Genossen der Vorzeit drängt. Aus den Spalten zerklüfteter Felsen- wände sprießen die zierlichen Wedel des Haarfarrens hervor; fast wie stammlose Palmenkronen bilden die eleganten Wedelbüsche der Schild- farren und anderer die Waldquellen entlang oder auf steinigen Blößen eine fast tropisch zu nennende Scenerie.
Aus von Feuchtigkeit strotzenden Moospolstern ragen die Wäldchen des zierlichen Waldschachtelhalmes hervor, während dort die selbst moosähnliche Bärlappranke über den Moosteppich hinkriecht.
Dazu ist es fast so still wie es in jenen urzeitlichen Wäldern war; die lauten Schläger lieben sich den rauschenden Laubwald; fast nur die Goldhähnchen und Meisen mischen ihre zarten Stimmchen mit dem süßen Geflüster der Nadelkronen, welches wie weitherdringende Kunde aus grauer Vorzeit klingt. Abends kommt aber die Waldnachtigall, die klangreiche Singdrossel, und singt auf der Spitze einer Fichte ihr weithinschallendes Abendlied, als wolle sie den träumerischen Nadelwald aus seinen Vorzeit- gedanken wecken.
So gewinnt der ganz eigenthümliche, zur Melancholie einladende Eindruck des Nadelwaldes eine tiefe geschichtliche Bedeutung und indem wir uns bewußt werden der so tief greifenden gestaltlichen Verschiedenheit seiner Bäume von denen des Laubwaldes, so bringen wir unvermerkt diese Verschiedenheit in Einklang mit der Zeit. Im Laubwalde befinden wir uns in der frischen lebendigen Gegenwart, im Nadelwalde umfangen uns die Schauer einer fernen Vergangenheit.
Wenn wir bei einer botanischen Betrachtung der Nadelbäume uns auf die deutschen Arten beschränken, so finden wir unter ihnen eine große Einförmigkeit und Uebereinstimmung aller ihrer Theile und im Vergleich zu den Laubhölzern hinsichtlich ihrer Organisation eine tiefere Stellung im System; man glaubt ihnen ansehen zu müssen, daß sie Schöpfungen einer noch nicht das Höchste vermögenden Natur sind. Diese Auffassung der Nadelhölzer schließt jedoch nicht aus, daß dieselben in ihrer äußeren Erscheinung keineswegs als schwächliche Wesen, sondern als mächtige Beherrscher ganzer Länderflächen erscheinen. Es spricht sich vielmehr die tiefe Stellung auf der Stufenleiter des Pflanzensystems bei den Nadel- hölzern dadurch aus, daß sowohl ihr innerer anatomischer Bau, als die
Roßmäßler, der Wald. 16
Genoſſen der Vorzeit drängt. Aus den Spalten zerklüfteter Felſen- wände ſprießen die zierlichen Wedel des Haarfarrens hervor; faſt wie ſtammloſe Palmenkronen bilden die eleganten Wedelbüſche der Schild- farren und anderer die Waldquellen entlang oder auf ſteinigen Blößen eine faſt tropiſch zu nennende Scenerie.
Aus von Feuchtigkeit ſtrotzenden Moospolſtern ragen die Wäldchen des zierlichen Waldſchachtelhalmes hervor, während dort die ſelbſt moosähnliche Bärlappranke über den Moosteppich hinkriecht.
Dazu iſt es faſt ſo ſtill wie es in jenen urzeitlichen Wäldern war; die lauten Schläger lieben ſich den rauſchenden Laubwald; faſt nur die Goldhähnchen und Meiſen miſchen ihre zarten Stimmchen mit dem ſüßen Geflüſter der Nadelkronen, welches wie weitherdringende Kunde aus grauer Vorzeit klingt. Abends kommt aber die Waldnachtigall, die klangreiche Singdroſſel, und ſingt auf der Spitze einer Fichte ihr weithinſchallendes Abendlied, als wolle ſie den träumeriſchen Nadelwald aus ſeinen Vorzeit- gedanken wecken.
So gewinnt der ganz eigenthümliche, zur Melancholie einladende Eindruck des Nadelwaldes eine tiefe geſchichtliche Bedeutung und indem wir uns bewußt werden der ſo tief greifenden geſtaltlichen Verſchiedenheit ſeiner Bäume von denen des Laubwaldes, ſo bringen wir unvermerkt dieſe Verſchiedenheit in Einklang mit der Zeit. Im Laubwalde befinden wir uns in der friſchen lebendigen Gegenwart, im Nadelwalde umfangen uns die Schauer einer fernen Vergangenheit.
Wenn wir bei einer botaniſchen Betrachtung der Nadelbäume uns auf die deutſchen Arten beſchränken, ſo finden wir unter ihnen eine große Einförmigkeit und Uebereinſtimmung aller ihrer Theile und im Vergleich zu den Laubhölzern hinſichtlich ihrer Organiſation eine tiefere Stellung im Syſtem; man glaubt ihnen anſehen zu müſſen, daß ſie Schöpfungen einer noch nicht das Höchſte vermögenden Natur ſind. Dieſe Auffaſſung der Nadelhölzer ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſelben in ihrer äußeren Erſcheinung keineswegs als ſchwächliche Weſen, ſondern als mächtige Beherrſcher ganzer Länderflächen erſcheinen. Es ſpricht ſich vielmehr die tiefe Stellung auf der Stufenleiter des Pflanzenſyſtems bei den Nadel- hölzern dadurch aus, daß ſowohl ihr innerer anatomiſcher Bau, als die
Roßmäßler, der Wald. 16
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Genoſſen der Vorzeit drängt. Aus den Spalten zerklüfteter Felſen-
wände ſprießen die zierlichen Wedel des Haarfarrens hervor; faſt wie
ſtammloſe Palmenkronen bilden die eleganten Wedelbüſche der Schild-
farren und anderer die Waldquellen entlang oder auf ſteinigen Blößen
eine faſt tropiſch zu nennende Scenerie.
Aus von Feuchtigkeit ſtrotzenden Moospolſtern ragen die Wäldchen des
zierlichen Waldſchachtelhalmes hervor, während dort die ſelbſt moosähnliche
Bärlappranke über den Moosteppich hinkriecht.
Dazu iſt es faſt ſo ſtill wie es in jenen urzeitlichen Wäldern war;
die lauten Schläger lieben ſich den rauſchenden Laubwald; faſt nur die
Goldhähnchen und Meiſen miſchen ihre zarten Stimmchen mit dem ſüßen
Geflüſter der Nadelkronen, welches wie weitherdringende Kunde aus grauer
Vorzeit klingt. Abends kommt aber die Waldnachtigall, die klangreiche
Singdroſſel, und ſingt auf der Spitze einer Fichte ihr weithinſchallendes
Abendlied, als wolle ſie den träumeriſchen Nadelwald aus ſeinen Vorzeit-
gedanken wecken.
So gewinnt der ganz eigenthümliche, zur Melancholie einladende
Eindruck des Nadelwaldes eine tiefe geſchichtliche Bedeutung und indem
wir uns bewußt werden der ſo tief greifenden geſtaltlichen Verſchiedenheit
ſeiner Bäume von denen des Laubwaldes, ſo bringen wir unvermerkt
dieſe Verſchiedenheit in Einklang mit der Zeit. Im Laubwalde befinden
wir uns in der friſchen lebendigen Gegenwart, im Nadelwalde umfangen
uns die Schauer einer fernen Vergangenheit.
Wenn wir bei einer botaniſchen Betrachtung der Nadelbäume uns
auf die deutſchen Arten beſchränken, ſo finden wir unter ihnen eine große
Einförmigkeit und Uebereinſtimmung aller ihrer Theile und im Vergleich
zu den Laubhölzern hinſichtlich ihrer Organiſation eine tiefere Stellung
im Syſtem; man glaubt ihnen anſehen zu müſſen, daß ſie Schöpfungen
einer noch nicht das Höchſte vermögenden Natur ſind. Dieſe Auffaſſung
der Nadelhölzer ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſelben in ihrer äußeren
Erſcheinung keineswegs als ſchwächliche Weſen, ſondern als mächtige
Beherrſcher ganzer Länderflächen erſcheinen. Es ſpricht ſich vielmehr die
tiefe Stellung auf der Stufenleiter des Pflanzenſyſtems bei den Nadel-
hölzern dadurch aus, daß ſowohl ihr innerer anatomiſcher Bau, als die
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/265>, abgerufen am 22.12.2024.
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