Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Neunte Betr. Jesus Christus der gröste
ligkeit des Himmels, und der Gewißheit künftiger
Belohnungen von den Mitteln des Heyls, was
konnten sie davon, und von so vielen andern, blos
und allein durch Jesum Christum bekannt gemach-
ten Wahrheiten sagen? Zweifelten sie doch noch
an der Gewißheit mancher Wahrheiten, die der
Vernunft so deutlich einzuleuchten scheinen. So
wusten sie nicht ganz zuverläßig, daß Ein Gott
Himmels und der Erden die ganze Welt hervorge-
bracht habe, und seine Eigenschaften waren ihnen
mehrentheils unbekannt. Wenn sie auch in man-
chen Stücken einen Strahl des Lichtes erblicken, so
konnten sie doch dem Aberglauben, und die erschreck-
liche Finsternis ihrer Zeitgenoßen nicht zerstreuen.
Die herrschende Religion blieb immer die Abgötte-
rey, da man die Herrlichkeit des unsichtbaren
Gottes verwandelte in ein Bild, gleich den
sterblichen Menschen, und der Vögel, und der
vierfüßigen und kriechenden Thiere,
wie sich
Paulus hierüber ausdrückt Röm. 1, 23. Diese
Thorheiten musten die klugen Männer unter den
Heyden nicht nur dulten, sondern auch äußerlich
selber mitmachen, wann sie anders ihres Lebens
sicher seyn wollten. Ob aber nach diesem Leben
ein anderes zu erwarten sey, ob das, was man
von künftigen Belohnungen und Strafen sagte,
Grund habe oder nicht, darüber befanden sie sich
mehrentheils in der grösten Ungewißheit. Die
Guten unter ihnen wünschten zwar eine glückliche
Unsterblichkeit -- aber sie gewiß zu erwarten, ge-
traueten sie sich nicht. O ihr redlichen Forscher
der Wahrheit, wenn ihr die Zeiten erlebt hättet,

da

Neunte Betr. Jeſus Chriſtus der gröſte
ligkeit des Himmels, und der Gewißheit künftiger
Belohnungen von den Mitteln des Heyls, was
konnten ſie davon, und von ſo vielen andern, blos
und allein durch Jeſum Chriſtum bekannt gemach-
ten Wahrheiten ſagen? Zweifelten ſie doch noch
an der Gewißheit mancher Wahrheiten, die der
Vernunft ſo deutlich einzuleuchten ſcheinen. So
wuſten ſie nicht ganz zuverläßig, daß Ein Gott
Himmels und der Erden die ganze Welt hervorge-
bracht habe, und ſeine Eigenſchaften waren ihnen
mehrentheils unbekannt. Wenn ſie auch in man-
chen Stücken einen Strahl des Lichtes erblicken, ſo
konnten ſie doch dem Aberglauben, und die erſchreck-
liche Finſternis ihrer Zeitgenoßen nicht zerſtreuen.
Die herrſchende Religion blieb immer die Abgötte-
rey, da man die Herrlichkeit des unſichtbaren
Gottes verwandelte in ein Bild, gleich den
ſterblichen Menſchen, und der Vögel, und der
vierfüßigen und kriechenden Thiere,
wie ſich
Paulus hierüber ausdrückt Röm. 1, 23. Dieſe
Thorheiten muſten die klugen Männer unter den
Heyden nicht nur dulten, ſondern auch äußerlich
ſelber mitmachen, wann ſie anders ihres Lebens
ſicher ſeyn wollten. Ob aber nach dieſem Leben
ein anderes zu erwarten ſey, ob das, was man
von künftigen Belohnungen und Strafen ſagte,
Grund habe oder nicht, darüber befanden ſie ſich
mehrentheils in der gröſten Ungewißheit. Die
Guten unter ihnen wünſchten zwar eine glückliche
Unſterblichkeit — aber ſie gewiß zu erwarten, ge-
traueten ſie ſich nicht. O ihr redlichen Forſcher
der Wahrheit, wenn ihr die Zeiten erlebt hättet,

da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="126"/><fw place="top" type="header">Neunte Betr. Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus der grö&#x017F;te</fw><lb/>
ligkeit des Himmels, und der Gewißheit künftiger<lb/>
Belohnungen von den Mitteln des Heyls, was<lb/>
konnten &#x017F;ie davon, und von &#x017F;o vielen andern, blos<lb/>
und allein durch Je&#x017F;um Chri&#x017F;tum bekannt gemach-<lb/>
ten Wahrheiten &#x017F;agen? Zweifelten &#x017F;ie doch noch<lb/>
an der Gewißheit mancher Wahrheiten, die der<lb/>
Vernunft &#x017F;o deutlich einzuleuchten &#x017F;cheinen. So<lb/>
wu&#x017F;ten &#x017F;ie nicht ganz zuverläßig, daß Ein Gott<lb/>
Himmels und der Erden die ganze Welt hervorge-<lb/>
bracht habe, und &#x017F;eine Eigen&#x017F;chaften waren ihnen<lb/>
mehrentheils unbekannt. Wenn &#x017F;ie auch in man-<lb/>
chen Stücken einen Strahl des Lichtes erblicken, &#x017F;o<lb/>
konnten &#x017F;ie doch dem Aberglauben, und die er&#x017F;chreck-<lb/>
liche Fin&#x017F;ternis ihrer Zeitgenoßen nicht zer&#x017F;treuen.<lb/>
Die herr&#x017F;chende Religion blieb immer die Abgötte-<lb/>
rey, da man <hi rendition="#fr">die Herrlichkeit des un&#x017F;ichtbaren<lb/>
Gottes verwandelte in ein Bild, gleich den<lb/>
&#x017F;terblichen Men&#x017F;chen, und der Vögel, und der<lb/>
vierfüßigen und kriechenden Thiere,</hi> wie &#x017F;ich<lb/>
Paulus hierüber ausdrückt Röm. 1, 23. Die&#x017F;e<lb/>
Thorheiten mu&#x017F;ten die klugen Männer unter den<lb/>
Heyden nicht nur dulten, &#x017F;ondern auch äußerlich<lb/>
&#x017F;elber mitmachen, wann &#x017F;ie anders ihres Lebens<lb/>
&#x017F;icher &#x017F;eyn wollten. Ob aber nach die&#x017F;em Leben<lb/>
ein anderes zu erwarten &#x017F;ey, ob das, was man<lb/>
von künftigen Belohnungen und Strafen &#x017F;agte,<lb/>
Grund habe oder nicht, darüber befanden &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
mehrentheils in der grö&#x017F;ten Ungewißheit. Die<lb/>
Guten unter ihnen <hi rendition="#fr">wün&#x017F;chten</hi> zwar eine glückliche<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit &#x2014; aber &#x017F;ie gewiß zu erwarten, ge-<lb/>
traueten &#x017F;ie &#x017F;ich nicht. O ihr redlichen For&#x017F;cher<lb/>
der Wahrheit, wenn ihr die Zeiten erlebt hättet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0138] Neunte Betr. Jeſus Chriſtus der gröſte ligkeit des Himmels, und der Gewißheit künftiger Belohnungen von den Mitteln des Heyls, was konnten ſie davon, und von ſo vielen andern, blos und allein durch Jeſum Chriſtum bekannt gemach- ten Wahrheiten ſagen? Zweifelten ſie doch noch an der Gewißheit mancher Wahrheiten, die der Vernunft ſo deutlich einzuleuchten ſcheinen. So wuſten ſie nicht ganz zuverläßig, daß Ein Gott Himmels und der Erden die ganze Welt hervorge- bracht habe, und ſeine Eigenſchaften waren ihnen mehrentheils unbekannt. Wenn ſie auch in man- chen Stücken einen Strahl des Lichtes erblicken, ſo konnten ſie doch dem Aberglauben, und die erſchreck- liche Finſternis ihrer Zeitgenoßen nicht zerſtreuen. Die herrſchende Religion blieb immer die Abgötte- rey, da man die Herrlichkeit des unſichtbaren Gottes verwandelte in ein Bild, gleich den ſterblichen Menſchen, und der Vögel, und der vierfüßigen und kriechenden Thiere, wie ſich Paulus hierüber ausdrückt Röm. 1, 23. Dieſe Thorheiten muſten die klugen Männer unter den Heyden nicht nur dulten, ſondern auch äußerlich ſelber mitmachen, wann ſie anders ihres Lebens ſicher ſeyn wollten. Ob aber nach dieſem Leben ein anderes zu erwarten ſey, ob das, was man von künftigen Belohnungen und Strafen ſagte, Grund habe oder nicht, darüber befanden ſie ſich mehrentheils in der gröſten Ungewißheit. Die Guten unter ihnen wünſchten zwar eine glückliche Unſterblichkeit — aber ſie gewiß zu erwarten, ge- traueten ſie ſich nicht. O ihr redlichen Forſcher der Wahrheit, wenn ihr die Zeiten erlebt hättet, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/138
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/138>, abgerufen am 22.11.2024.