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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Der Stamm der Zirbelkiefer ist in der ersten Lebenshälfte ein
regelmäßiger gerader Schaft mit braungrauer, rissiger Borke. Die Aeste
sind in dieser Zeit kurz und in der Länge wenig von einander verschieden,
so daß eine dreißig- bis vierzigjährige Zirbelkiefer eine, fast bis zum
Boden beästete, fast walzenförmige Krone bildet, welche nach der Spitze
hin nur wenig abfällt. Hiervon ist der Habitus einer alten Zirbelkiefer
gründlich verschieden, indem sie zahlreiche, starke Aeste ausbildet, von
denen meist einige (Willkomm fand deren bis 9) als Seitenwipfel sich
aufrichten.

Das Arvenholz hat einen rein gelblichweißen Splint und gelbrothes
Kernholz und einen angenehmen Harzgeruch, der die Insekten abhält, ob-
gleich es wenig Harz enthält, wenigstens im Alter nicht verkient. Den-
noch hat es namentlich im Herbstholze der Jahresringe ziemlich zahlreiche
Harzporen. Es ist nach dem Zeugniß der Alpenbewohner von außerordent-
licher Dauer.

Die Wurzel greift mit ihren starken Aesten außerordentlich tief in
ihren felsigen Standort ein und die Arve wird daher von den stärksten
Stürmen wohl zum Theil ihrer Krone beraubt, aber nur sehr selten
entwurzelt.

Ihr Standort ist ein mäßig feuchter, tiefgründiger Boden mit
felsigem Untergrunde. Wild wachsend findet sich die Zirbelkiefer nur in
der Alpenregion und geht in dieser von 4000 Fuß Seehöhe an selbst noch
über das Krummholz hinaus bis 7000 Fuß. Ihr Vaterland ist nur dieser
hohe Gürtel der Schweizer und Tyroler Alpen, einschließlich des bayrischen
und östreichischen Hochlandes und die Karpathen, da die Angabe, daß sie
auch auf den Pyrenäen und in Sibirien wachse, wahrscheinlich auf einer
Verwechselung mit einer verwandten Kiefernart beruht. Innerhalb der
deutschen Alpen, worunter wir namentlich das bayrische Hochland und
Tyrol verstehen, bildet die Arve keinen zusammenhängenden Waldgürtel,
sondern tritt nur an einzelnen Stellen massenhaft auf, welche durch große
Lücken weit von einander getrennt sind.

Das Leben der Arve trägt durchaus die Spuren des gefahrvollen
und kümmerlichen Hochalpenlebens. Die aus dem Samen aufgehenden
Pflänzchen bleiben ziemlich lange Zeit kleine, sich zwischen den Alpenrosen
und anderen niedrigern Alpensträuchern duckende Büschchen, die nur sehr

Der Stamm der Zirbelkiefer iſt in der erſten Lebenshälfte ein
regelmäßiger gerader Schaft mit braungrauer, riſſiger Borke. Die Aeſte
ſind in dieſer Zeit kurz und in der Länge wenig von einander verſchieden,
ſo daß eine dreißig- bis vierzigjährige Zirbelkiefer eine, faſt bis zum
Boden beäſtete, faſt walzenförmige Krone bildet, welche nach der Spitze
hin nur wenig abfällt. Hiervon iſt der Habitus einer alten Zirbelkiefer
gründlich verſchieden, indem ſie zahlreiche, ſtarke Aeſte ausbildet, von
denen meiſt einige (Willkomm fand deren bis 9) als Seitenwipfel ſich
aufrichten.

Das Arvenholz hat einen rein gelblichweißen Splint und gelbrothes
Kernholz und einen angenehmen Harzgeruch, der die Inſekten abhält, ob-
gleich es wenig Harz enthält, wenigſtens im Alter nicht verkient. Den-
noch hat es namentlich im Herbſtholze der Jahresringe ziemlich zahlreiche
Harzporen. Es iſt nach dem Zeugniß der Alpenbewohner von außerordent-
licher Dauer.

Die Wurzel greift mit ihren ſtarken Aeſten außerordentlich tief in
ihren felſigen Standort ein und die Arve wird daher von den ſtärkſten
Stürmen wohl zum Theil ihrer Krone beraubt, aber nur ſehr ſelten
entwurzelt.

Ihr Standort iſt ein mäßig feuchter, tiefgründiger Boden mit
felſigem Untergrunde. Wild wachſend findet ſich die Zirbelkiefer nur in
der Alpenregion und geht in dieſer von 4000 Fuß Seehöhe an ſelbſt noch
über das Krummholz hinaus bis 7000 Fuß. Ihr Vaterland iſt nur dieſer
hohe Gürtel der Schweizer und Tyroler Alpen, einſchließlich des bayriſchen
und öſtreichiſchen Hochlandes und die Karpathen, da die Angabe, daß ſie
auch auf den Pyrenäen und in Sibirien wachſe, wahrſcheinlich auf einer
Verwechſelung mit einer verwandten Kiefernart beruht. Innerhalb der
deutſchen Alpen, worunter wir namentlich das bayriſche Hochland und
Tyrol verſtehen, bildet die Arve keinen zuſammenhängenden Waldgürtel,
ſondern tritt nur an einzelnen Stellen maſſenhaft auf, welche durch große
Lücken weit von einander getrennt ſind.

Das Leben der Arve trägt durchaus die Spuren des gefahrvollen
und kümmerlichen Hochalpenlebens. Die aus dem Samen aufgehenden
Pflänzchen bleiben ziemlich lange Zeit kleine, ſich zwiſchen den Alpenroſen
und anderen niedrigern Alpenſträuchern duckende Büſchchen, die nur ſehr

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[301/0329] Der Stamm der Zirbelkiefer iſt in der erſten Lebenshälfte ein regelmäßiger gerader Schaft mit braungrauer, riſſiger Borke. Die Aeſte ſind in dieſer Zeit kurz und in der Länge wenig von einander verſchieden, ſo daß eine dreißig- bis vierzigjährige Zirbelkiefer eine, faſt bis zum Boden beäſtete, faſt walzenförmige Krone bildet, welche nach der Spitze hin nur wenig abfällt. Hiervon iſt der Habitus einer alten Zirbelkiefer gründlich verſchieden, indem ſie zahlreiche, ſtarke Aeſte ausbildet, von denen meiſt einige (Willkomm fand deren bis 9) als Seitenwipfel ſich aufrichten. Das Arvenholz hat einen rein gelblichweißen Splint und gelbrothes Kernholz und einen angenehmen Harzgeruch, der die Inſekten abhält, ob- gleich es wenig Harz enthält, wenigſtens im Alter nicht verkient. Den- noch hat es namentlich im Herbſtholze der Jahresringe ziemlich zahlreiche Harzporen. Es iſt nach dem Zeugniß der Alpenbewohner von außerordent- licher Dauer. Die Wurzel greift mit ihren ſtarken Aeſten außerordentlich tief in ihren felſigen Standort ein und die Arve wird daher von den ſtärkſten Stürmen wohl zum Theil ihrer Krone beraubt, aber nur ſehr ſelten entwurzelt. Ihr Standort iſt ein mäßig feuchter, tiefgründiger Boden mit felſigem Untergrunde. Wild wachſend findet ſich die Zirbelkiefer nur in der Alpenregion und geht in dieſer von 4000 Fuß Seehöhe an ſelbſt noch über das Krummholz hinaus bis 7000 Fuß. Ihr Vaterland iſt nur dieſer hohe Gürtel der Schweizer und Tyroler Alpen, einſchließlich des bayriſchen und öſtreichiſchen Hochlandes und die Karpathen, da die Angabe, daß ſie auch auf den Pyrenäen und in Sibirien wachſe, wahrſcheinlich auf einer Verwechſelung mit einer verwandten Kiefernart beruht. Innerhalb der deutſchen Alpen, worunter wir namentlich das bayriſche Hochland und Tyrol verſtehen, bildet die Arve keinen zuſammenhängenden Waldgürtel, ſondern tritt nur an einzelnen Stellen maſſenhaft auf, welche durch große Lücken weit von einander getrennt ſind. Das Leben der Arve trägt durchaus die Spuren des gefahrvollen und kümmerlichen Hochalpenlebens. Die aus dem Samen aufgehenden Pflänzchen bleiben ziemlich lange Zeit kleine, ſich zwiſchen den Alpenroſen und anderen niedrigern Alpenſträuchern duckende Büſchchen, die nur ſehr

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/329>, abgerufen am 06.06.2024.