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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Zehnte Betr. Vom seeligmachenden
immer am meisten sorgen, und es ist unbegreiflich,
daß so viele Menschen, die doch ein ewiges Leben
zu glauben vorgeben, dieses nicht ernstlicher beden-
ken. Denn das wißen wir doch alle, daß wir alle
zeitliche Güter und Reichthümer einmahl dahinten
laßen müßen, und daß wir keine Stunde sicher
sind, durch den Tod aus dem Besitz der so mühsam
erworbenen zeitlichen Vortheile hinausgeworfen zu
werden. Und wie unglücklich, wie unaussprechlich
elend würden wir dann seyn, wann uns für die
Zukunft weiter nichts übrig bliebe, als ein schröck-
liches Erwarten des Gerichts, und des Feuereifers,
der die Gottlosen verzehren wird?

Es ist daher höchstnöthig, daß wir oft die
Frage an uns ergehen laßen: Was muß ich thun,
daß ich seelig werde?
Es ist nöthig, daß wir
uns nicht nur diese Frage gründlich zu beantworten
wißen, sondern daß wir auch in der Sache Ernst
machen, und dasienige Geschäfte, welches unser
allerwichtigstes auf Erden seyn soll, mit dem mög-
lichsten Eifer angreifen, und in unsern ganzen Le-
ben fortsetzen. So machte es der Kerkermeister,
der diese Frage an Paulum und Silam ergehen
lies. Er wurde dazu durch einen Umstand veran-
laßet, der in dem 16ten Kap. der Apostelgeschichte
ausführlich erzählet wird. Paulus und Silas wa-
ren von etlichen eigennützigen Bürgern zu Philip-
pen, wo sie das Evangelium verkündiget hatten,
als Leute angeklagt werden, welche Neuerungen in
der Religion, und zwar gefährliche Neuerungen
einführen wollten. Der Magistrat der Stadt be-
fahl, sie in das Gefängnis zu bringen, und sie dem

Ker-

Zehnte Betr. Vom ſeeligmachenden
immer am meiſten ſorgen, und es iſt unbegreiflich,
daß ſo viele Menſchen, die doch ein ewiges Leben
zu glauben vorgeben, dieſes nicht ernſtlicher beden-
ken. Denn das wißen wir doch alle, daß wir alle
zeitliche Güter und Reichthümer einmahl dahinten
laßen müßen, und daß wir keine Stunde ſicher
ſind, durch den Tod aus dem Beſitz der ſo mühſam
erworbenen zeitlichen Vortheile hinausgeworfen zu
werden. Und wie unglücklich, wie unausſprechlich
elend würden wir dann ſeyn, wann uns für die
Zukunft weiter nichts übrig bliebe, als ein ſchröck-
liches Erwarten des Gerichts, und des Feuereifers,
der die Gottloſen verzehren wird?

Es iſt daher höchſtnöthig, daß wir oft die
Frage an uns ergehen laßen: Was muß ich thun,
daß ich ſeelig werde?
Es iſt nöthig, daß wir
uns nicht nur dieſe Frage gründlich zu beantworten
wißen, ſondern daß wir auch in der Sache Ernſt
machen, und dasienige Geſchäfte, welches unſer
allerwichtigſtes auf Erden ſeyn ſoll, mit dem mög-
lichſten Eifer angreifen, und in unſern ganzen Le-
ben fortſetzen. So machte es der Kerkermeiſter,
der dieſe Frage an Paulum und Silam ergehen
lies. Er wurde dazu durch einen Umſtand veran-
laßet, der in dem 16ten Kap. der Apoſtelgeſchichte
ausführlich erzählet wird. Paulus und Silas wa-
ren von etlichen eigennützigen Bürgern zu Philip-
pen, wo ſie das Evangelium verkündiget hatten,
als Leute angeklagt werden, welche Neuerungen in
der Religion, und zwar gefährliche Neuerungen
einführen wollten. Der Magiſtrat der Stadt be-
fahl, ſie in das Gefängnis zu bringen, und ſie dem

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[140/0152] Zehnte Betr. Vom ſeeligmachenden immer am meiſten ſorgen, und es iſt unbegreiflich, daß ſo viele Menſchen, die doch ein ewiges Leben zu glauben vorgeben, dieſes nicht ernſtlicher beden- ken. Denn das wißen wir doch alle, daß wir alle zeitliche Güter und Reichthümer einmahl dahinten laßen müßen, und daß wir keine Stunde ſicher ſind, durch den Tod aus dem Beſitz der ſo mühſam erworbenen zeitlichen Vortheile hinausgeworfen zu werden. Und wie unglücklich, wie unausſprechlich elend würden wir dann ſeyn, wann uns für die Zukunft weiter nichts übrig bliebe, als ein ſchröck- liches Erwarten des Gerichts, und des Feuereifers, der die Gottloſen verzehren wird? Es iſt daher höchſtnöthig, daß wir oft die Frage an uns ergehen laßen: Was muß ich thun, daß ich ſeelig werde? Es iſt nöthig, daß wir uns nicht nur dieſe Frage gründlich zu beantworten wißen, ſondern daß wir auch in der Sache Ernſt machen, und dasienige Geſchäfte, welches unſer allerwichtigſtes auf Erden ſeyn ſoll, mit dem mög- lichſten Eifer angreifen, und in unſern ganzen Le- ben fortſetzen. So machte es der Kerkermeiſter, der dieſe Frage an Paulum und Silam ergehen lies. Er wurde dazu durch einen Umſtand veran- laßet, der in dem 16ten Kap. der Apoſtelgeſchichte ausführlich erzählet wird. Paulus und Silas wa- ren von etlichen eigennützigen Bürgern zu Philip- pen, wo ſie das Evangelium verkündiget hatten, als Leute angeklagt werden, welche Neuerungen in der Religion, und zwar gefährliche Neuerungen einführen wollten. Der Magiſtrat der Stadt be- fahl, ſie in das Gefängnis zu bringen, und ſie dem Ker-

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/152>, abgerufen am 18.07.2024.