Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierte Betr. Die Wege Gottes
che. Gott verhänget über sie allerhand widrige
Schicksale, und will sie durch Züchtigungen zur
Erkenntnis bringen; so klagen sie über die Härte ih-
res Schicksals, und getrauen sich wohl gar mit ih-
rem Schöpfer zu hadern, als ob er mit ihnen un-
gerecht verführe, ohne nur zu denken, daß er hie-
mit die heilsame Absicht haben könne, sie zu de-
müthigen, und auf ihr wahres Wohl aufmerksam
zu machen. Gott läßt es zu, daß sie schon vor
der ehrbaren Welt die Schande ihrer Laster tragen
müßen; so bringt sie auch das nicht zur Erkenntnis,
und es gebühret ihnen der Vorwurf, den Gott
ehemals seinem Volk durch seinen Propheten machen
lies: Du hast eine freche Hurenstirn, und
willt dich nicht mehr schämen.
Jerem. 3, 3.
Sie werden von treuen Lehrern gewarnet, von
Freunden erinnert; so werfen sie einen unversöhn-
lichen Haß auf dieienige, von welchen sie, obgleich
noch so liebreich und sanft bestraft werden. Sie
wollen bey allen ihren großen Sünden immer für
unschuldig gehalten seyn, und wißen ihre augen-
scheinlichsten Ungerechtigkeiten und Bosheiten zu
entschuldigen. Wie schwer wird die Verantwor-
tung solcher Gottlosen an ienem Tage des Gerichts
seyn? Sie selbst werden das Urtheil über sich
fällen müßen, daß Gott alles an ihnen gethan ha-
be, was man nur an einem Menschen thun kan,
und daß sie sich selbst recht muthwillig in Elend und
Jammer gestürzt haben.

Es ist daher unumgänglich nöthig, daß der
Sünder über die Wege Gottes nachdenke, und die
väterliche Absicht seiner Züchtigungen bedachtsam

erwäge.

Vierte Betr. Die Wege Gottes
che. Gott verhänget über ſie allerhand widrige
Schickſale, und will ſie durch Züchtigungen zur
Erkenntnis bringen; ſo klagen ſie über die Härte ih-
res Schickſals, und getrauen ſich wohl gar mit ih-
rem Schöpfer zu hadern, als ob er mit ihnen un-
gerecht verführe, ohne nur zu denken, daß er hie-
mit die heilſame Abſicht haben könne, ſie zu de-
müthigen, und auf ihr wahres Wohl aufmerkſam
zu machen. Gott läßt es zu, daß ſie ſchon vor
der ehrbaren Welt die Schande ihrer Laſter tragen
müßen; ſo bringt ſie auch das nicht zur Erkenntnis,
und es gebühret ihnen der Vorwurf, den Gott
ehemals ſeinem Volk durch ſeinen Propheten machen
lies: Du haſt eine freche Hurenſtirn, und
willt dich nicht mehr ſchämen.
Jerem. 3, 3.
Sie werden von treuen Lehrern gewarnet, von
Freunden erinnert; ſo werfen ſie einen unverſöhn-
lichen Haß auf dieienige, von welchen ſie, obgleich
noch ſo liebreich und ſanft beſtraft werden. Sie
wollen bey allen ihren großen Sünden immer für
unſchuldig gehalten ſeyn, und wißen ihre augen-
ſcheinlichſten Ungerechtigkeiten und Bosheiten zu
entſchuldigen. Wie ſchwer wird die Verantwor-
tung ſolcher Gottloſen an ienem Tage des Gerichts
ſeyn? Sie ſelbſt werden das Urtheil über ſich
fällen müßen, daß Gott alles an ihnen gethan ha-
be, was man nur an einem Menſchen thun kan,
und daß ſie ſich ſelbſt recht muthwillig in Elend und
Jammer geſtürzt haben.

Es iſt daher unumgänglich nöthig, daß der
Sünder über die Wege Gottes nachdenke, und die
väterliche Abſicht ſeiner Züchtigungen bedachtſam

erwäge.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="46"/><fw place="top" type="header">Vierte Betr. Die Wege Gottes</fw><lb/>
che. Gott verhänget über &#x017F;ie allerhand widrige<lb/>
Schick&#x017F;ale, und will &#x017F;ie durch Züchtigungen zur<lb/>
Erkenntnis bringen; &#x017F;o klagen &#x017F;ie über die Härte ih-<lb/>
res Schick&#x017F;als, und getrauen &#x017F;ich wohl gar mit ih-<lb/>
rem Schöpfer zu hadern, als ob er mit ihnen un-<lb/>
gerecht verführe, ohne nur zu denken, daß er hie-<lb/>
mit die heil&#x017F;ame Ab&#x017F;icht haben könne, &#x017F;ie zu de-<lb/>
müthigen, und auf ihr wahres Wohl aufmerk&#x017F;am<lb/>
zu machen. Gott läßt es zu, daß &#x017F;ie &#x017F;chon vor<lb/>
der ehrbaren Welt die Schande ihrer La&#x017F;ter tragen<lb/>
müßen; &#x017F;o bringt &#x017F;ie auch das nicht zur Erkenntnis,<lb/>
und es gebühret ihnen der Vorwurf, den Gott<lb/>
ehemals &#x017F;einem Volk durch &#x017F;einen Propheten machen<lb/>
lies: <hi rendition="#fr">Du ha&#x017F;t eine freche Huren&#x017F;tirn, und<lb/>
willt dich nicht mehr &#x017F;chämen.</hi> Jerem. 3, 3.<lb/>
Sie werden von treuen Lehrern gewarnet, von<lb/>
Freunden erinnert; &#x017F;o werfen &#x017F;ie einen unver&#x017F;öhn-<lb/>
lichen Haß auf dieienige, von welchen &#x017F;ie, obgleich<lb/>
noch &#x017F;o liebreich und &#x017F;anft be&#x017F;traft werden. Sie<lb/>
wollen bey allen ihren großen Sünden immer für<lb/>
un&#x017F;chuldig gehalten &#x017F;eyn, und wißen ihre augen-<lb/>
&#x017F;cheinlich&#x017F;ten Ungerechtigkeiten und Bosheiten zu<lb/>
ent&#x017F;chuldigen. Wie &#x017F;chwer wird die Verantwor-<lb/>
tung &#x017F;olcher Gottlo&#x017F;en an ienem Tage des Gerichts<lb/>
&#x017F;eyn? Sie &#x017F;elb&#x017F;t werden das Urtheil über &#x017F;ich<lb/>
fällen müßen, daß Gott alles an ihnen gethan ha-<lb/>
be, was man nur an einem Men&#x017F;chen thun kan,<lb/>
und daß &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t recht muthwillig in Elend und<lb/>
Jammer ge&#x017F;türzt haben.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t daher unumgänglich nöthig, daß der<lb/>
Sünder über die Wege Gottes nachdenke, und die<lb/>
väterliche Ab&#x017F;icht &#x017F;einer Züchtigungen bedacht&#x017F;am<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">erwäge.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0058] Vierte Betr. Die Wege Gottes che. Gott verhänget über ſie allerhand widrige Schickſale, und will ſie durch Züchtigungen zur Erkenntnis bringen; ſo klagen ſie über die Härte ih- res Schickſals, und getrauen ſich wohl gar mit ih- rem Schöpfer zu hadern, als ob er mit ihnen un- gerecht verführe, ohne nur zu denken, daß er hie- mit die heilſame Abſicht haben könne, ſie zu de- müthigen, und auf ihr wahres Wohl aufmerkſam zu machen. Gott läßt es zu, daß ſie ſchon vor der ehrbaren Welt die Schande ihrer Laſter tragen müßen; ſo bringt ſie auch das nicht zur Erkenntnis, und es gebühret ihnen der Vorwurf, den Gott ehemals ſeinem Volk durch ſeinen Propheten machen lies: Du haſt eine freche Hurenſtirn, und willt dich nicht mehr ſchämen. Jerem. 3, 3. Sie werden von treuen Lehrern gewarnet, von Freunden erinnert; ſo werfen ſie einen unverſöhn- lichen Haß auf dieienige, von welchen ſie, obgleich noch ſo liebreich und ſanft beſtraft werden. Sie wollen bey allen ihren großen Sünden immer für unſchuldig gehalten ſeyn, und wißen ihre augen- ſcheinlichſten Ungerechtigkeiten und Bosheiten zu entſchuldigen. Wie ſchwer wird die Verantwor- tung ſolcher Gottloſen an ienem Tage des Gerichts ſeyn? Sie ſelbſt werden das Urtheil über ſich fällen müßen, daß Gott alles an ihnen gethan ha- be, was man nur an einem Menſchen thun kan, und daß ſie ſich ſelbſt recht muthwillig in Elend und Jammer geſtürzt haben. Es iſt daher unumgänglich nöthig, daß der Sünder über die Wege Gottes nachdenke, und die väterliche Abſicht ſeiner Züchtigungen bedachtſam erwäge.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/58
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/58>, abgerufen am 18.07.2024.