Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

zahlreichen Knospen ist in den drei Jahren immer nur die Endknospe
zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neuesten Triebes
wiederum so geworden sein würde, das würde zum Theil wenigstens von
den Witterungsumständen abgehangen haben. Die sitzen, d. h. unentfaltet
gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blattstielnarbe eine
Knospennarbe hinterlassen, wie man die Flecke nennen könnte, wo diese
Knospen gesessen haben, von denen einige selbst jetzt noch festsitzen, wenn
auch nur vertrocknet und längst todt.

Wo an unserer Figur die Sternchen stehen erkennen wir mit Leich-
tigkeit die Grenze zwischen zwei Jahrestrieben an der daselbst bemerkbaren
Einschnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung
des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche daselbst
bemerkbar sind. Diese Linien sind die Narben, welche die hier ansitzend
gewesenen Knospenschuppen zurückgelassen haben, als sie bei der Ent-
faltung der Knospe sich auseinanderbiegen mußten und endlich abgestoßen
wurden.

Da die Zeichnung natürliche Größe ist, so sehen wir, daß in vier
Jahren dieser Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger
geworden ist und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir
also hier 4 Kurztriebe vor uns haben versteht sich von selbst.

Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer so augenfällig
ist, wie hier, so ist sie doch, und zwar zumeist durch die Spuren
der ehemaligen Knospenschuppen
, bei einiger Aufmerksamkeit
leicht nachzuweisen, besonders wenn die Knospen des Baumes vielschuppig
sind, wie z. B. bei der Buche, wo die Basis jedes neuen Triebes etwa
1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppenspuren, geringelt
ist (Siehe S. 63 IV. 9. ****).

Dennoch gehört zuweilen große Aufmerksamkeit oder wenigstens eine
Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um sich, wie schon vorher
im voraus angedeutet wurde, vor einer Täuschung zu bewahren.

Fig. IV. 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an
welchem zwei Kurztriebe sitzen. An letzteren bemerken wir eine Menge
äußerst regelmäßige Blattstielnarben und dichtstehende Einschnürungen und
kleine Wülste. Jeder dieser Kurztriebe ist sieben Jahr alt, er trug an
seiner Spitze jedes Jahr stets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche

zahlreichen Knospen iſt in den drei Jahren immer nur die Endknospe
zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neueſten Triebes
wiederum ſo geworden ſein würde, das würde zum Theil wenigſtens von
den Witterungsumſtänden abgehangen haben. Die ſitzen, d. h. unentfaltet
gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blattſtielnarbe eine
Knospennarbe hinterlaſſen, wie man die Flecke nennen könnte, wo dieſe
Knospen geſeſſen haben, von denen einige ſelbſt jetzt noch feſtſitzen, wenn
auch nur vertrocknet und längſt todt.

Wo an unſerer Figur die Sternchen ſtehen erkennen wir mit Leich-
tigkeit die Grenze zwiſchen zwei Jahrestrieben an der daſelbſt bemerkbaren
Einſchnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung
des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche daſelbſt
bemerkbar ſind. Dieſe Linien ſind die Narben, welche die hier anſitzend
geweſenen Knospenſchuppen zurückgelaſſen haben, als ſie bei der Ent-
faltung der Knospe ſich auseinanderbiegen mußten und endlich abgeſtoßen
wurden.

Da die Zeichnung natürliche Größe iſt, ſo ſehen wir, daß in vier
Jahren dieſer Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger
geworden iſt und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir
alſo hier 4 Kurztriebe vor uns haben verſteht ſich von ſelbſt.

Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer ſo augenfällig
iſt, wie hier, ſo iſt ſie doch, und zwar zumeiſt durch die Spuren
der ehemaligen Knospenſchuppen
, bei einiger Aufmerkſamkeit
leicht nachzuweiſen, beſonders wenn die Knospen des Baumes vielſchuppig
ſind, wie z. B. bei der Buche, wo die Baſis jedes neuen Triebes etwa
1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppenſpuren, geringelt
iſt (Siehe S. 63 IV. 9. ****).

Dennoch gehört zuweilen große Aufmerkſamkeit oder wenigſtens eine
Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um ſich, wie ſchon vorher
im voraus angedeutet wurde, vor einer Täuſchung zu bewahren.

Fig. IV. 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an
welchem zwei Kurztriebe ſitzen. An letzteren bemerken wir eine Menge
äußerſt regelmäßige Blattſtielnarben und dichtſtehende Einſchnürungen und
kleine Wülſte. Jeder dieſer Kurztriebe iſt ſieben Jahr alt, er trug an
ſeiner Spitze jedes Jahr ſtets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0100" n="76"/>
zahlreichen Knospen i&#x017F;t in den drei Jahren immer nur die Endknospe<lb/>
zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neue&#x017F;ten Triebes<lb/>
wiederum &#x017F;o geworden &#x017F;ein würde, das würde zum Theil wenig&#x017F;tens von<lb/>
den Witterungsum&#x017F;tänden abgehangen haben. Die &#x017F;itzen, d. h. unentfaltet<lb/>
gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blatt&#x017F;tielnarbe eine<lb/>
Knospennarbe hinterla&#x017F;&#x017F;en, wie man die Flecke nennen könnte, wo die&#x017F;e<lb/>
Knospen ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en haben, von denen einige &#x017F;elb&#x017F;t jetzt noch fe&#x017F;t&#x017F;itzen, wenn<lb/>
auch nur vertrocknet und läng&#x017F;t todt.</p><lb/>
            <p>Wo an un&#x017F;erer Figur die Sternchen &#x017F;tehen erkennen wir mit Leich-<lb/>
tigkeit die Grenze zwi&#x017F;chen zwei Jahrestrieben an der da&#x017F;elb&#x017F;t bemerkbaren<lb/>
Ein&#x017F;chnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung<lb/>
des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
bemerkbar &#x017F;ind. Die&#x017F;e Linien &#x017F;ind die Narben, welche die hier an&#x017F;itzend<lb/>
gewe&#x017F;enen Knospen&#x017F;chuppen zurückgela&#x017F;&#x017F;en haben, als &#x017F;ie bei der Ent-<lb/>
faltung der Knospe &#x017F;ich auseinanderbiegen mußten und endlich abge&#x017F;toßen<lb/>
wurden.</p><lb/>
            <p>Da die Zeichnung natürliche Größe i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ehen wir, daß in vier<lb/>
Jahren die&#x017F;er Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger<lb/>
geworden i&#x017F;t und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir<lb/>
al&#x017F;o hier 4 <hi rendition="#g">Kurztriebe</hi> vor uns haben ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer &#x017F;o augenfällig<lb/>
i&#x017F;t, wie hier, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie doch, <hi rendition="#g">und zwar zumei&#x017F;t durch die Spuren<lb/>
der ehemaligen Knospen&#x017F;chuppen</hi>, bei einiger Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
leicht nachzuwei&#x017F;en, be&#x017F;onders wenn die Knospen des Baumes viel&#x017F;chuppig<lb/>
&#x017F;ind, wie z. B. bei der Buche, wo die Ba&#x017F;is jedes neuen Triebes etwa<lb/>
1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppen&#x017F;puren, geringelt<lb/>
i&#x017F;t (Siehe S. 63 <hi rendition="#aq">IV.</hi> 9. ****).</p><lb/>
            <p>Dennoch gehört zuweilen große Aufmerk&#x017F;amkeit oder wenig&#x017F;tens eine<lb/>
Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um &#x017F;ich, wie &#x017F;chon vorher<lb/>
im voraus angedeutet wurde, vor einer Täu&#x017F;chung zu bewahren.</p><lb/>
            <p>Fig. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an<lb/>
welchem zwei Kurztriebe &#x017F;itzen. An letzteren bemerken wir eine Menge<lb/>
äußer&#x017F;t regelmäßige Blatt&#x017F;tielnarben und dicht&#x017F;tehende Ein&#x017F;chnürungen und<lb/>
kleine Wül&#x017F;te. Jeder die&#x017F;er Kurztriebe i&#x017F;t &#x017F;ieben Jahr alt, er trug an<lb/>
&#x017F;einer Spitze jedes Jahr &#x017F;tets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0100] zahlreichen Knospen iſt in den drei Jahren immer nur die Endknospe zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neueſten Triebes wiederum ſo geworden ſein würde, das würde zum Theil wenigſtens von den Witterungsumſtänden abgehangen haben. Die ſitzen, d. h. unentfaltet gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blattſtielnarbe eine Knospennarbe hinterlaſſen, wie man die Flecke nennen könnte, wo dieſe Knospen geſeſſen haben, von denen einige ſelbſt jetzt noch feſtſitzen, wenn auch nur vertrocknet und längſt todt. Wo an unſerer Figur die Sternchen ſtehen erkennen wir mit Leich- tigkeit die Grenze zwiſchen zwei Jahrestrieben an der daſelbſt bemerkbaren Einſchnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche daſelbſt bemerkbar ſind. Dieſe Linien ſind die Narben, welche die hier anſitzend geweſenen Knospenſchuppen zurückgelaſſen haben, als ſie bei der Ent- faltung der Knospe ſich auseinanderbiegen mußten und endlich abgeſtoßen wurden. Da die Zeichnung natürliche Größe iſt, ſo ſehen wir, daß in vier Jahren dieſer Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger geworden iſt und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir alſo hier 4 Kurztriebe vor uns haben verſteht ſich von ſelbſt. Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer ſo augenfällig iſt, wie hier, ſo iſt ſie doch, und zwar zumeiſt durch die Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen, bei einiger Aufmerkſamkeit leicht nachzuweiſen, beſonders wenn die Knospen des Baumes vielſchuppig ſind, wie z. B. bei der Buche, wo die Baſis jedes neuen Triebes etwa 1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppenſpuren, geringelt iſt (Siehe S. 63 IV. 9. ****). Dennoch gehört zuweilen große Aufmerkſamkeit oder wenigſtens eine Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um ſich, wie ſchon vorher im voraus angedeutet wurde, vor einer Täuſchung zu bewahren. Fig. IV. 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an welchem zwei Kurztriebe ſitzen. An letzteren bemerken wir eine Menge äußerſt regelmäßige Blattſtielnarben und dichtſtehende Einſchnürungen und kleine Wülſte. Jeder dieſer Kurztriebe iſt ſieben Jahr alt, er trug an ſeiner Spitze jedes Jahr ſtets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/100
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/100>, abgerufen am 22.12.2024.