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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Triebe stehen, neben der Endknospe meist nur noch solche Blüthen-
knospen (IV. 5.).

Auf dieser Verschiedenheit von Lang- und Kurztrieben und auf dem
Fehlschlagen unzähliger Knospen beruht wesentlich die malerische, so manch-
faltig zusammengesetzte Fülle unserer Laubkronen, während diese ohne
Zweifel an einer unschönen Regelmäßigkeit leiden würden, wenn alle
Triebe gleich sein und alle Knospen sich zu Trieben entwickeln würden.

Es muß hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht
werden, was uns eben der Birkenzweig (IV. 8.) lehrte, daß das, was
diese Figuren (8. 5. 7.) darstellen, richtiger Kurzzweige als Kurztriebe
heißen sollte, denn wir sahen, daß an Fig. 8. zwei aus je 7 Kurztrieben
von je kaum 1 Linie Länge zusammengesetzte Kurzzweige stehen. Ein
Trieb ist ja immer nur das Produkt einer Vegetationsperiode (wenigstens
am Baume) und an Fig. 8. sehen wir in jedem der beiden Kurzzweige
das Produkt von 7 Vegetationsperioden.

Das Wort Zweig hat streng genommen gar keine wissenschaftliche
Berechtigung, wenigstens nicht in der Forstbotanik, eben so wie auch Ast
nur eine Volksbenennung ist. Es würde uns sehr schwer werden, im
Anblick einer Eichenkrone, und namentlich unter vergleichender Berück-
sichtigung einer alten und einer jungen Eiche, bestimmt zu sagen, was
an ihnen Ast und was Zweig ist. Nur was Trieb, Sproß, ist, wissen
wir bestimmt zu umschreiben: das Axenglied, welches innerhalb einer
Vegetationsperiode aus einer Knospe hervorging.

Wenn wir auch nicht wissen, aus welchen Gründen die eine End-
knospe einen Langtrieb, eine andere einen Kurztrieb entwickelt, so ist doch
hierüber nach der Alters- und sonstigen Beschaffenheit der Bäume eine
gewisse Verschiedenheit bemerkbar. An alten Bäumen herrschen meist die
Kurztriebe vor, an jungen die Langtriebe. Besonders übt hierauf das
Beschneiden des Baumes einen bemerkenswerthen Einfluß. Eine frisch
geköpfte Weide treibt nur ellenlange Langtriebe hervor; dasselbe thut ein
ausschlagender Wurzel-Stock, deren Triebe, z. B. bei dem Ahorn, der
Rüster, der Weide und vielen andern Bäumen nicht selten 2--3 Ellen
lang in einem Sommer hervorschießen und den besonderen Namen Stock-
lohden
erhalten haben. Ohne Zweifel übt hier der Umstand einen
Einfluß aus, daß der geköpfte Baum oder der seines ganzen Stammes

Triebe ſtehen, neben der Endknospe meiſt nur noch ſolche Blüthen-
knospen (IV. 5.).

Auf dieſer Verſchiedenheit von Lang- und Kurztrieben und auf dem
Fehlſchlagen unzähliger Knospen beruht weſentlich die maleriſche, ſo manch-
faltig zuſammengeſetzte Fülle unſerer Laubkronen, während dieſe ohne
Zweifel an einer unſchönen Regelmäßigkeit leiden würden, wenn alle
Triebe gleich ſein und alle Knospen ſich zu Trieben entwickeln würden.

Es muß hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerkſam gemacht
werden, was uns eben der Birkenzweig (IV. 8.) lehrte, daß das, was
dieſe Figuren (8. 5. 7.) darſtellen, richtiger Kurzzweige als Kurztriebe
heißen ſollte, denn wir ſahen, daß an Fig. 8. zwei aus je 7 Kurztrieben
von je kaum 1 Linie Länge zuſammengeſetzte Kurzzweige ſtehen. Ein
Trieb iſt ja immer nur das Produkt einer Vegetationsperiode (wenigſtens
am Baume) und an Fig. 8. ſehen wir in jedem der beiden Kurzzweige
das Produkt von 7 Vegetationsperioden.

Das Wort Zweig hat ſtreng genommen gar keine wiſſenſchaftliche
Berechtigung, wenigſtens nicht in der Forſtbotanik, eben ſo wie auch Aſt
nur eine Volksbenennung iſt. Es würde uns ſehr ſchwer werden, im
Anblick einer Eichenkrone, und namentlich unter vergleichender Berück-
ſichtigung einer alten und einer jungen Eiche, beſtimmt zu ſagen, was
an ihnen Aſt und was Zweig iſt. Nur was Trieb, Sproß, iſt, wiſſen
wir beſtimmt zu umſchreiben: das Axenglied, welches innerhalb einer
Vegetationsperiode aus einer Knospe hervorging.

Wenn wir auch nicht wiſſen, aus welchen Gründen die eine End-
knospe einen Langtrieb, eine andere einen Kurztrieb entwickelt, ſo iſt doch
hierüber nach der Alters- und ſonſtigen Beſchaffenheit der Bäume eine
gewiſſe Verſchiedenheit bemerkbar. An alten Bäumen herrſchen meiſt die
Kurztriebe vor, an jungen die Langtriebe. Beſonders übt hierauf das
Beſchneiden des Baumes einen bemerkenswerthen Einfluß. Eine friſch
geköpfte Weide treibt nur ellenlange Langtriebe hervor; daſſelbe thut ein
ausſchlagender Wurzel-Stock, deren Triebe, z. B. bei dem Ahorn, der
Rüſter, der Weide und vielen andern Bäumen nicht ſelten 2—3 Ellen
lang in einem Sommer hervorſchießen und den beſonderen Namen Stock-
lohden
erhalten haben. Ohne Zweifel übt hier der Umſtand einen
Einfluß aus, daß der geköpfte Baum oder der ſeines ganzen Stammes

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[78/0102] Triebe ſtehen, neben der Endknospe meiſt nur noch ſolche Blüthen- knospen (IV. 5.). Auf dieſer Verſchiedenheit von Lang- und Kurztrieben und auf dem Fehlſchlagen unzähliger Knospen beruht weſentlich die maleriſche, ſo manch- faltig zuſammengeſetzte Fülle unſerer Laubkronen, während dieſe ohne Zweifel an einer unſchönen Regelmäßigkeit leiden würden, wenn alle Triebe gleich ſein und alle Knospen ſich zu Trieben entwickeln würden. Es muß hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerkſam gemacht werden, was uns eben der Birkenzweig (IV. 8.) lehrte, daß das, was dieſe Figuren (8. 5. 7.) darſtellen, richtiger Kurzzweige als Kurztriebe heißen ſollte, denn wir ſahen, daß an Fig. 8. zwei aus je 7 Kurztrieben von je kaum 1 Linie Länge zuſammengeſetzte Kurzzweige ſtehen. Ein Trieb iſt ja immer nur das Produkt einer Vegetationsperiode (wenigſtens am Baume) und an Fig. 8. ſehen wir in jedem der beiden Kurzzweige das Produkt von 7 Vegetationsperioden. Das Wort Zweig hat ſtreng genommen gar keine wiſſenſchaftliche Berechtigung, wenigſtens nicht in der Forſtbotanik, eben ſo wie auch Aſt nur eine Volksbenennung iſt. Es würde uns ſehr ſchwer werden, im Anblick einer Eichenkrone, und namentlich unter vergleichender Berück- ſichtigung einer alten und einer jungen Eiche, beſtimmt zu ſagen, was an ihnen Aſt und was Zweig iſt. Nur was Trieb, Sproß, iſt, wiſſen wir beſtimmt zu umſchreiben: das Axenglied, welches innerhalb einer Vegetationsperiode aus einer Knospe hervorging. Wenn wir auch nicht wiſſen, aus welchen Gründen die eine End- knospe einen Langtrieb, eine andere einen Kurztrieb entwickelt, ſo iſt doch hierüber nach der Alters- und ſonſtigen Beſchaffenheit der Bäume eine gewiſſe Verſchiedenheit bemerkbar. An alten Bäumen herrſchen meiſt die Kurztriebe vor, an jungen die Langtriebe. Beſonders übt hierauf das Beſchneiden des Baumes einen bemerkenswerthen Einfluß. Eine friſch geköpfte Weide treibt nur ellenlange Langtriebe hervor; daſſelbe thut ein ausſchlagender Wurzel-Stock, deren Triebe, z. B. bei dem Ahorn, der Rüſter, der Weide und vielen andern Bäumen nicht ſelten 2—3 Ellen lang in einem Sommer hervorſchießen und den beſonderen Namen Stock- lohden erhalten haben. Ohne Zweifel übt hier der Umſtand einen Einfluß aus, daß der geköpfte Baum oder der ſeines ganzen Stammes

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/102>, abgerufen am 22.12.2024.