Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Lehrer des menschlichen Geschlechts.
demselben die Erkenntnis der Wahrheit erhalten,
und durch daßelbe stufenweise auch unter andere
Völker verbreitet werden sollte. Wir haben zwar
noch einige Schriften der grösten Propheten,
Schriften die allenthalben gelesen werden, wo nur
Bekenner des christlichen Nahmens anzutreffen sind.
Aber würden wir sie so genau kennen, wenn sie
nicht von Jesu Christo zum allgemeinen Gebrauch
gleichsam authorisirt worden wären? Stellt euch
vor, es wäre kein Christenthum in der Welt, so
wurden diese Schriften vielleicht unter dem Jüdi-
schen Volke noch aufbehalten und gelesen werden,
aber andere Nationen würden dieselben kaum ihrer
Aufmerksamkeit würdigen. Durch Jesum Chri-
stum sind auch iene ältere, schwächere Offenbarun-
gen Gottes der Dunkelheit entrißen, und zum all-
gemeinen Gebrauch bestimmt worden, aber mehr
in der Absicht, daß dadurch manche Wahrheiten
des Christenthums in ihrer überzeugenden Gewiß-
heit dargestellt, und bestättiget werden, als daß
sie zu unserm unmittelbaren Unterrichte dienen sol-
len. Die Ehre das Licht der Welt, der allgemei-
ne Lehrer aller Nationen unter dem Himmel zu seyn,
war nur dem Sohne Gottes allein aufbehalten.
Daß es noch so viele Völker auf Erden giebt, die
ihn, den Heyland der Welt noch nicht kennen, das
darf uns gar nicht befremden. Es kan sich das
Licht nicht anders als nach und nach, stufenweise
immer weiter verbreiten. Es war nicht anders zu
vermuthen, wenn man die Unart und Bosheit der
Menschen erwäget, als daß viele ihre Augen vor
dem Lichte vorsätzlich verschließen würden. Aber

man

Lehrer des menſchlichen Geſchlechts.
demſelben die Erkenntnis der Wahrheit erhalten,
und durch daßelbe ſtufenweiſe auch unter andere
Völker verbreitet werden ſollte. Wir haben zwar
noch einige Schriften der gröſten Propheten,
Schriften die allenthalben geleſen werden, wo nur
Bekenner des chriſtlichen Nahmens anzutreffen ſind.
Aber würden wir ſie ſo genau kennen, wenn ſie
nicht von Jeſu Chriſto zum allgemeinen Gebrauch
gleichſam authoriſirt worden wären? Stellt euch
vor, es wäre kein Chriſtenthum in der Welt, ſo
wurden dieſe Schriften vielleicht unter dem Jüdi-
ſchen Volke noch aufbehalten und geleſen werden,
aber andere Nationen würden dieſelben kaum ihrer
Aufmerkſamkeit würdigen. Durch Jeſum Chri-
ſtum ſind auch iene ältere, ſchwächere Offenbarun-
gen Gottes der Dunkelheit entrißen, und zum all-
gemeinen Gebrauch beſtimmt worden, aber mehr
in der Abſicht, daß dadurch manche Wahrheiten
des Chriſtenthums in ihrer überzeugenden Gewiß-
heit dargeſtellt, und beſtättiget werden, als daß
ſie zu unſerm unmittelbaren Unterrichte dienen ſol-
len. Die Ehre das Licht der Welt, der allgemei-
ne Lehrer aller Nationen unter dem Himmel zu ſeyn,
war nur dem Sohne Gottes allein aufbehalten.
Daß es noch ſo viele Völker auf Erden giebt, die
ihn, den Heyland der Welt noch nicht kennen, das
darf uns gar nicht befremden. Es kan ſich das
Licht nicht anders als nach und nach, ſtufenweiſe
immer weiter verbreiten. Es war nicht anders zu
vermuthen, wenn man die Unart und Bosheit der
Menſchen erwäget, als daß viele ihre Augen vor
dem Lichte vorſätzlich verſchließen würden. Aber

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="123"/><fw place="top" type="header">Lehrer des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts.</fw><lb/>
dem&#x017F;elben die Erkenntnis der Wahrheit erhalten,<lb/>
und durch daßelbe &#x017F;tufenwei&#x017F;e auch unter andere<lb/>
Völker verbreitet werden &#x017F;ollte. Wir haben zwar<lb/>
noch einige Schriften der grö&#x017F;ten Propheten,<lb/>
Schriften die allenthalben gele&#x017F;en werden, wo nur<lb/>
Bekenner des chri&#x017F;tlichen Nahmens anzutreffen &#x017F;ind.<lb/>
Aber würden wir &#x017F;ie &#x017F;o genau kennen, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht von Je&#x017F;u Chri&#x017F;to zum allgemeinen Gebrauch<lb/>
gleich&#x017F;am authori&#x017F;irt worden wären? Stellt euch<lb/>
vor, es wäre kein Chri&#x017F;tenthum in der Welt, &#x017F;o<lb/>
wurden die&#x017F;e Schriften vielleicht unter dem Jüdi-<lb/>
&#x017F;chen Volke noch aufbehalten und gele&#x017F;en werden,<lb/>
aber andere Nationen würden die&#x017F;elben kaum ihrer<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit würdigen. Durch Je&#x017F;um Chri-<lb/>
&#x017F;tum &#x017F;ind auch iene ältere, &#x017F;chwächere Offenbarun-<lb/>
gen Gottes der Dunkelheit entrißen, und zum all-<lb/>
gemeinen Gebrauch be&#x017F;timmt worden, aber mehr<lb/>
in der Ab&#x017F;icht, daß dadurch manche Wahrheiten<lb/>
des Chri&#x017F;tenthums in ihrer überzeugenden Gewiß-<lb/>
heit darge&#x017F;tellt, und be&#x017F;tättiget werden, als daß<lb/>
&#x017F;ie zu un&#x017F;erm unmittelbaren Unterrichte dienen &#x017F;ol-<lb/>
len. Die Ehre das Licht der Welt, der allgemei-<lb/>
ne Lehrer aller Nationen unter dem Himmel zu &#x017F;eyn,<lb/>
war nur dem Sohne Gottes allein aufbehalten.<lb/>
Daß es noch &#x017F;o viele Völker auf Erden giebt, die<lb/>
ihn, den Heyland der Welt noch nicht kennen, das<lb/>
darf uns gar nicht befremden. Es kan &#x017F;ich das<lb/>
Licht nicht anders als nach und nach, &#x017F;tufenwei&#x017F;e<lb/>
immer weiter verbreiten. Es war nicht anders zu<lb/>
vermuthen, wenn man die Unart und Bosheit der<lb/>
Men&#x017F;chen erwäget, als daß viele ihre Augen vor<lb/>
dem Lichte vor&#x017F;ätzlich ver&#x017F;chließen würden. Aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0135] Lehrer des menſchlichen Geſchlechts. demſelben die Erkenntnis der Wahrheit erhalten, und durch daßelbe ſtufenweiſe auch unter andere Völker verbreitet werden ſollte. Wir haben zwar noch einige Schriften der gröſten Propheten, Schriften die allenthalben geleſen werden, wo nur Bekenner des chriſtlichen Nahmens anzutreffen ſind. Aber würden wir ſie ſo genau kennen, wenn ſie nicht von Jeſu Chriſto zum allgemeinen Gebrauch gleichſam authoriſirt worden wären? Stellt euch vor, es wäre kein Chriſtenthum in der Welt, ſo wurden dieſe Schriften vielleicht unter dem Jüdi- ſchen Volke noch aufbehalten und geleſen werden, aber andere Nationen würden dieſelben kaum ihrer Aufmerkſamkeit würdigen. Durch Jeſum Chri- ſtum ſind auch iene ältere, ſchwächere Offenbarun- gen Gottes der Dunkelheit entrißen, und zum all- gemeinen Gebrauch beſtimmt worden, aber mehr in der Abſicht, daß dadurch manche Wahrheiten des Chriſtenthums in ihrer überzeugenden Gewiß- heit dargeſtellt, und beſtättiget werden, als daß ſie zu unſerm unmittelbaren Unterrichte dienen ſol- len. Die Ehre das Licht der Welt, der allgemei- ne Lehrer aller Nationen unter dem Himmel zu ſeyn, war nur dem Sohne Gottes allein aufbehalten. Daß es noch ſo viele Völker auf Erden giebt, die ihn, den Heyland der Welt noch nicht kennen, das darf uns gar nicht befremden. Es kan ſich das Licht nicht anders als nach und nach, ſtufenweiſe immer weiter verbreiten. Es war nicht anders zu vermuthen, wenn man die Unart und Bosheit der Menſchen erwäget, als daß viele ihre Augen vor dem Lichte vorſätzlich verſchließen würden. Aber man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/135
Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/135>, abgerufen am 18.07.2024.