Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen Gott.
schen das Herz haben zu sagen, sie liebten Gott,
da sie doch nicht die geringste Neigung blicken las-
sen, und noch viel weniger sich ernstlich bestreben,
seine guten und heilsamen Gebote zu beobachten?
Lieben wir Gott von Herzen, so werden wir nie in
eine Sünde willigen, oder mit Vorsatz irgend et-
was, das ihm mißfällt, begehen. Bey einer ie-
den Versuchung wird das unser erst[er] Gedanke
seyn: Wie soll' ich ein solch großes Uebel thun,
und wider meinen Gott sündigen?
wider mei-
nen Gott, der mir meine Vernunft, meine Kräfte
und Gesundheit zu einer ganz andern Absicht ver-
liehen hat? wider meinen Gott, der mich zu hö-
hern Freuden erschaffen, und durch Jesum Christum
mich zu einem so erhabenen Glück fähig gemacht hat?
So oft wir eine Gelegenheit sehen, eine nützliche
That zu verrichten, einen Dürftigen zu erquicken,
einem Elenden beyzustehen, einen Betrübten zu er-
freuen, so oft wird uns der Gedanke zur Beobach-
tung unserer Pflicht ermuntern; Gott hat mich so
unaussprechlich geliebt, hat mir so unzählich viel
Gutes im Leiblichen und Geistlichen erwiesen, über-
häuft mich täglich mit Wohlthaten, da ich nicht
der allergeringsten würdig bin; ich will daher mei-
nen hülfsbedürftigen Bruder auch erfreuen, und
mich glücklich schätzen, daß mir Gott das Vermö-
gen dazu geschenkt hat. Ich will barmherzig seyn,
wie mein Vater im Himmel barmherzig ist; mit
meinen irrenden und fehlenden Brüdern Gedult ha-
ben, wie Gott mit ihnen und mit mir schwachen
Menschen Gedult hat, meinen Beleidigern verzei-
hen, wie Christus mir verziehen hat; auch denen

Gutes
L 2

gegen Gott.
ſchen das Herz haben zu ſagen, ſie liebten Gott,
da ſie doch nicht die geringſte Neigung blicken laſ-
ſen, und noch viel weniger ſich ernſtlich beſtreben,
ſeine guten und heilſamen Gebote zu beobachten?
Lieben wir Gott von Herzen, ſo werden wir nie in
eine Sünde willigen, oder mit Vorſatz irgend et-
was, das ihm mißfällt, begehen. Bey einer ie-
den Verſuchung wird das unſer erſt[er] Gedanke
ſeyn: Wie ſoll’ ich ein ſolch großes Uebel thun,
und wider meinen Gott ſündigen?
wider mei-
nen Gott, der mir meine Vernunft, meine Kräfte
und Geſundheit zu einer ganz andern Abſicht ver-
liehen hat? wider meinen Gott, der mich zu hö-
hern Freuden erſchaffen, und durch Jeſum Chriſtum
mich zu einem ſo erhabenen Glück fähig gemacht hat?
So oft wir eine Gelegenheit ſehen, eine nützliche
That zu verrichten, einen Dürftigen zu erquicken,
einem Elenden beyzuſtehen, einen Betrübten zu er-
freuen, ſo oft wird uns der Gedanke zur Beobach-
tung unſerer Pflicht ermuntern; Gott hat mich ſo
unausſprechlich geliebt, hat mir ſo unzählich viel
Gutes im Leiblichen und Geiſtlichen erwieſen, über-
häuft mich täglich mit Wohlthaten, da ich nicht
der allergeringſten würdig bin; ich will daher mei-
nen hülfsbedürftigen Bruder auch erfreuen, und
mich glücklich ſchätzen, daß mir Gott das Vermö-
gen dazu geſchenkt hat. Ich will barmherzig ſeyn,
wie mein Vater im Himmel barmherzig iſt; mit
meinen irrenden und fehlenden Brüdern Gedult ha-
ben, wie Gott mit ihnen und mit mir ſchwachen
Menſchen Gedult hat, meinen Beleidigern verzei-
hen, wie Chriſtus mir verziehen hat; auch denen

Gutes
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="163"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gegen Gott.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chen das Herz haben zu &#x017F;agen, &#x017F;ie liebten Gott,<lb/>
da &#x017F;ie doch nicht die gering&#x017F;te Neigung blicken la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, und noch viel weniger &#x017F;ich ern&#x017F;tlich be&#x017F;treben,<lb/>
&#x017F;eine guten und heil&#x017F;amen Gebote zu beobachten?<lb/>
Lieben wir Gott von Herzen, &#x017F;o werden wir nie in<lb/>
eine Sünde willigen, oder mit Vor&#x017F;atz irgend et-<lb/>
was, das ihm mißfällt, begehen. Bey einer ie-<lb/>
den Ver&#x017F;uchung wird das un&#x017F;er er&#x017F;t<supplied>er</supplied> Gedanke<lb/>
&#x017F;eyn: <hi rendition="#fr">Wie &#x017F;oll&#x2019; ich ein &#x017F;olch großes Uebel thun,<lb/>
und wider meinen Gott &#x017F;ündigen?</hi> wider mei-<lb/>
nen Gott, der mir meine Vernunft, meine Kräfte<lb/>
und Ge&#x017F;undheit zu einer ganz andern Ab&#x017F;icht ver-<lb/>
liehen hat? wider meinen Gott, der mich zu hö-<lb/>
hern Freuden er&#x017F;chaffen, und durch Je&#x017F;um Chri&#x017F;tum<lb/>
mich zu einem &#x017F;o erhabenen Glück fähig gemacht hat?<lb/>
So oft wir eine Gelegenheit &#x017F;ehen, eine nützliche<lb/>
That zu verrichten, einen Dürftigen zu erquicken,<lb/>
einem Elenden beyzu&#x017F;tehen, einen Betrübten zu er-<lb/>
freuen, &#x017F;o oft wird uns der Gedanke zur Beobach-<lb/>
tung un&#x017F;erer Pflicht ermuntern; Gott hat mich &#x017F;o<lb/>
unaus&#x017F;prechlich geliebt, hat mir &#x017F;o unzählich viel<lb/>
Gutes im Leiblichen und Gei&#x017F;tlichen erwie&#x017F;en, über-<lb/>
häuft mich täglich mit Wohlthaten, da ich nicht<lb/>
der allergering&#x017F;ten würdig bin; ich will daher mei-<lb/>
nen hülfsbedürftigen Bruder auch erfreuen, und<lb/>
mich glücklich &#x017F;chätzen, daß mir Gott das Vermö-<lb/>
gen dazu ge&#x017F;chenkt hat. Ich will barmherzig &#x017F;eyn,<lb/>
wie mein Vater im Himmel barmherzig i&#x017F;t; mit<lb/>
meinen irrenden und fehlenden Brüdern Gedult ha-<lb/>
ben, wie Gott mit ihnen und mit mir &#x017F;chwachen<lb/>
Men&#x017F;chen Gedult hat, meinen Beleidigern verzei-<lb/>
hen, wie Chri&#x017F;tus mir verziehen hat; auch denen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Gutes</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0175] gegen Gott. ſchen das Herz haben zu ſagen, ſie liebten Gott, da ſie doch nicht die geringſte Neigung blicken laſ- ſen, und noch viel weniger ſich ernſtlich beſtreben, ſeine guten und heilſamen Gebote zu beobachten? Lieben wir Gott von Herzen, ſo werden wir nie in eine Sünde willigen, oder mit Vorſatz irgend et- was, das ihm mißfällt, begehen. Bey einer ie- den Verſuchung wird das unſer erſter Gedanke ſeyn: Wie ſoll’ ich ein ſolch großes Uebel thun, und wider meinen Gott ſündigen? wider mei- nen Gott, der mir meine Vernunft, meine Kräfte und Geſundheit zu einer ganz andern Abſicht ver- liehen hat? wider meinen Gott, der mich zu hö- hern Freuden erſchaffen, und durch Jeſum Chriſtum mich zu einem ſo erhabenen Glück fähig gemacht hat? So oft wir eine Gelegenheit ſehen, eine nützliche That zu verrichten, einen Dürftigen zu erquicken, einem Elenden beyzuſtehen, einen Betrübten zu er- freuen, ſo oft wird uns der Gedanke zur Beobach- tung unſerer Pflicht ermuntern; Gott hat mich ſo unausſprechlich geliebt, hat mir ſo unzählich viel Gutes im Leiblichen und Geiſtlichen erwieſen, über- häuft mich täglich mit Wohlthaten, da ich nicht der allergeringſten würdig bin; ich will daher mei- nen hülfsbedürftigen Bruder auch erfreuen, und mich glücklich ſchätzen, daß mir Gott das Vermö- gen dazu geſchenkt hat. Ich will barmherzig ſeyn, wie mein Vater im Himmel barmherzig iſt; mit meinen irrenden und fehlenden Brüdern Gedult ha- ben, wie Gott mit ihnen und mit mir ſchwachen Menſchen Gedult hat, meinen Beleidigern verzei- hen, wie Chriſtus mir verziehen hat; auch denen Gutes L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/175
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/175>, abgerufen am 18.07.2024.