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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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weiß bleibenden leeren Oberhäute der Nadeln geben stark befallenen
Lärchen das Aussehen eines mit kleinen weißen Blüthchen bedeckten
Baumes oder Strauches. Da die Kurztriebe wieder neue Nadeln treiben,
so beschränkt sich der Schaden des Insekts meist auf ein Zurücksetzen des
Zuwachses. Thun läßt sich gegen das kleine zu Tausenden auf die
Nadelbüschel vertheilten Insekts fast nichts. Es erscheint im Mai bald
nach dem Ausbruch der Nadeln.

Das Alter und die Größe, welche die Lärche erreichen kann, sind nach
den Standorten sehr verschieden. Wessely, der sie in den österreichischen
Alpen genau studirt hat, sagt, daß sie mit der Fichte wetteifert und
400jährige Stämme von 150 Fuß Länge und 4 Fuß Stärke keine Seltenheit,
und daß schon 600jährige noch bedeutend größere Stämme gefällt worden seien.
In tieferen Regionen läßt sie jedoch mit 30--50 Jahren im Wuchs schon
nach und ist mit 60--80 Jahren als mäßiger Stamm zum Abhiebe reif.

Obgleich die Lärche alljährlich ihre Nadeln abwirft, so trägt sie da-
durch dennoch zur Bodenverbesserung fast nichts bei, weil die Nadeln
nur sehr wenig Humus geben. Daher stellt sich in Lärchenbeständen ge-
wöhnlich sehr bald ein üppiger Gras- und Kräuterwuchs ein.

Die forstliche Bedeutung der Lärche ist in früher Zeit von der
deutschen Forstwelt sehr überschätzt worden, als man sie ihrer Schnellwüchsig-
keit wegen für ein wichtiges Mittel gegen den Holzmangel ansah. Allein
man lernte, daß sie in der Ebene und selbst in unseren Vorbergen zwar
fast überall gedeiht, aber nur schwaches und nicht sehr dauerhaftes Holz
giebt. Dennoch verdient sie es, daß sie in Gebirgsforsten in Vermischung
namentlich mit der Birke und selbst mit der Fichte, nicht leicht in reinen
Beständen, angebaut wird. In Parkanlagen ist die Lärche mit Recht
allgemein beliebt. An ihrem natürlichen Standorte hat sie eine sehr große
Bedeutung, obgleich daselbst von einer geregelten Forstwirthschaft größten-
theils kaum noch die Rede sein kann.

In der forstlichen Behandlung kommt die Lärche in den meisten
Punkten mit der Fichte überein. In den Alpenforsten wird sie vorzüglich
durch natürliche Besamung der Schläge verjüngt, was um so leichter ge-
schieht, da der etwas muschelförmig gebogene Samenflügel das Forttreiben
durch den Wind zu begünstigen scheint, dieser auch in den lockeren luftigen
Kronen eine größere Gewalt auf die abfliegenden Samen ausüben kann.

weiß bleibenden leeren Oberhäute der Nadeln geben ſtark befallenen
Lärchen das Ausſehen eines mit kleinen weißen Blüthchen bedeckten
Baumes oder Strauches. Da die Kurztriebe wieder neue Nadeln treiben,
ſo beſchränkt ſich der Schaden des Inſekts meiſt auf ein Zurückſetzen des
Zuwachſes. Thun läßt ſich gegen das kleine zu Tauſenden auf die
Nadelbüſchel vertheilten Inſekts faſt nichts. Es erſcheint im Mai bald
nach dem Ausbruch der Nadeln.

Das Alter und die Größe, welche die Lärche erreichen kann, ſind nach
den Standorten ſehr verſchieden. Weſſely, der ſie in den öſterreichiſchen
Alpen genau ſtudirt hat, ſagt, daß ſie mit der Fichte wetteifert und
400jährige Stämme von 150 Fuß Länge und 4 Fuß Stärke keine Seltenheit,
und daß ſchon 600jährige noch bedeutend größere Stämme gefällt worden ſeien.
In tieferen Regionen läßt ſie jedoch mit 30—50 Jahren im Wuchs ſchon
nach und iſt mit 60—80 Jahren als mäßiger Stamm zum Abhiebe reif.

Obgleich die Lärche alljährlich ihre Nadeln abwirft, ſo trägt ſie da-
durch dennoch zur Bodenverbeſſerung faſt nichts bei, weil die Nadeln
nur ſehr wenig Humus geben. Daher ſtellt ſich in Lärchenbeſtänden ge-
wöhnlich ſehr bald ein üppiger Gras- und Kräuterwuchs ein.

Die forſtliche Bedeutung der Lärche iſt in früher Zeit von der
deutſchen Forſtwelt ſehr überſchätzt worden, als man ſie ihrer Schnellwüchſig-
keit wegen für ein wichtiges Mittel gegen den Holzmangel anſah. Allein
man lernte, daß ſie in der Ebene und ſelbſt in unſeren Vorbergen zwar
faſt überall gedeiht, aber nur ſchwaches und nicht ſehr dauerhaftes Holz
giebt. Dennoch verdient ſie es, daß ſie in Gebirgsforſten in Vermiſchung
namentlich mit der Birke und ſelbſt mit der Fichte, nicht leicht in reinen
Beſtänden, angebaut wird. In Parkanlagen iſt die Lärche mit Recht
allgemein beliebt. An ihrem natürlichen Standorte hat ſie eine ſehr große
Bedeutung, obgleich daſelbſt von einer geregelten Forſtwirthſchaft größten-
theils kaum noch die Rede ſein kann.

In der forſtlichen Behandlung kommt die Lärche in den meiſten
Punkten mit der Fichte überein. In den Alpenforſten wird ſie vorzüglich
durch natürliche Beſamung der Schläge verjüngt, was um ſo leichter ge-
ſchieht, da der etwas muſchelförmig gebogene Samenflügel das Forttreiben
durch den Wind zu begünſtigen ſcheint, dieſer auch in den lockeren luftigen
Kronen eine größere Gewalt auf die abfliegenden Samen ausüben kann.

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[341/0375] weiß bleibenden leeren Oberhäute der Nadeln geben ſtark befallenen Lärchen das Ausſehen eines mit kleinen weißen Blüthchen bedeckten Baumes oder Strauches. Da die Kurztriebe wieder neue Nadeln treiben, ſo beſchränkt ſich der Schaden des Inſekts meiſt auf ein Zurückſetzen des Zuwachſes. Thun läßt ſich gegen das kleine zu Tauſenden auf die Nadelbüſchel vertheilten Inſekts faſt nichts. Es erſcheint im Mai bald nach dem Ausbruch der Nadeln. Das Alter und die Größe, welche die Lärche erreichen kann, ſind nach den Standorten ſehr verſchieden. Weſſely, der ſie in den öſterreichiſchen Alpen genau ſtudirt hat, ſagt, daß ſie mit der Fichte wetteifert und 400jährige Stämme von 150 Fuß Länge und 4 Fuß Stärke keine Seltenheit, und daß ſchon 600jährige noch bedeutend größere Stämme gefällt worden ſeien. In tieferen Regionen läßt ſie jedoch mit 30—50 Jahren im Wuchs ſchon nach und iſt mit 60—80 Jahren als mäßiger Stamm zum Abhiebe reif. Obgleich die Lärche alljährlich ihre Nadeln abwirft, ſo trägt ſie da- durch dennoch zur Bodenverbeſſerung faſt nichts bei, weil die Nadeln nur ſehr wenig Humus geben. Daher ſtellt ſich in Lärchenbeſtänden ge- wöhnlich ſehr bald ein üppiger Gras- und Kräuterwuchs ein. Die forſtliche Bedeutung der Lärche iſt in früher Zeit von der deutſchen Forſtwelt ſehr überſchätzt worden, als man ſie ihrer Schnellwüchſig- keit wegen für ein wichtiges Mittel gegen den Holzmangel anſah. Allein man lernte, daß ſie in der Ebene und ſelbſt in unſeren Vorbergen zwar faſt überall gedeiht, aber nur ſchwaches und nicht ſehr dauerhaftes Holz giebt. Dennoch verdient ſie es, daß ſie in Gebirgsforſten in Vermiſchung namentlich mit der Birke und ſelbſt mit der Fichte, nicht leicht in reinen Beſtänden, angebaut wird. In Parkanlagen iſt die Lärche mit Recht allgemein beliebt. An ihrem natürlichen Standorte hat ſie eine ſehr große Bedeutung, obgleich daſelbſt von einer geregelten Forſtwirthſchaft größten- theils kaum noch die Rede ſein kann. In der forſtlichen Behandlung kommt die Lärche in den meiſten Punkten mit der Fichte überein. In den Alpenforſten wird ſie vorzüglich durch natürliche Beſamung der Schläge verjüngt, was um ſo leichter ge- ſchieht, da der etwas muſchelförmig gebogene Samenflügel das Forttreiben durch den Wind zu begünſtigen ſcheint, dieſer auch in den lockeren luftigen Kronen eine größere Gewalt auf die abfliegenden Samen ausüben kann.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/375>, abgerufen am 15.06.2024.