Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

des Nächsten.
die in der Erniedrigung und Schande ihres Neben-
menschen ihre Freude suchen, und sich vielleicht ein-
bilden, man werde sie desto höher schätzen, ie mehr
ein anderer erniedriget wird. Das ist die Gesin-
nung der Teufel, die als abgesagte Feinde des
menschlichen Geschlechts sich über iedes Gute, das
unter Menschen geschieht, betrüben, und über iedes
Unglück sich freuen. Der Christ, der den Sinn
seines himmlischen Vaters und großen Erlösers hat,
ist von dieser äußerst niedrigen, und recht teuflischen
Gemüthsart weit entfernt. Nie freuet er sich über
die Fehler, Sünden und Bosheiten der Menschen;
sondern er betrübet sich vielmehr darüber, und es
gehet ihm zu Herzen, daß vernünftige Geschöpfe
Gottes, seine Brüder, Menschen, für welche Chri-
stus gestorben ist, sich in Laster und Unglück stür-
zen. Hingegen freuet er sich über ein iedes Gute,
welches andern Menschen zu Theil wird, über eine
iede tugendhafte edle Handlung, welche ihnen Ehre
und Vortheil bringt. Denn Gott hat alle Men-
schen zur Glückseeligkeit erschaffen; Jesus Christus
hat für alle sein Leben dahin gegeben, diese wohl-
thätige Absicht zu befördern; die Engel freuen sich
über einen Sünder der Buße thut; und der edel-
gesinnte Christ freuet sich mit, und sucht auch selbst
an seinem Theil Freude, Vergnügen und Glück-
seeligkeit zu verbreiten, so weit es nur in seinen
Kräften stehet. Wird ein Tugendhafter verleum-
det, so sucht er nach seinem Vermögen die Un-
schuld des gekränkten Nebenmenschen zu retten,
und freuet sich, wenn die Wahrheit an das Licht
kommt.

Endlich:

des Nächſten.
die in der Erniedrigung und Schande ihres Neben-
menſchen ihre Freude ſuchen, und ſich vielleicht ein-
bilden, man werde ſie deſto höher ſchätzen, ie mehr
ein anderer erniedriget wird. Das iſt die Geſin-
nung der Teufel, die als abgeſagte Feinde des
menſchlichen Geſchlechts ſich über iedes Gute, das
unter Menſchen geſchieht, betrüben, und über iedes
Unglück ſich freuen. Der Chriſt, der den Sinn
ſeines himmliſchen Vaters und großen Erlöſers hat,
iſt von dieſer äußerſt niedrigen, und recht teufliſchen
Gemüthsart weit entfernt. Nie freuet er ſich über
die Fehler, Sünden und Bosheiten der Menſchen;
ſondern er betrübet ſich vielmehr darüber, und es
gehet ihm zu Herzen, daß vernünftige Geſchöpfe
Gottes, ſeine Brüder, Menſchen, für welche Chri-
ſtus geſtorben iſt, ſich in Laſter und Unglück ſtür-
zen. Hingegen freuet er ſich über ein iedes Gute,
welches andern Menſchen zu Theil wird, über eine
iede tugendhafte edle Handlung, welche ihnen Ehre
und Vortheil bringt. Denn Gott hat alle Men-
ſchen zur Glückſeeligkeit erſchaffen; Jeſus Chriſtus
hat für alle ſein Leben dahin gegeben, dieſe wohl-
thätige Abſicht zu befördern; die Engel freuen ſich
über einen Sünder der Buße thut; und der edel-
geſinnte Chriſt freuet ſich mit, und ſucht auch ſelbſt
an ſeinem Theil Freude, Vergnügen und Glück-
ſeeligkeit zu verbreiten, ſo weit es nur in ſeinen
Kräften ſtehet. Wird ein Tugendhafter verleum-
det, ſo ſucht er nach ſeinem Vermögen die Un-
ſchuld des gekränkten Nebenmenſchen zu retten,
und freuet ſich, wenn die Wahrheit an das Licht
kommt.

Endlich:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="203"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des Näch&#x017F;ten.</hi></fw><lb/>
die in der Erniedrigung und Schande ihres Neben-<lb/>
men&#x017F;chen ihre Freude &#x017F;uchen, und &#x017F;ich vielleicht ein-<lb/>
bilden, man werde <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi> de&#x017F;to höher &#x017F;chätzen, ie mehr<lb/>
ein anderer erniedriget wird. Das i&#x017F;t die Ge&#x017F;in-<lb/>
nung der Teufel, die als abge&#x017F;agte Feinde des<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts &#x017F;ich über iedes Gute, das<lb/>
unter Men&#x017F;chen ge&#x017F;chieht, betrüben, und über iedes<lb/>
Unglück &#x017F;ich freuen. Der Chri&#x017F;t, der den Sinn<lb/>
&#x017F;eines himmli&#x017F;chen Vaters und großen Erlö&#x017F;ers hat,<lb/>
i&#x017F;t von die&#x017F;er äußer&#x017F;t niedrigen, und recht teufli&#x017F;chen<lb/>
Gemüthsart weit entfernt. Nie freuet er &#x017F;ich über<lb/>
die Fehler, Sünden und Bosheiten der Men&#x017F;chen;<lb/>
&#x017F;ondern er betrübet &#x017F;ich vielmehr darüber, und es<lb/>
gehet ihm zu Herzen, daß vernünftige Ge&#x017F;chöpfe<lb/>
Gottes, &#x017F;eine Brüder, Men&#x017F;chen, für welche Chri-<lb/>
&#x017F;tus ge&#x017F;torben i&#x017F;t, &#x017F;ich in La&#x017F;ter und Unglück &#x017F;tür-<lb/>
zen. Hingegen freuet er &#x017F;ich über ein iedes Gute,<lb/>
welches andern Men&#x017F;chen zu Theil wird, über eine<lb/>
iede tugendhafte edle Handlung, welche ihnen Ehre<lb/>
und Vortheil bringt. Denn Gott hat alle Men-<lb/>
&#x017F;chen zur Glück&#x017F;eeligkeit er&#x017F;chaffen; Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus<lb/>
hat für alle &#x017F;ein Leben dahin gegeben, die&#x017F;e wohl-<lb/>
thätige Ab&#x017F;icht zu befördern; die Engel freuen &#x017F;ich<lb/>
über einen Sünder der Buße thut; und der edel-<lb/>
ge&#x017F;innte Chri&#x017F;t freuet &#x017F;ich mit, und &#x017F;ucht auch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
an &#x017F;einem Theil Freude, Vergnügen und Glück-<lb/>
&#x017F;eeligkeit zu verbreiten, &#x017F;o weit es nur in &#x017F;einen<lb/>
Kräften &#x017F;tehet. Wird ein Tugendhafter verleum-<lb/>
det, &#x017F;o &#x017F;ucht er nach &#x017F;einem Vermögen die Un-<lb/>
&#x017F;chuld des gekränkten Nebenmen&#x017F;chen zu retten,<lb/>
und freuet &#x017F;ich, wenn die Wahrheit an das Licht<lb/>
kommt.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Endlich:</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0215] des Nächſten. die in der Erniedrigung und Schande ihres Neben- menſchen ihre Freude ſuchen, und ſich vielleicht ein- bilden, man werde ſie deſto höher ſchätzen, ie mehr ein anderer erniedriget wird. Das iſt die Geſin- nung der Teufel, die als abgeſagte Feinde des menſchlichen Geſchlechts ſich über iedes Gute, das unter Menſchen geſchieht, betrüben, und über iedes Unglück ſich freuen. Der Chriſt, der den Sinn ſeines himmliſchen Vaters und großen Erlöſers hat, iſt von dieſer äußerſt niedrigen, und recht teufliſchen Gemüthsart weit entfernt. Nie freuet er ſich über die Fehler, Sünden und Bosheiten der Menſchen; ſondern er betrübet ſich vielmehr darüber, und es gehet ihm zu Herzen, daß vernünftige Geſchöpfe Gottes, ſeine Brüder, Menſchen, für welche Chri- ſtus geſtorben iſt, ſich in Laſter und Unglück ſtür- zen. Hingegen freuet er ſich über ein iedes Gute, welches andern Menſchen zu Theil wird, über eine iede tugendhafte edle Handlung, welche ihnen Ehre und Vortheil bringt. Denn Gott hat alle Men- ſchen zur Glückſeeligkeit erſchaffen; Jeſus Chriſtus hat für alle ſein Leben dahin gegeben, dieſe wohl- thätige Abſicht zu befördern; die Engel freuen ſich über einen Sünder der Buße thut; und der edel- geſinnte Chriſt freuet ſich mit, und ſucht auch ſelbſt an ſeinem Theil Freude, Vergnügen und Glück- ſeeligkeit zu verbreiten, ſo weit es nur in ſeinen Kräften ſtehet. Wird ein Tugendhafter verleum- det, ſo ſucht er nach ſeinem Vermögen die Un- ſchuld des gekränkten Nebenmenſchen zu retten, und freuet ſich, wenn die Wahrheit an das Licht kommt. Endlich:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/215
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/215>, abgerufen am 18.07.2024.