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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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sonders kräftig entwickeln zu lassen. Unterhalb der entrindeten Strecke
übernahmen die Blätter des Zweiges e die Bereitung des Bildungssaftes,
der aber, da er nicht oder nur in sehr beschränktem Maaße aufwärts
steigen kann, dem von c bis b liegenden Theile nicht zu gute kam, wes-
halb hier nicht nur keine Dickenzunahme stattfand, sondern auch die Rinde
abstarb.

Würden wir nach der Entrindung das nackte Holz nicht glatt abge-
wischt haben, so würden zarte Ueberreste des jungen Zellgewebes, als
welches wir vorher auf S. 171 den vermeintlichen Saft kennen gelernt
haben, zurückgeblieben sein, und wäre unmittelbar nachher kühles feuchtes
Wetter eingetreten, so wären diese Ueberreste nicht nur nicht vertrocknet,
sondern aus ihnen würden sich Vernarbungswärzchen gebildet haben, an
denen wir mit dem Mikroskop eine beginnende Rinden- und eine Holz-
schicht würden haben erkennen können. So wäre es möglich gewesen,
daß die entblößte Stelle ganz wieder überkleidet worden wäre.

Es fragt sich nun, was mit der Zeit mit diesem Zweige geworden
sein würde. Offenbar liegt das Heilungsbestreben vor, von oben herab die
entrindete Stelle wieder auszufüllen und wenn wir nur einen sehr schmalen
Rindenring abgeschält haben würden, so wäre dies auch gelungen und der
oberhalb liegende Zweigtheil wäre vielleicht am Leben geblieben. Viel-
leicht,
denn zwischen dem zuletzt an die untere Wundlippe herangerückten
Vernarbungsgewebe und jener findet niemals eine organische lebendige
Verwachsung, sondern zuletzt höchstens eine Ueberwachsung statt. Daher
hier immer eine Stelle bleibt, wo durch einen Windstoß der Zweig leicht
abgeknickt werden kann. An dem abgebildeten Zweige würde dies um so
gewisser der Fall gewesen sein, als das entrindete Holz allmälig immer
tiefer abgestorben und am Ende selbst für die Leitung des rohen Nahrungs-
saftes nicht mehr geeignet geblieben sein würde.

Nachdem wir nun die große Bedeutung für das Stammwachsthum
und die Beschaffenheit des Bildungssaftes und diesen selbst vielmehr als
ein zartes Gewebe kennen gelernt haben, so bezeichnen wir nun dieses
mit dem schon mehrmals erwähnten Namen Cambium oder Bildungs-
gewebe
. Es bildet sich aus dem in den Bastzellen abwärts strömenden
Bildungssafte und besteht aus sehr zarthäutigen langgestreckten Zellen,
die mit beinahe horizontalen Böden der Länge nach an einander stoßen.

ſonders kräftig entwickeln zu laſſen. Unterhalb der entrindeten Strecke
übernahmen die Blätter des Zweiges e die Bereitung des Bildungsſaftes,
der aber, da er nicht oder nur in ſehr beſchränktem Maaße aufwärts
ſteigen kann, dem von c bis b liegenden Theile nicht zu gute kam, wes-
halb hier nicht nur keine Dickenzunahme ſtattfand, ſondern auch die Rinde
abſtarb.

Würden wir nach der Entrindung das nackte Holz nicht glatt abge-
wiſcht haben, ſo würden zarte Ueberreſte des jungen Zellgewebes, als
welches wir vorher auf S. 171 den vermeintlichen Saft kennen gelernt
haben, zurückgeblieben ſein, und wäre unmittelbar nachher kühles feuchtes
Wetter eingetreten, ſo wären dieſe Ueberreſte nicht nur nicht vertrocknet,
ſondern aus ihnen würden ſich Vernarbungswärzchen gebildet haben, an
denen wir mit dem Mikroſkop eine beginnende Rinden- und eine Holz-
ſchicht würden haben erkennen können. So wäre es möglich geweſen,
daß die entblößte Stelle ganz wieder überkleidet worden wäre.

Es fragt ſich nun, was mit der Zeit mit dieſem Zweige geworden
ſein würde. Offenbar liegt das Heilungsbeſtreben vor, von oben herab die
entrindete Stelle wieder auszufüllen und wenn wir nur einen ſehr ſchmalen
Rindenring abgeſchält haben würden, ſo wäre dies auch gelungen und der
oberhalb liegende Zweigtheil wäre vielleicht am Leben geblieben. Viel-
leicht,
denn zwiſchen dem zuletzt an die untere Wundlippe herangerückten
Vernarbungsgewebe und jener findet niemals eine organiſche lebendige
Verwachſung, ſondern zuletzt höchſtens eine Ueberwachſung ſtatt. Daher
hier immer eine Stelle bleibt, wo durch einen Windſtoß der Zweig leicht
abgeknickt werden kann. An dem abgebildeten Zweige würde dies um ſo
gewiſſer der Fall geweſen ſein, als das entrindete Holz allmälig immer
tiefer abgeſtorben und am Ende ſelbſt für die Leitung des rohen Nahrungs-
ſaftes nicht mehr geeignet geblieben ſein würde.

Nachdem wir nun die große Bedeutung für das Stammwachsthum
und die Beſchaffenheit des Bildungsſaftes und dieſen ſelbſt vielmehr als
ein zartes Gewebe kennen gelernt haben, ſo bezeichnen wir nun dieſes
mit dem ſchon mehrmals erwähnten Namen Cambium oder Bildungs-
gewebe
. Es bildet ſich aus dem in den Baſtzellen abwärts ſtrömenden
Bildungsſafte und beſteht aus ſehr zarthäutigen langgeſtreckten Zellen,
die mit beinahe horizontalen Böden der Länge nach an einander ſtoßen.

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[174/0198] ſonders kräftig entwickeln zu laſſen. Unterhalb der entrindeten Strecke übernahmen die Blätter des Zweiges e die Bereitung des Bildungsſaftes, der aber, da er nicht oder nur in ſehr beſchränktem Maaße aufwärts ſteigen kann, dem von c bis b liegenden Theile nicht zu gute kam, wes- halb hier nicht nur keine Dickenzunahme ſtattfand, ſondern auch die Rinde abſtarb. Würden wir nach der Entrindung das nackte Holz nicht glatt abge- wiſcht haben, ſo würden zarte Ueberreſte des jungen Zellgewebes, als welches wir vorher auf S. 171 den vermeintlichen Saft kennen gelernt haben, zurückgeblieben ſein, und wäre unmittelbar nachher kühles feuchtes Wetter eingetreten, ſo wären dieſe Ueberreſte nicht nur nicht vertrocknet, ſondern aus ihnen würden ſich Vernarbungswärzchen gebildet haben, an denen wir mit dem Mikroſkop eine beginnende Rinden- und eine Holz- ſchicht würden haben erkennen können. So wäre es möglich geweſen, daß die entblößte Stelle ganz wieder überkleidet worden wäre. Es fragt ſich nun, was mit der Zeit mit dieſem Zweige geworden ſein würde. Offenbar liegt das Heilungsbeſtreben vor, von oben herab die entrindete Stelle wieder auszufüllen und wenn wir nur einen ſehr ſchmalen Rindenring abgeſchält haben würden, ſo wäre dies auch gelungen und der oberhalb liegende Zweigtheil wäre vielleicht am Leben geblieben. Viel- leicht, denn zwiſchen dem zuletzt an die untere Wundlippe herangerückten Vernarbungsgewebe und jener findet niemals eine organiſche lebendige Verwachſung, ſondern zuletzt höchſtens eine Ueberwachſung ſtatt. Daher hier immer eine Stelle bleibt, wo durch einen Windſtoß der Zweig leicht abgeknickt werden kann. An dem abgebildeten Zweige würde dies um ſo gewiſſer der Fall geweſen ſein, als das entrindete Holz allmälig immer tiefer abgeſtorben und am Ende ſelbſt für die Leitung des rohen Nahrungs- ſaftes nicht mehr geeignet geblieben ſein würde. Nachdem wir nun die große Bedeutung für das Stammwachsthum und die Beſchaffenheit des Bildungsſaftes und dieſen ſelbſt vielmehr als ein zartes Gewebe kennen gelernt haben, ſo bezeichnen wir nun dieſes mit dem ſchon mehrmals erwähnten Namen Cambium oder Bildungs- gewebe. Es bildet ſich aus dem in den Baſtzellen abwärts ſtrömenden Bildungsſafte und beſteht aus ſehr zarthäutigen langgeſtreckten Zellen, die mit beinahe horizontalen Böden der Länge nach an einander ſtoßen.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/198>, abgerufen am 22.12.2024.