Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Man hat sich für eine Saat den besten, keimfähigsten Samen ver-
schafft, man hat sich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den
man damit besäet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete sei
und siehe da, der Erfolg entspricht ganz den Erwartungen, der Same
geht herrlich auf und im Herbste steht das junge Heer in hoffnungerweckender
Kraft da, und man berechnet schon, wie hoch, wenn das so fort geht, etwa
in drei Jahren die Kultur sein werde. Aber schon im zweiten Jahre
kommt es ganz anders. Der neue Trieb ist äußerst kümmerlich, und im
Herbst zeigen sich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und
im dritten Jahre schon gleichen die Bäumchen jungen Greisen, denen man
kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir müssen uns überzeugen,
daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zusagt. Und doch
wuchsen im ersten Jahre die Pflänzchen so trefflich! Wir vergessen, daß
es damals nicht der Boden war, der sie ernährte, sondern der Nahrungs-
vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein
zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern
wenigstens einen wesentlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an
sich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel-
leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der
ersten Entwicklung des Samens eine besonders günstige Witterung herrschte.

Es hat in früherer Zeit Naturforscher gegeben, welche diese Betheili-
gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze so sehr über-
sahen, daß sie die voreiligsten Folgerungen machten. Sie ließen Samen
in ausgewaschenem und ausgeglühtem Quarzsand, der mit destillirtem Wasser
feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür gesorgt, daß den Keim-
pflänzchen keine oder wenigstens beinahe keine Nahrungsstoffe von außen
zugeführt wurden. Als nun dennoch diese Samen nicht nur keimten, son-
dern auch in manchen Fällen sich bis zur Blüthe entwickelten, so sagten
sie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen besitze, aus dem Grund-
wesen des Wassers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen sie besteht.
Wir wissen es nun besser und lächeln um so berechtigter über den Irrthum,
als zu jenen Versuchen große Samen gewählt worden waren, in denen
große Vorräthe von den gedeihlichsten Nahrungsstoffen enthalten gewesen waren.

Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen
allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewiesen, die nämlich

Man hat ſich für eine Saat den beſten, keimfähigſten Samen ver-
ſchafft, man hat ſich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den
man damit beſäet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete ſei
und ſiehe da, der Erfolg entſpricht ganz den Erwartungen, der Same
geht herrlich auf und im Herbſte ſteht das junge Heer in hoffnungerweckender
Kraft da, und man berechnet ſchon, wie hoch, wenn das ſo fort geht, etwa
in drei Jahren die Kultur ſein werde. Aber ſchon im zweiten Jahre
kommt es ganz anders. Der neue Trieb iſt äußerſt kümmerlich, und im
Herbſt zeigen ſich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und
im dritten Jahre ſchon gleichen die Bäumchen jungen Greiſen, denen man
kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir müſſen uns überzeugen,
daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zuſagt. Und doch
wuchſen im erſten Jahre die Pflänzchen ſo trefflich! Wir vergeſſen, daß
es damals nicht der Boden war, der ſie ernährte, ſondern der Nahrungs-
vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein
zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern
wenigſtens einen weſentlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an
ſich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel-
leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der
erſten Entwicklung des Samens eine beſonders günſtige Witterung herrſchte.

Es hat in früherer Zeit Naturforſcher gegeben, welche dieſe Betheili-
gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze ſo ſehr über-
ſahen, daß ſie die voreiligſten Folgerungen machten. Sie ließen Samen
in ausgewaſchenem und ausgeglühtem Quarzſand, der mit deſtillirtem Waſſer
feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür geſorgt, daß den Keim-
pflänzchen keine oder wenigſtens beinahe keine Nahrungsſtoffe von außen
zugeführt wurden. Als nun dennoch dieſe Samen nicht nur keimten, ſon-
dern auch in manchen Fällen ſich bis zur Blüthe entwickelten, ſo ſagten
ſie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen beſitze, aus dem Grund-
weſen des Waſſers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen ſie beſteht.
Wir wiſſen es nun beſſer und lächeln um ſo berechtigter über den Irrthum,
als zu jenen Verſuchen große Samen gewählt worden waren, in denen
große Vorräthe von den gedeihlichſten Nahrungsſtoffen enthalten geweſen waren.

Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen
allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewieſen, die nämlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0173" n="149"/>
          <p>Man hat &#x017F;ich für eine Saat den be&#x017F;ten, keimfähig&#x017F;ten Samen ver-<lb/>
&#x017F;chafft, man hat &#x017F;ich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den<lb/>
man damit be&#x017F;äet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete &#x017F;ei<lb/>
und &#x017F;iehe da, der Erfolg ent&#x017F;pricht ganz den Erwartungen, der Same<lb/>
geht herrlich auf und im Herb&#x017F;te &#x017F;teht das junge Heer in hoffnungerweckender<lb/>
Kraft da, und man berechnet &#x017F;chon, wie hoch, wenn das &#x017F;o fort geht, etwa<lb/>
in drei Jahren die Kultur &#x017F;ein werde. Aber &#x017F;chon im zweiten Jahre<lb/>
kommt es ganz anders. Der neue Trieb i&#x017F;t äußer&#x017F;t kümmerlich, und im<lb/>
Herb&#x017F;t zeigen &#x017F;ich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und<lb/>
im dritten Jahre &#x017F;chon gleichen die Bäumchen jungen Grei&#x017F;en, denen man<lb/>
kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir mü&#x017F;&#x017F;en uns überzeugen,<lb/>
daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zu&#x017F;agt. Und doch<lb/>
wuch&#x017F;en im er&#x017F;ten Jahre die Pflänzchen &#x017F;o trefflich! Wir verge&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
es damals nicht der Boden war, der &#x017F;ie ernährte, &#x017F;ondern der Nahrungs-<lb/>
vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein<lb/>
zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern<lb/>
wenig&#x017F;tens einen we&#x017F;entlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an<lb/>
&#x017F;ich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel-<lb/>
leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der<lb/>
er&#x017F;ten Entwicklung des Samens eine be&#x017F;onders gün&#x017F;tige Witterung herr&#x017F;chte.</p><lb/>
          <p>Es hat in früherer Zeit Naturfor&#x017F;cher gegeben, welche die&#x017F;e Betheili-<lb/>
gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze &#x017F;o &#x017F;ehr über-<lb/>
&#x017F;ahen, daß &#x017F;ie die voreilig&#x017F;ten Folgerungen machten. Sie ließen Samen<lb/>
in ausgewa&#x017F;chenem und ausgeglühtem Quarz&#x017F;and, der mit de&#x017F;tillirtem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür ge&#x017F;orgt, daß den Keim-<lb/>
pflänzchen keine oder wenig&#x017F;tens beinahe keine Nahrungs&#x017F;toffe von außen<lb/>
zugeführt wurden. Als nun dennoch die&#x017F;e Samen nicht nur keimten, &#x017F;on-<lb/>
dern auch in manchen Fällen &#x017F;ich bis zur Blüthe entwickelten, &#x017F;o &#x017F;agten<lb/>
&#x017F;ie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen be&#x017F;itze, aus dem Grund-<lb/>
we&#x017F;en des Wa&#x017F;&#x017F;ers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen &#x017F;ie be&#x017F;teht.<lb/>
Wir wi&#x017F;&#x017F;en es nun be&#x017F;&#x017F;er und lächeln um &#x017F;o berechtigter über den Irrthum,<lb/>
als zu jenen Ver&#x017F;uchen große Samen gewählt worden waren, in denen<lb/>
große Vorräthe von den gedeihlich&#x017F;ten Nahrungs&#x017F;toffen enthalten gewe&#x017F;en waren.</p><lb/>
          <p>Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen<lb/>
allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewie&#x017F;en, die nämlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0173] Man hat ſich für eine Saat den beſten, keimfähigſten Samen ver- ſchafft, man hat ſich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den man damit beſäet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete ſei und ſiehe da, der Erfolg entſpricht ganz den Erwartungen, der Same geht herrlich auf und im Herbſte ſteht das junge Heer in hoffnungerweckender Kraft da, und man berechnet ſchon, wie hoch, wenn das ſo fort geht, etwa in drei Jahren die Kultur ſein werde. Aber ſchon im zweiten Jahre kommt es ganz anders. Der neue Trieb iſt äußerſt kümmerlich, und im Herbſt zeigen ſich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und im dritten Jahre ſchon gleichen die Bäumchen jungen Greiſen, denen man kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir müſſen uns überzeugen, daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zuſagt. Und doch wuchſen im erſten Jahre die Pflänzchen ſo trefflich! Wir vergeſſen, daß es damals nicht der Boden war, der ſie ernährte, ſondern der Nahrungs- vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern wenigſtens einen weſentlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an ſich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel- leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der erſten Entwicklung des Samens eine beſonders günſtige Witterung herrſchte. Es hat in früherer Zeit Naturforſcher gegeben, welche dieſe Betheili- gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze ſo ſehr über- ſahen, daß ſie die voreiligſten Folgerungen machten. Sie ließen Samen in ausgewaſchenem und ausgeglühtem Quarzſand, der mit deſtillirtem Waſſer feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür geſorgt, daß den Keim- pflänzchen keine oder wenigſtens beinahe keine Nahrungsſtoffe von außen zugeführt wurden. Als nun dennoch dieſe Samen nicht nur keimten, ſon- dern auch in manchen Fällen ſich bis zur Blüthe entwickelten, ſo ſagten ſie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen beſitze, aus dem Grund- weſen des Waſſers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen ſie beſteht. Wir wiſſen es nun beſſer und lächeln um ſo berechtigter über den Irrthum, als zu jenen Verſuchen große Samen gewählt worden waren, in denen große Vorräthe von den gedeihlichſten Nahrungsſtoffen enthalten geweſen waren. Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewieſen, die nämlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/173
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/173>, abgerufen am 17.05.2024.