hat das wunderliche Bild dem Abbe Antoine de Sever, predicateur ordinaire du Roy, gewidmet, mit dem Motto: Si consistant adversus me castra, non timebit cor meum. -- Wegen des Namens der dia¬ blerie will ich noch bemerken, daß im Mittelalter diejenigen Mysterien grande diablerie hießen, in denen wenigstens vier Teufel spielten.
(88) S. 380. Abgebildet in Scheible's Doctor Faustus, Stutt¬ gart, 1844, S. 23. (Auch als Thl. II. der Sammelschrift: das Closter). -- Ueber den Jägertypus s. auch F.Kugler in der Geschichte der Malerei, II., 79., der von Hans Holbein solche Figuren mit einem "Italienischen" Gesicht anführt.
(89) Mit den Begriffen Parodie und Travestie ergeht es den Aesthetikern ähnlich, wie den Logikern mit den Begriffen der Induction und der Analogie. Der eine nennt Parodie, was der andere Travestie, und umgekehrt. Bei der Travestie wird die Grundbestimmung bleiben, daß sie auch Parodie ist, aber nicht blos im Allgemeinen, sondern daß sie, wie der Name andeutet, denselben Inhalt in eine andere Form verkleidet, eben damit aber auch den Inhalt anders qualificirt. Eine Parodie kann auch ernst sein, eine Travestie ist immer lächerlich.
(90) Vischer a. a. O. hat Gavarni mit Töpffer vergli¬ chen und den Humor des letztern vortrefflich dargestellt. Töpffers Zeichnungen sind nur flüchtige Federzeichnungen; oft scheinen es nur Tüp¬ felchen und Strichelchen zu sein, aber man muß die Geschichten hinzu¬ nehmen, diese köstlichen Geschichten von Mr. Jabot, Jolibois, Mr. Pencil u. A. Töpffers Manier ist durch ihre Anwendung in den Münchener Fliegenden Blättern von Schneider und Braun bei uns nunmehr fast populär geworden. Wir erlauben uns, zu ihrer Charakteristik aus Vischers Schilderung nur einige Worte herauszuheben. Vischer hebt an ihm als Hauptmoment das Epische seines Verfahrens hervor, wel¬ ches ihn auch einladet, den Episoden nachzugehen: "Sind die Astro¬ nomen im Dr. Festus aus dem Wasser gerettet, so müssen wir auch noch erfahren, was aus ihren Perücken geworden, und das gibt noch eine lange höchst interessante Geschichte. Mad. Crepin legt ein Pech¬ pflaster auf und verliert es; dann wandert es weiter durch verschiedene Hände, bis es seinen Kreislauf auf der Haut des frühern Erziehers ihrer Kinder, nunmehrigen Zolljägers Bonichon beschließt. So erschöpft er aber auch die Hauptmotive mit epischer Ausführlichkeit. Wie er sie aufgehaspelt, haspelt er sie auch bis auf den letzten Faden ab. Endlich ist die ganze Methode Töpffers durchaus im engsten Sinn als successiv zu bezeichnen, man hat völlig den Eindruck des Fortmachens, Fortge¬ hens, der gedehnten Folge, wie bei einer Erzählung, welche aber eben
hat das wunderliche Bild dem Abbé Antoine de Sever, prédicateur ordinaire du Roy, gewidmet, mit dem Motto: Si consistant adversus me castra, non timebit cor meum. — Wegen des Namens der dia¬ blerie will ich noch bemerken, daß im Mittelalter diejenigen Myſterien grande diablerie hießen, in denen wenigſtens vier Teufel ſpielten.
(88) S. 380. Abgebildet in Scheible's Doctor Faustus, Stutt¬ gart, 1844, S. 23. (Auch als Thl. II. der Sammelſchrift: das Cloſter). — Ueber den Jägertypus ſ. auch F.Kugler in der Geschichte der Malerei, II., 79., der von Hans Holbein ſolche Figuren mit einem „Italieniſchen“ Geſicht anführt.
(89) Mit den Begriffen Parodie und Traveſtie ergeht es den Aeſthetikern ähnlich, wie den Logikern mit den Begriffen der Induction und der Analogie. Der eine nennt Parodie, was der andere Traveſtie, und umgekehrt. Bei der Traveſtie wird die Grundbeſtimmung bleiben, daß ſie auch Parodie iſt, aber nicht blos im Allgemeinen, ſondern daß ſie, wie der Name andeutet, denſelben Inhalt in eine andere Form verkleidet, eben damit aber auch den Inhalt anders qualificirt. Eine Parodie kann auch ernſt ſein, eine Traveſtie iſt immer lächerlich.
(90) Viſcher a. a. O. hat Gavarni mit Töpffer vergli¬ chen und den Humor des letztern vortrefflich dargeſtellt. Töpffers Zeichnungen ſind nur flüchtige Federzeichnungen; oft ſcheinen es nur Tüp¬ felchen und Strichelchen zu ſein, aber man muß die Geſchichten hinzu¬ nehmen, dieſe köſtlichen Geſchichten von Mr. Jabot, Jolibois, Mr. Pencil u. A. Töpffers Manier iſt durch ihre Anwendung in den Münchener Fliegenden Blättern von Schneider und Braun bei uns nunmehr faſt populär geworden. Wir erlauben uns, zu ihrer Charakteriſtik aus Viſchers Schilderung nur einige Worte herauszuheben. Viſcher hebt an ihm als Hauptmoment das Epiſche ſeines Verfahrens hervor, wel¬ ches ihn auch einladet, den Epiſoden nachzugehen: „Sind die Aſtro¬ nomen im Dr. Feſtus aus dem Waſſer gerettet, ſo müſſen wir auch noch erfahren, was aus ihren Perücken geworden, und das gibt noch eine lange höchſt intereſſante Geſchichte. Mad. Crépin legt ein Pech¬ pflaſter auf und verliert es; dann wandert es weiter durch verſchiedene Hände, bis es ſeinen Kreislauf auf der Haut des frühern Erziehers ihrer Kinder, nunmehrigen Zolljägers Bonichon beſchließt. So erſchöpft er aber auch die Hauptmotive mit epiſcher Ausführlichkeit. Wie er ſie aufgehaspelt, haspelt er ſie auch bis auf den letzten Faden ab. Endlich iſt die ganze Methode Töpffers durchaus im engſten Sinn als ſucceſſiv zu bezeichnen, man hat völlig den Eindruck des Fortmachens, Fortge¬ hens, der gedehnten Folge, wie bei einer Erzählung, welche aber eben
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hat das wunderliche Bild dem Abbé Antoine de Sever, prédicateur
ordinaire du Roy, gewidmet, mit dem Motto: Si consistant adversus
me castra, non timebit cor meum. — Wegen des Namens der dia¬
blerie will ich noch bemerken, daß im Mittelalter diejenigen Myſterien
grande diablerie hießen, in denen wenigſtens vier Teufel ſpielten.
(88) S. 380. Abgebildet in Scheible's Doctor Faustus, Stutt¬
gart, 1844, S. 23. (Auch als Thl. II. der Sammelſchrift: das Cloſter).
— Ueber den Jägertypus ſ. auch F. Kugler in der Geschichte der
Malerei, II., 79., der von Hans Holbein ſolche Figuren mit einem
„Italieniſchen“ Geſicht anführt.
(89) Mit den Begriffen Parodie und Traveſtie ergeht es den
Aeſthetikern ähnlich, wie den Logikern mit den Begriffen der Induction
und der Analogie. Der eine nennt Parodie, was der andere Traveſtie,
und umgekehrt. Bei der Traveſtie wird die Grundbeſtimmung bleiben,
daß ſie auch Parodie iſt, aber nicht blos im Allgemeinen, ſondern daß
ſie, wie der Name andeutet, denſelben Inhalt in eine andere Form
verkleidet, eben damit aber auch den Inhalt anders qualificirt. Eine
Parodie kann auch ernſt ſein, eine Traveſtie iſt immer lächerlich.
(90) Viſcher a. a. O. hat Gavarni mit Töpffer vergli¬
chen und den Humor des letztern vortrefflich dargeſtellt. Töpffers
Zeichnungen ſind nur flüchtige Federzeichnungen; oft ſcheinen es nur Tüp¬
felchen und Strichelchen zu ſein, aber man muß die Geſchichten hinzu¬
nehmen, dieſe köſtlichen Geſchichten von Mr. Jabot, Jolibois, Mr. Pencil
u. A. Töpffers Manier iſt durch ihre Anwendung in den Münchener
Fliegenden Blättern von Schneider und Braun bei uns nunmehr faſt
populär geworden. Wir erlauben uns, zu ihrer Charakteriſtik aus
Viſchers Schilderung nur einige Worte herauszuheben. Viſcher hebt
an ihm als Hauptmoment das Epiſche ſeines Verfahrens hervor, wel¬
ches ihn auch einladet, den Epiſoden nachzugehen: „Sind die Aſtro¬
nomen im Dr. Feſtus aus dem Waſſer gerettet, ſo müſſen wir auch
noch erfahren, was aus ihren Perücken geworden, und das gibt noch
eine lange höchſt intereſſante Geſchichte. Mad. Crépin legt ein Pech¬
pflaſter auf und verliert es; dann wandert es weiter durch verſchiedene
Hände, bis es ſeinen Kreislauf auf der Haut des frühern Erziehers
ihrer Kinder, nunmehrigen Zolljägers Bonichon beſchließt. So erſchöpft
er aber auch die Hauptmotive mit epiſcher Ausführlichkeit. Wie er ſie
aufgehaspelt, haspelt er ſie auch bis auf den letzten Faden ab. Endlich
iſt die ganze Methode Töpffers durchaus im engſten Sinn als ſucceſſiv
zu bezeichnen, man hat völlig den Eindruck des Fortmachens, Fortge¬
hens, der gedehnten Folge, wie bei einer Erzählung, welche aber eben
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/483>, abgerufen am 24.11.2024.
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