Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit
fallen haben. Er kan es nicht mit Gleichgültigkeit
ansehen, wenn Menschen sich untereinander krän-
ken und elend machen, wenn sie durch Mißbrauch
seiner Gaben die von ihm weißlich gemachten Anord-
nungen zerrütten, und so viel an ihnen ist, allen
seinen Einrichtungen widerstreben. Der Sünder
selbst ist, so lange er seine Laster fortsetzt, keiner
wahren Gemüthsruhe und dauerhaften Freude
fähig. Was würde es ihm denn nützen, wenn
ihm auch Gott, welches doch unmöglich ist, bey
seinen fortdauernden Unordnungen, Gnade ange-
deyhen ließe? Es kan daher nicht anders seyn,
der Sünder muß seiner Seits die Bedingniße er-
füllen, unter welchen ihm Gott Gnade zugesagt
hat, wenn er Begnadigung hoffen will. Diese
Bedingniße sind so billig, und ich mag wohl sagen,
so vernunftmäßig, daß man sich nicht genug wun-
dern kan, Menschen zu finden, denen sie zu hart
scheinen, und die sich nicht in diese Ordnung be-
quemen wollen.

Aufrichtige Bereuung des bisher begangenen
Unrechts, Vertrauen auf die Barmherzigkeit Got-
tes durch Christum, oder der Glaube, daß man
um Jesu Christi willen gewiß Vergebung der Sün-
den erlangen werde, das sind die vornehmsten Be-
dingungen, unter welchen Gott dem Sünder Gna-
de will angedeyhen laßen. Der verlohrne Sohn,
welcher uns im Gleichniße vorgestellt wird, dachte
bey der Zurückkehr zu seinem Vater, ganz anders,
als vorher, da er sich von demselben entfernte.
Vorher war er allen Ausschweifungen ergeben, und
führte einen so unordentlichen Lebenswandel, daß

er

Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit
fallen haben. Er kan es nicht mit Gleichgültigkeit
anſehen, wenn Menſchen ſich untereinander krän-
ken und elend machen, wenn ſie durch Mißbrauch
ſeiner Gaben die von ihm weißlich gemachten Anord-
nungen zerrütten, und ſo viel an ihnen iſt, allen
ſeinen Einrichtungen widerſtreben. Der Sünder
ſelbſt iſt, ſo lange er ſeine Laſter fortſetzt, keiner
wahren Gemüthsruhe und dauerhaften Freude
fähig. Was würde es ihm denn nützen, wenn
ihm auch Gott, welches doch unmöglich iſt, bey
ſeinen fortdauernden Unordnungen, Gnade ange-
deyhen ließe? Es kan daher nicht anders ſeyn,
der Sünder muß ſeiner Seits die Bedingniße er-
füllen, unter welchen ihm Gott Gnade zugeſagt
hat, wenn er Begnadigung hoffen will. Dieſe
Bedingniße ſind ſo billig, und ich mag wohl ſagen,
ſo vernunftmäßig, daß man ſich nicht genug wun-
dern kan, Menſchen zu finden, denen ſie zu hart
ſcheinen, und die ſich nicht in dieſe Ordnung be-
quemen wollen.

Aufrichtige Bereuung des bisher begangenen
Unrechts, Vertrauen auf die Barmherzigkeit Got-
tes durch Chriſtum, oder der Glaube, daß man
um Jeſu Chriſti willen gewiß Vergebung der Sün-
den erlangen werde, das ſind die vornehmſten Be-
dingungen, unter welchen Gott dem Sünder Gna-
de will angedeyhen laßen. Der verlohrne Sohn,
welcher uns im Gleichniße vorgeſtellt wird, dachte
bey der Zurückkehr zu ſeinem Vater, ganz anders,
als vorher, da er ſich von demſelben entfernte.
Vorher war er allen Ausſchweifungen ergeben, und
führte einen ſo unordentlichen Lebenswandel, daß

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="54"/><fw place="top" type="header">Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit</fw><lb/>
fallen haben. Er kan es nicht mit Gleichgültigkeit<lb/>
an&#x017F;ehen, wenn Men&#x017F;chen &#x017F;ich untereinander krän-<lb/>
ken und elend machen, wenn &#x017F;ie durch Mißbrauch<lb/>
&#x017F;einer Gaben die von ihm weißlich gemachten Anord-<lb/>
nungen zerrütten, und &#x017F;o viel an ihnen i&#x017F;t, allen<lb/>
&#x017F;einen Einrichtungen wider&#x017F;treben. Der Sünder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, &#x017F;o lange er &#x017F;eine La&#x017F;ter fort&#x017F;etzt, keiner<lb/>
wahren Gemüthsruhe und dauerhaften Freude<lb/>
fähig. Was würde es ihm denn nützen, wenn<lb/>
ihm auch Gott, welches doch unmöglich i&#x017F;t, bey<lb/>
&#x017F;einen fortdauernden Unordnungen, Gnade ange-<lb/>
deyhen ließe? Es kan daher nicht anders &#x017F;eyn,<lb/>
der Sünder muß &#x017F;einer Seits die Bedingniße er-<lb/>
füllen, unter welchen ihm Gott Gnade zuge&#x017F;agt<lb/>
hat, wenn er Begnadigung hoffen will. Die&#x017F;e<lb/>
Bedingniße &#x017F;ind &#x017F;o billig, und ich mag wohl &#x017F;agen,<lb/>
&#x017F;o vernunftmäßig, daß man &#x017F;ich nicht genug wun-<lb/>
dern kan, Men&#x017F;chen zu finden, denen &#x017F;ie zu hart<lb/>
&#x017F;cheinen, und die &#x017F;ich nicht in die&#x017F;e Ordnung be-<lb/>
quemen wollen.</p><lb/>
        <p>Aufrichtige Bereuung des bisher begangenen<lb/>
Unrechts, Vertrauen auf die Barmherzigkeit Got-<lb/>
tes durch Chri&#x017F;tum, oder der Glaube, daß man<lb/>
um Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti willen gewiß Vergebung der Sün-<lb/>
den erlangen werde, das &#x017F;ind die vornehm&#x017F;ten Be-<lb/>
dingungen, unter welchen Gott dem Sünder Gna-<lb/>
de will angedeyhen laßen. Der verlohrne Sohn,<lb/>
welcher uns im Gleichniße vorge&#x017F;tellt wird, dachte<lb/>
bey der Zurückkehr zu &#x017F;einem Vater, ganz anders,<lb/>
als vorher, da er &#x017F;ich von dem&#x017F;elben entfernte.<lb/>
Vorher war er allen Aus&#x017F;chweifungen ergeben, und<lb/>
führte einen &#x017F;o unordentlichen Lebenswandel, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0066] Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit fallen haben. Er kan es nicht mit Gleichgültigkeit anſehen, wenn Menſchen ſich untereinander krän- ken und elend machen, wenn ſie durch Mißbrauch ſeiner Gaben die von ihm weißlich gemachten Anord- nungen zerrütten, und ſo viel an ihnen iſt, allen ſeinen Einrichtungen widerſtreben. Der Sünder ſelbſt iſt, ſo lange er ſeine Laſter fortſetzt, keiner wahren Gemüthsruhe und dauerhaften Freude fähig. Was würde es ihm denn nützen, wenn ihm auch Gott, welches doch unmöglich iſt, bey ſeinen fortdauernden Unordnungen, Gnade ange- deyhen ließe? Es kan daher nicht anders ſeyn, der Sünder muß ſeiner Seits die Bedingniße er- füllen, unter welchen ihm Gott Gnade zugeſagt hat, wenn er Begnadigung hoffen will. Dieſe Bedingniße ſind ſo billig, und ich mag wohl ſagen, ſo vernunftmäßig, daß man ſich nicht genug wun- dern kan, Menſchen zu finden, denen ſie zu hart ſcheinen, und die ſich nicht in dieſe Ordnung be- quemen wollen. Aufrichtige Bereuung des bisher begangenen Unrechts, Vertrauen auf die Barmherzigkeit Got- tes durch Chriſtum, oder der Glaube, daß man um Jeſu Chriſti willen gewiß Vergebung der Sün- den erlangen werde, das ſind die vornehmſten Be- dingungen, unter welchen Gott dem Sünder Gna- de will angedeyhen laßen. Der verlohrne Sohn, welcher uns im Gleichniße vorgeſtellt wird, dachte bey der Zurückkehr zu ſeinem Vater, ganz anders, als vorher, da er ſich von demſelben entfernte. Vorher war er allen Ausſchweifungen ergeben, und führte einen ſo unordentlichen Lebenswandel, daß er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/66
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/66>, abgerufen am 18.07.2024.