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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Dadurch entstehen auf den sich verfärbenden Blättern nicht selten
zierliche Zeichnungen und Muster, z. B. von der Birke und Spitzahorn,
bei deren Umgrenzung die Hauptseitenrippen maßgebend sind.

Der Farbenwechsel beruht auf einer Veränderung des Blattgrün,
Chlorophyll
, in Blattgelb, Xanthophyll und Blattroth,
Erythrophyll
. Das Blattgrün, überall im ganzen Pflanzenreiche die
Ursache der grünen Farbe, erscheint unter dem Mikroskop in Form von
kleinen, meist der inneren Zellenwand angelagerten oft aber auch die ganze
Zelle erfüllenden Kügelchen, welche jedoch nicht durchaus von dem Farb-
stoff gebildet werden, sondern kleine farblose mit dem wachsartigen Chlo-
rophyll überzogene Körnchen sind. Die näheren Ursachen dieser Um-
änderung des Blattgrün, die nur chemischer und physikalischer Natur sein
können, sind noch nicht vollkommen festgestellt. Sie können aber nicht
lediglich äußere sein, da man den ganzen Sommer hindurch nicht selten
unter grünen Blättern einzelne mit Herbstfärbung findet.

Bei den immergrünen Bäumen ist die Herbstfärbung der Blätter
bekanntlich nicht vorhanden, denn es ist wohl nur eine Täuschung, her-
vorgerufen durch das lichtzerstreuende blendende Weiß des Schnees, wenn
uns im Winter die Nadelwälder dunkler und weniger rein grün erscheinen.
Einige Ausnahmen von dieser Regel sind um so bemerkenswerther, als
sie eine Herbstveränderung und eine im Frühjahr stattfindende Wieder-
herstellung der reinen Blattgrünfarbe beweisen. Die Blätter der Stech-
palme, Ilex aquifolium -- ein Baum übrigens, der sehr mit Unrecht
den Palmennamen trägt und darum auch Hülse (in anderer Richtung
nicht weniger unpassend) genannt wird -- sind während des Winters so
mißfarbig, daß man sie leicht für erfroren halten kann. Es bekommen
jedoch dieselben Blätter im Sommer ihre, gerade bei dieser Pflanze be-
sonders tiefe und reine, grüne Farbe wieder. Dasselbe ist es bei dem
Epheu und bei dem Lebensbaum, Thuja.

Ueber die Ursachen des Laubfalls ist man lange im Unklaren ge-
wesen und sind darüber die verschiedensten Meinungen geltend gemacht
worden, unter denen wohl die unhaltbarste die ist, daß die bis zum Herbst
sich vollkommen ausbildende Knospe das dicht neben ihr stehende Blatt
wegstoßen soll.

Dadurch entſtehen auf den ſich verfärbenden Blättern nicht ſelten
zierliche Zeichnungen und Muſter, z. B. von der Birke und Spitzahorn,
bei deren Umgrenzung die Hauptſeitenrippen maßgebend ſind.

Der Farbenwechſel beruht auf einer Veränderung des Blattgrün,
Chlorophyll
, in Blattgelb, Xanthophyll und Blattroth,
Erythrophyll
. Das Blattgrün, überall im ganzen Pflanzenreiche die
Urſache der grünen Farbe, erſcheint unter dem Mikroſkop in Form von
kleinen, meiſt der inneren Zellenwand angelagerten oft aber auch die ganze
Zelle erfüllenden Kügelchen, welche jedoch nicht durchaus von dem Farb-
ſtoff gebildet werden, ſondern kleine farbloſe mit dem wachsartigen Chlo-
rophyll überzogene Körnchen ſind. Die näheren Urſachen dieſer Um-
änderung des Blattgrün, die nur chemiſcher und phyſikaliſcher Natur ſein
können, ſind noch nicht vollkommen feſtgeſtellt. Sie können aber nicht
lediglich äußere ſein, da man den ganzen Sommer hindurch nicht ſelten
unter grünen Blättern einzelne mit Herbſtfärbung findet.

Bei den immergrünen Bäumen iſt die Herbſtfärbung der Blätter
bekanntlich nicht vorhanden, denn es iſt wohl nur eine Täuſchung, her-
vorgerufen durch das lichtzerſtreuende blendende Weiß des Schnees, wenn
uns im Winter die Nadelwälder dunkler und weniger rein grün erſcheinen.
Einige Ausnahmen von dieſer Regel ſind um ſo bemerkenswerther, als
ſie eine Herbſtveränderung und eine im Frühjahr ſtattfindende Wieder-
herſtellung der reinen Blattgrünfarbe beweiſen. Die Blätter der Stech-
palme, Ilex aquifolium — ein Baum übrigens, der ſehr mit Unrecht
den Palmennamen trägt und darum auch Hülſe (in anderer Richtung
nicht weniger unpaſſend) genannt wird — ſind während des Winters ſo
mißfarbig, daß man ſie leicht für erfroren halten kann. Es bekommen
jedoch dieſelben Blätter im Sommer ihre, gerade bei dieſer Pflanze be-
ſonders tiefe und reine, grüne Farbe wieder. Daſſelbe iſt es bei dem
Epheu und bei dem Lebensbaum, Thuja.

Ueber die Urſachen des Laubfalls iſt man lange im Unklaren ge-
weſen und ſind darüber die verſchiedenſten Meinungen geltend gemacht
worden, unter denen wohl die unhaltbarſte die iſt, daß die bis zum Herbſt
ſich vollkommen ausbildende Knospe das dicht neben ihr ſtehende Blatt
wegſtoßen ſoll.

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[186/0210] Dadurch entſtehen auf den ſich verfärbenden Blättern nicht ſelten zierliche Zeichnungen und Muſter, z. B. von der Birke und Spitzahorn, bei deren Umgrenzung die Hauptſeitenrippen maßgebend ſind. Der Farbenwechſel beruht auf einer Veränderung des Blattgrün, Chlorophyll, in Blattgelb, Xanthophyll und Blattroth, Erythrophyll. Das Blattgrün, überall im ganzen Pflanzenreiche die Urſache der grünen Farbe, erſcheint unter dem Mikroſkop in Form von kleinen, meiſt der inneren Zellenwand angelagerten oft aber auch die ganze Zelle erfüllenden Kügelchen, welche jedoch nicht durchaus von dem Farb- ſtoff gebildet werden, ſondern kleine farbloſe mit dem wachsartigen Chlo- rophyll überzogene Körnchen ſind. Die näheren Urſachen dieſer Um- änderung des Blattgrün, die nur chemiſcher und phyſikaliſcher Natur ſein können, ſind noch nicht vollkommen feſtgeſtellt. Sie können aber nicht lediglich äußere ſein, da man den ganzen Sommer hindurch nicht ſelten unter grünen Blättern einzelne mit Herbſtfärbung findet. Bei den immergrünen Bäumen iſt die Herbſtfärbung der Blätter bekanntlich nicht vorhanden, denn es iſt wohl nur eine Täuſchung, her- vorgerufen durch das lichtzerſtreuende blendende Weiß des Schnees, wenn uns im Winter die Nadelwälder dunkler und weniger rein grün erſcheinen. Einige Ausnahmen von dieſer Regel ſind um ſo bemerkenswerther, als ſie eine Herbſtveränderung und eine im Frühjahr ſtattfindende Wieder- herſtellung der reinen Blattgrünfarbe beweiſen. Die Blätter der Stech- palme, Ilex aquifolium — ein Baum übrigens, der ſehr mit Unrecht den Palmennamen trägt und darum auch Hülſe (in anderer Richtung nicht weniger unpaſſend) genannt wird — ſind während des Winters ſo mißfarbig, daß man ſie leicht für erfroren halten kann. Es bekommen jedoch dieſelben Blätter im Sommer ihre, gerade bei dieſer Pflanze be- ſonders tiefe und reine, grüne Farbe wieder. Daſſelbe iſt es bei dem Epheu und bei dem Lebensbaum, Thuja. Ueber die Urſachen des Laubfalls iſt man lange im Unklaren ge- weſen und ſind darüber die verſchiedenſten Meinungen geltend gemacht worden, unter denen wohl die unhaltbarſte die iſt, daß die bis zum Herbſt ſich vollkommen ausbildende Knospe das dicht neben ihr ſtehende Blatt wegſtoßen ſoll.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/210>, abgerufen am 17.05.2024.