Zellen fest, sondern läßt es durch diese hindurchgehen und in das Zell- gewebe des Samenkorns eindringen.
In dem Samen befindet sich ein Vorrath von gewissen Stoffen in einem chemischen Ruhezustand, diese Stoffe sind darin gewissermaßen fest- gelegt. Da wir wissen, daß manche Samen ihre Keimfähigkeit Jahr- hunderte lang behalten, andere sie schon nach einigen Jahren verlieren, so ist dieser chemische Ruhezustand nicht in allen Pflanzensamen von gleicher Beschaffenheit. Diejenigen Samen behalten in der Regel am längsten die Keimfähigkeit, in ihnen ist jener Ruhezustand der festeste Schlummer, ein wahrer Scheintod, welche keine flüssigen und als solche den chemischen Zersetzungen am leichtesten zugänglichen Stoffe oder Stoffverbindungen enthalten. Darum ist es schwer, ölhaltige Samen, in denen das Oel leicht ranzig wird, längere Zeit keimfähig zu erhalten.
Wir sehen auf unserem Holzschnitt XIX. in Fig. 1 einen gequellten Bohnenkern von der ein wenig verwendeten Seiten-Ansicht und Fig. 2 denselben in derselben Lage, nachdem wir seine Samenschale abgeschält haben. An Fig. 1 unterscheiden wir die eirunde Stelle, n, mit welcher der Kern vermittels eines kurzen dicken Stielchens in der Hülse festge- wachsen war und über derselben verräth sich durch eine Anschwellung der noch unter der Samenschale eingeschlossene Keim, w, welchen wir an Fig. 2 w selbst sehen. Alles was wir sonst nach an Fig. 2 sehen, sind die uns Allen bekannten beiden halbeiförmigen dicken Körper, in die eben nach Entfernung der Samenschale viele Samen so leicht zerfallen. Diese beiden Körper sind die beiden Samen- oder Keimlappen, Kotyle- donen. In Fig. 3 ist der eine Samenlappen hinweggenommen und wir sehen nun nicht blos den Keim -- was man nämlich im gemeinen Leben so nennt, sondern auch noch die andere dazu gehörige Hälfte, welche mehr nach einwärts zwischen den beiden ebenen Flächen der Samenlappen eingeschlossen war. Wir sehen aber leicht, daß das auf dem Samenlappen aufliegende und nur an einer kleinen Stelle mit ihm verbundene Körperchen das zukünftige Pflänzchen ist, an dem wir, durch den Punkt c von ein- ander geschieden, das Würzelchen, w, und das Federchen, f, unter- scheiden. Da bei dem keimenden Samen immer das Würzelchen zuerst hervortritt, so verstehen wir gemeiniglich unter Keim blos diese eine Hälfte. Die andere, die wir eben Federchen nannten, tritt erst später, nachdem
Zellen feſt, ſondern läßt es durch dieſe hindurchgehen und in das Zell- gewebe des Samenkorns eindringen.
In dem Samen befindet ſich ein Vorrath von gewiſſen Stoffen in einem chemiſchen Ruhezuſtand, dieſe Stoffe ſind darin gewiſſermaßen feſt- gelegt. Da wir wiſſen, daß manche Samen ihre Keimfähigkeit Jahr- hunderte lang behalten, andere ſie ſchon nach einigen Jahren verlieren, ſo iſt dieſer chemiſche Ruhezuſtand nicht in allen Pflanzenſamen von gleicher Beſchaffenheit. Diejenigen Samen behalten in der Regel am längſten die Keimfähigkeit, in ihnen iſt jener Ruhezuſtand der feſteſte Schlummer, ein wahrer Scheintod, welche keine flüſſigen und als ſolche den chemiſchen Zerſetzungen am leichteſten zugänglichen Stoffe oder Stoffverbindungen enthalten. Darum iſt es ſchwer, ölhaltige Samen, in denen das Oel leicht ranzig wird, längere Zeit keimfähig zu erhalten.
Wir ſehen auf unſerem Holzſchnitt XIX. in Fig. 1 einen gequellten Bohnenkern von der ein wenig verwendeten Seiten-Anſicht und Fig. 2 denſelben in derſelben Lage, nachdem wir ſeine Samenſchale abgeſchält haben. An Fig. 1 unterſcheiden wir die eirunde Stelle, n, mit welcher der Kern vermittels eines kurzen dicken Stielchens in der Hülſe feſtge- wachſen war und über derſelben verräth ſich durch eine Anſchwellung der noch unter der Samenſchale eingeſchloſſene Keim, w, welchen wir an Fig. 2 w ſelbſt ſehen. Alles was wir ſonſt nach an Fig. 2 ſehen, ſind die uns Allen bekannten beiden halbeiförmigen dicken Körper, in die eben nach Entfernung der Samenſchale viele Samen ſo leicht zerfallen. Dieſe beiden Körper ſind die beiden Samen- oder Keimlappen, Kotyle- donen. In Fig. 3 iſt der eine Samenlappen hinweggenommen und wir ſehen nun nicht blos den Keim — was man nämlich im gemeinen Leben ſo nennt, ſondern auch noch die andere dazu gehörige Hälfte, welche mehr nach einwärts zwiſchen den beiden ebenen Flächen der Samenlappen eingeſchloſſen war. Wir ſehen aber leicht, daß das auf dem Samenlappen aufliegende und nur an einer kleinen Stelle mit ihm verbundene Körperchen das zukünftige Pflänzchen iſt, an dem wir, durch den Punkt c von ein- ander geſchieden, das Würzelchen, w, und das Federchen, f, unter- ſcheiden. Da bei dem keimenden Samen immer das Würzelchen zuerſt hervortritt, ſo verſtehen wir gemeiniglich unter Keim blos dieſe eine Hälfte. Die andere, die wir eben Federchen nannten, tritt erſt ſpäter, nachdem
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Zellen feſt, ſondern läßt es durch dieſe hindurchgehen und in das Zell-
gewebe des Samenkorns eindringen.
In dem Samen befindet ſich ein Vorrath von gewiſſen Stoffen in
einem chemiſchen Ruhezuſtand, dieſe Stoffe ſind darin gewiſſermaßen feſt-
gelegt. Da wir wiſſen, daß manche Samen ihre Keimfähigkeit Jahr-
hunderte lang behalten, andere ſie ſchon nach einigen Jahren verlieren,
ſo iſt dieſer chemiſche Ruhezuſtand nicht in allen Pflanzenſamen von gleicher
Beſchaffenheit. Diejenigen Samen behalten in der Regel am längſten
die Keimfähigkeit, in ihnen iſt jener Ruhezuſtand der feſteſte Schlummer,
ein wahrer Scheintod, welche keine flüſſigen und als ſolche den chemiſchen
Zerſetzungen am leichteſten zugänglichen Stoffe oder Stoffverbindungen
enthalten. Darum iſt es ſchwer, ölhaltige Samen, in denen das Oel
leicht ranzig wird, längere Zeit keimfähig zu erhalten.
Wir ſehen auf unſerem Holzſchnitt XIX. in Fig. 1 einen gequellten
Bohnenkern von der ein wenig verwendeten Seiten-Anſicht und Fig. 2
denſelben in derſelben Lage, nachdem wir ſeine Samenſchale abgeſchält
haben. An Fig. 1 unterſcheiden wir die eirunde Stelle, n, mit welcher
der Kern vermittels eines kurzen dicken Stielchens in der Hülſe feſtge-
wachſen war und über derſelben verräth ſich durch eine Anſchwellung der
noch unter der Samenſchale eingeſchloſſene Keim, w, welchen wir an
Fig. 2 w ſelbſt ſehen. Alles was wir ſonſt nach an Fig. 2 ſehen, ſind
die uns Allen bekannten beiden halbeiförmigen dicken Körper, in die eben
nach Entfernung der Samenſchale viele Samen ſo leicht zerfallen. Dieſe
beiden Körper ſind die beiden Samen- oder Keimlappen, Kotyle-
donen. In Fig. 3 iſt der eine Samenlappen hinweggenommen und
wir ſehen nun nicht blos den Keim — was man nämlich im gemeinen
Leben ſo nennt, ſondern auch noch die andere dazu gehörige Hälfte, welche
mehr nach einwärts zwiſchen den beiden ebenen Flächen der Samenlappen
eingeſchloſſen war. Wir ſehen aber leicht, daß das auf dem Samenlappen
aufliegende und nur an einer kleinen Stelle mit ihm verbundene Körperchen
das zukünftige Pflänzchen iſt, an dem wir, durch den Punkt c von ein-
ander geſchieden, das Würzelchen, w, und das Federchen, f, unter-
ſcheiden. Da bei dem keimenden Samen immer das Würzelchen zuerſt
hervortritt, ſo verſtehen wir gemeiniglich unter Keim blos dieſe eine Hälfte.
Die andere, die wir eben Federchen nannten, tritt erſt ſpäter, nachdem
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/158>, abgerufen am 22.12.2024.
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