den Lindenarten der Fall und später werden wir bei diesen erfahren, daß dies durch eine Anticipation (S. 81) bedingt ist.
Abgesehen von diesen Zeitverschiedenheiten des Blühens im Ver- hältniß zu der Belaubung so fällt die Blüthezeit der Bäume und Sträucher in verschiedene Zeiten. Am frühesten blühen die Erle und Hasel, am spätesten, gegen Anfang Juli, die Linden.
Die große Mehrzahl unsrer eigentlichen Waldbäume ist getrennten Geschlechts und zwar nach der Bezeichnung des Linne'schen Systems entweder monöcisch oder diöcisch, d. h. es finden sich männliche Blüthen und weibliche Blüthen auf einem Baume nebeneinander (Monöcie), wie bei der Buche; oder der eine Baum trägt blos männliche, ein anderer blos weibliche Blüthen (Diöcie) wie die Espe. Die Ahorne und Linden gehören zu den wenigen Waldbäumen mit Zwitterblüthen. Bei den monöcischen Arten ist es daher erforderlich, daß neben Bäumen mit weib- lichen Blüthen auch solche mit männlichen in der Nähe seien, damit die Befruchtung erfolgen könne. Es ist jedoch nicht nothwendig, daß beide in unmittelbarer Nachbarschaft stehen, da der Blüthenstaub (Pollen) durch die Luftbewegungen weit verbreitet wird.
Die besonderen sich durch das Blühen und Fruchtreifen ausdrückenden Lebenserscheinungen werden bei den einzelnen Baumarten zu besprechen sein und es sei hierüber nur die im ganzen Pflanzenreiche selten vor- kommende Erscheinung hervorgehoben, daß die Kiefern ihren Samen erst im Spätherbst des folgenden Jahres reifen und daß das Ausfliegen des- selben aus den sich öffnenden Zapfen gar erst im Frühjahr des zweit- folgenden Jahres erfolgt. Als schroffer Gegensatz zu dieser Langsamkeit der Samenreife gilt die Anfang April blühende Rüster, deren Same schon Ende Mai reift.
Da der Baum kein abgeschlossenes Individuum und demzufolge seine Entwicklung auch nicht an so bestimmte Zeitgrenzen gebunden ist, wie bei den Thieren, welche hierin feste Regeln befolgen, so ist es auch natürlich, daß der Eintritt des Fruchtbarkeitsalters bei den Bäumen ganz anders als bei den Thieren bedingt ist. Bei keiner Baumart läßt sich mit der Bestimmtheit wie bei einem Thiere angeben, in welchem Alter sie tragbar wird. Nur allgemein und ungefähr läßt sich angeben, in welchem Lebensalter dies eintritt und es hat dabei fast ebensosehr wie das innere
den Lindenarten der Fall und ſpäter werden wir bei dieſen erfahren, daß dies durch eine Anticipation (S. 81) bedingt iſt.
Abgeſehen von dieſen Zeitverſchiedenheiten des Blühens im Ver- hältniß zu der Belaubung ſo fällt die Blüthezeit der Bäume und Sträucher in verſchiedene Zeiten. Am früheſten blühen die Erle und Haſel, am ſpäteſten, gegen Anfang Juli, die Linden.
Die große Mehrzahl unſrer eigentlichen Waldbäume iſt getrennten Geſchlechts und zwar nach der Bezeichnung des Linné’ſchen Syſtems entweder monöciſch oder diöciſch, d. h. es finden ſich männliche Blüthen und weibliche Blüthen auf einem Baume nebeneinander (Monöcie), wie bei der Buche; oder der eine Baum trägt blos männliche, ein anderer blos weibliche Blüthen (Diöcie) wie die Espe. Die Ahorne und Linden gehören zu den wenigen Waldbäumen mit Zwitterblüthen. Bei den monöciſchen Arten iſt es daher erforderlich, daß neben Bäumen mit weib- lichen Blüthen auch ſolche mit männlichen in der Nähe ſeien, damit die Befruchtung erfolgen könne. Es iſt jedoch nicht nothwendig, daß beide in unmittelbarer Nachbarſchaft ſtehen, da der Blüthenſtaub (Pollen) durch die Luftbewegungen weit verbreitet wird.
Die beſonderen ſich durch das Blühen und Fruchtreifen ausdrückenden Lebenserſcheinungen werden bei den einzelnen Baumarten zu beſprechen ſein und es ſei hierüber nur die im ganzen Pflanzenreiche ſelten vor- kommende Erſcheinung hervorgehoben, daß die Kiefern ihren Samen erſt im Spätherbſt des folgenden Jahres reifen und daß das Ausfliegen des- ſelben aus den ſich öffnenden Zapfen gar erſt im Frühjahr des zweit- folgenden Jahres erfolgt. Als ſchroffer Gegenſatz zu dieſer Langſamkeit der Samenreife gilt die Anfang April blühende Rüſter, deren Same ſchon Ende Mai reift.
Da der Baum kein abgeſchloſſenes Individuum und demzufolge ſeine Entwicklung auch nicht an ſo beſtimmte Zeitgrenzen gebunden iſt, wie bei den Thieren, welche hierin feſte Regeln befolgen, ſo iſt es auch natürlich, daß der Eintritt des Fruchtbarkeitsalters bei den Bäumen ganz anders als bei den Thieren bedingt iſt. Bei keiner Baumart läßt ſich mit der Beſtimmtheit wie bei einem Thiere angeben, in welchem Alter ſie tragbar wird. Nur allgemein und ungefähr läßt ſich angeben, in welchem Lebensalter dies eintritt und es hat dabei faſt ebenſoſehr wie das innere
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den Lindenarten der Fall und ſpäter werden wir bei dieſen erfahren, daß
dies durch eine Anticipation (S. 81) bedingt iſt.
Abgeſehen von dieſen Zeitverſchiedenheiten des Blühens im Ver-
hältniß zu der Belaubung ſo fällt die Blüthezeit der Bäume und Sträucher
in verſchiedene Zeiten. Am früheſten blühen die Erle und Haſel, am
ſpäteſten, gegen Anfang Juli, die Linden.
Die große Mehrzahl unſrer eigentlichen Waldbäume iſt getrennten
Geſchlechts und zwar nach der Bezeichnung des Linné’ſchen Syſtems
entweder monöciſch oder diöciſch, d. h. es finden ſich männliche Blüthen
und weibliche Blüthen auf einem Baume nebeneinander (Monöcie), wie
bei der Buche; oder der eine Baum trägt blos männliche, ein anderer
blos weibliche Blüthen (Diöcie) wie die Espe. Die Ahorne und Linden
gehören zu den wenigen Waldbäumen mit Zwitterblüthen. Bei den
monöciſchen Arten iſt es daher erforderlich, daß neben Bäumen mit weib-
lichen Blüthen auch ſolche mit männlichen in der Nähe ſeien, damit die
Befruchtung erfolgen könne. Es iſt jedoch nicht nothwendig, daß beide in
unmittelbarer Nachbarſchaft ſtehen, da der Blüthenſtaub (Pollen) durch
die Luftbewegungen weit verbreitet wird.
Die beſonderen ſich durch das Blühen und Fruchtreifen ausdrückenden
Lebenserſcheinungen werden bei den einzelnen Baumarten zu beſprechen
ſein und es ſei hierüber nur die im ganzen Pflanzenreiche ſelten vor-
kommende Erſcheinung hervorgehoben, daß die Kiefern ihren Samen erſt
im Spätherbſt des folgenden Jahres reifen und daß das Ausfliegen des-
ſelben aus den ſich öffnenden Zapfen gar erſt im Frühjahr des zweit-
folgenden Jahres erfolgt. Als ſchroffer Gegenſatz zu dieſer Langſamkeit
der Samenreife gilt die Anfang April blühende Rüſter, deren Same ſchon
Ende Mai reift.
Da der Baum kein abgeſchloſſenes Individuum und demzufolge
ſeine Entwicklung auch nicht an ſo beſtimmte Zeitgrenzen gebunden iſt,
wie bei den Thieren, welche hierin feſte Regeln befolgen, ſo iſt es auch
natürlich, daß der Eintritt des Fruchtbarkeitsalters bei den Bäumen ganz
anders als bei den Thieren bedingt iſt. Bei keiner Baumart läßt ſich
mit der Beſtimmtheit wie bei einem Thiere angeben, in welchem Alter ſie
tragbar wird. Nur allgemein und ungefähr läßt ſich angeben, in welchem
Lebensalter dies eintritt und es hat dabei faſt ebenſoſehr wie das innere
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/207>, abgerufen am 22.12.2024.
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