſie endlich aneinanderſtießen. Nun trat eine ziemlich lange
Zeit ein, während welcher ſich beide Wurzeln an der Berührungsſtelle
in der Holzbildung hinderten, ſo daß ſie beide an dieſer Stelle ſich ab-
platteten. Die jetzt ſichtbare Verſchmelzung beider Holzkörper wäre un-
möglich, wenn die Rinde an der Berührungsſtelle nicht beſeitigt worden
wäre. An einer Stelle ſehen wir allerdings die Rinde noch nicht beſeitigt
und an dieſer Stelle hat auch die Verſchmelzung nicht ſtattgefunden.
Weiter unten links aber iſt die alte Rinde durch Verflüſſigung (Reſorption)
vollſtändig beſeitigt und beide in Eins verſchmolzene Wurzeln umgiebt
nun an dieſer Stelle eine gemeinſame Rinde.

Durch dieſe Verſchmelzung iſt der verwaiſte, dem Tode geweihte
Stock ein Glied des lebendigen neben ihm ſtehenden Baumes und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0377" n="343"/>
            <p>Letzteres i&#x017F;t nämlich bei den Nadelholz&#x017F;töcken nicht der Fall, da einige<lb/>
hiergegen geltend gemachte Fälle zu vereinzelt, vielleicht nicht einmal ganz<lb/>
&#x017F;icherge&#x017F;tellt &#x017F;ind. Wenn man &#x017F;olche überwallte Stöcke unter&#x017F;ucht, &#x017F;o<lb/>
findet man, daß im Boden eine oder einige ihrer Wurzeln mit denen<lb/>
eines daneben &#x017F;tehenden lebendigen Baumes der&#x017F;elben Art verwach&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Da von Natur den genannten Nadelhölzern das Vermögen des<lb/>
Stockaus&#x017F;chlages fehlt, &#x017F;o &#x017F;tirbt der im Boden bleibende Stock nachdem<lb/>
er &#x017F;eines Stammes beraubt i&#x017F;t, in kurzer Zeit voll&#x017F;tändig ab, die Fläche<lb/>
des Abhiebes vertrocknet und die zwi&#x017F;chen Holz und Rinde eintretende<lb/>
Saftzer&#x017F;etzung veranlaßt, daß &#x017F;ich die Rinde bald ab&#x017F;chält.</p><lb/>
            <p>Die bei&#x017F;tehenden Figuren, <hi rendition="#aq">L.,</hi> veran&#x017F;chaulichen uns den intere&#x017F;&#x017F;anten<lb/>
Vorgang der Stocküberwallung. Figur 1. &#x017F;tellt einen Lärchen&#x017F;tock dar,<lb/>
der oben am Abhiebe, namentlich &#x017F;tark entwickelt auf der linken Seite (*)<lb/>
einen Ueberwallungsring zeigt, der an der Grenzlinie zwi&#x017F;chen Rinde<lb/>
und Holz hervortritt. Unten i&#x017F;t mit einer &#x017F;einer Wurzeln, <hi rendition="#aq">bb,</hi> eine<lb/>
Wurzel <hi rendition="#aq">a a</hi> verwach&#x017F;en, welche einer an der rechten Seite des Stockes<lb/>
&#x017F;tehenden Lärche angehört. Auf der Durch&#x017F;chnittsfläche der verwach&#x017F;enen<lb/>
Wurzeln <hi rendition="#aq">a a b b</hi> &#x017F;ehen wir bei <hi rendition="#aq">a b</hi> die Grenzlinie beider. Man &#x017F;ieht<lb/>
die beiden Jahresring&#x017F;y&#x017F;teme beider Wurzeln zuletzt von gemein&#x017F;amen<lb/>
Jahresringen um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Dies kann nicht anders ge&#x017F;chehen &#x017F;ein, als<lb/>
durch ein Re&#x017F;orptionsvermögen, welches den Pflanzen eigen i&#x017F;t. Beide<lb/>
Wurzeln, die Anfangs weit von einander getrennt nebeneinander im<lb/>
Boden lagen, mußten &#x017F;ich indem &#x017F;ie dicker wurden einander immer mehr<lb/>
nähern, bis &#x017F;ie endlich aneinander&#x017F;tießen. Nun trat eine ziemlich lange<lb/>
Zeit ein, während welcher &#x017F;ich beide Wurzeln an der Berührungs&#x017F;telle<lb/>
in der Holzbildung hinderten, &#x017F;o daß &#x017F;ie beide an die&#x017F;er Stelle &#x017F;ich ab-<lb/>
platteten. Die jetzt &#x017F;ichtbare Ver&#x017F;chmelzung beider Holzkörper wäre un-<lb/>
möglich, wenn die Rinde an der Berührungs&#x017F;telle nicht be&#x017F;eitigt worden<lb/>
wäre. An einer Stelle &#x017F;ehen wir allerdings die Rinde noch nicht be&#x017F;eitigt<lb/>
und an die&#x017F;er Stelle hat auch die Ver&#x017F;chmelzung nicht &#x017F;tattgefunden.<lb/>
Weiter unten links aber i&#x017F;t die alte Rinde durch Verflü&#x017F;&#x017F;igung (Re&#x017F;orption)<lb/>
voll&#x017F;tändig be&#x017F;eitigt und beide in Eins ver&#x017F;chmolzene Wurzeln umgiebt<lb/>
nun an die&#x017F;er Stelle eine gemein&#x017F;ame Rinde.</p><lb/>
            <p>Durch die&#x017F;e Ver&#x017F;chmelzung i&#x017F;t der verwai&#x017F;te, dem Tode geweihte<lb/>
Stock ein Glied des lebendigen neben ihm &#x017F;tehenden Baumes und die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0377] Letzteres iſt nämlich bei den Nadelholzſtöcken nicht der Fall, da einige hiergegen geltend gemachte Fälle zu vereinzelt, vielleicht nicht einmal ganz ſichergeſtellt ſind. Wenn man ſolche überwallte Stöcke unterſucht, ſo findet man, daß im Boden eine oder einige ihrer Wurzeln mit denen eines daneben ſtehenden lebendigen Baumes derſelben Art verwachſen ſind. Da von Natur den genannten Nadelhölzern das Vermögen des Stockausſchlages fehlt, ſo ſtirbt der im Boden bleibende Stock nachdem er ſeines Stammes beraubt iſt, in kurzer Zeit vollſtändig ab, die Fläche des Abhiebes vertrocknet und die zwiſchen Holz und Rinde eintretende Saftzerſetzung veranlaßt, daß ſich die Rinde bald abſchält. Die beiſtehenden Figuren, L., veranſchaulichen uns den intereſſanten Vorgang der Stocküberwallung. Figur 1. ſtellt einen Lärchenſtock dar, der oben am Abhiebe, namentlich ſtark entwickelt auf der linken Seite (*) einen Ueberwallungsring zeigt, der an der Grenzlinie zwiſchen Rinde und Holz hervortritt. Unten iſt mit einer ſeiner Wurzeln, bb, eine Wurzel a a verwachſen, welche einer an der rechten Seite des Stockes ſtehenden Lärche angehört. Auf der Durchſchnittsfläche der verwachſenen Wurzeln a a b b ſehen wir bei a b die Grenzlinie beider. Man ſieht die beiden Jahresringſyſteme beider Wurzeln zuletzt von gemeinſamen Jahresringen umſchloſſen. Dies kann nicht anders geſchehen ſein, als durch ein Reſorptionsvermögen, welches den Pflanzen eigen iſt. Beide Wurzeln, die Anfangs weit von einander getrennt nebeneinander im Boden lagen, mußten ſich indem ſie dicker wurden einander immer mehr nähern, bis ſie endlich aneinanderſtießen. Nun trat eine ziemlich lange Zeit ein, während welcher ſich beide Wurzeln an der Berührungsſtelle in der Holzbildung hinderten, ſo daß ſie beide an dieſer Stelle ſich ab- platteten. Die jetzt ſichtbare Verſchmelzung beider Holzkörper wäre un- möglich, wenn die Rinde an der Berührungsſtelle nicht beſeitigt worden wäre. An einer Stelle ſehen wir allerdings die Rinde noch nicht beſeitigt und an dieſer Stelle hat auch die Verſchmelzung nicht ſtattgefunden. Weiter unten links aber iſt die alte Rinde durch Verflüſſigung (Reſorption) vollſtändig beſeitigt und beide in Eins verſchmolzene Wurzeln umgiebt nun an dieſer Stelle eine gemeinſame Rinde. Durch dieſe Verſchmelzung iſt der verwaiſte, dem Tode geweihte Stock ein Glied des lebendigen neben ihm ſtehenden Baumes und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/377
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/377>, abgerufen am 07.06.2024.