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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Im Mittelalter gestattete die Figur des Teufels, dessen
Macht der christliche Glaube überwunden wußte, eine Licenz
der Kritik, die sonst verpönt war. Späterhin mußte auch
diese Komik eben so wohl in concrete menschliche Individuali¬
täten gelegt werden, als auch die finstere Seite des Bösen
in wirkliche Menschen gelegt ward. Daher ist der Teufel
allmälig für die Kunst überflüssig geworden. Er ist, auch
in der Komik, zu einer allegorischen Person zusammenge¬
schrumpft, die nur noch in barocken und burlesken Com¬
positionen eine gewisse Poesie erlaubt, wie z. B. Grabbe
in einem Lustspiel die Großmutter des Teufels auf den Ein¬
fall gerathen läßt, die Hölle schroppen zu lassen. Der Herr
Sohn wird so lang auf die Oberwelt geschickt. Da es hier
aber gerade kalt ist, so erstarrt der von der Höllenwärme
verwöhnte Teufel und bleibt in diesem Zustande am Wege
liegen. Ein höchst aufgeklärter Dorfschulmeister, der sich
vom Glauben an den Teufel längst emancipirt hat, findet
ihn, hält ihn für ein Curiosum naturae und nimmt ihn nach
Hause, sehr erfreut über solche Rarität. Hier thauet nun
aber der Teufel auf, was denn zu sehr lächerlichen Situationen
Anlaß gibt. Die Pariser haben auch das teuflische Element
zu ganz allerliebsten Zeichnungen mit Anmuth zu gestalten
gewußt, zu den sogenannten diableries, phantastischen
Schattenbildern in der Art der Ombres chinoises. Sie
machen auch einen Ausläufer jener Breughel-Callot-Hoff¬
mannschen Zerrbildnerei aus, welche die Franzosen einmal für
ächte Romantik zu halten sich capricirt haben. Wir wollen
zum Schluß dieser kurzen ästhetischen Phänomenologie des
Teufels eine solche diablerie von Nicolet beschreiben, die
auch für uns Deutsche durch Lewald's 1836, I.,
Beilage zum ersten Heft, zugänglich geworden ist. Wir

Im Mittelalter geſtattete die Figur des Teufels, deſſen
Macht der chriſtliche Glaube überwunden wußte, eine Licenz
der Kritik, die ſonſt verpönt war. Späterhin mußte auch
dieſe Komik eben ſo wohl in concrete menſchliche Individuali¬
täten gelegt werden, als auch die finſtere Seite des Böſen
in wirkliche Menſchen gelegt ward. Daher iſt der Teufel
allmälig für die Kunſt überflüſſig geworden. Er iſt, auch
in der Komik, zu einer allegoriſchen Perſon zuſammenge¬
ſchrumpft, die nur noch in barocken und burlesken Com¬
poſitionen eine gewiſſe Poeſie erlaubt, wie z. B. Grabbe
in einem Luſtſpiel die Großmutter des Teufels auf den Ein¬
fall gerathen läßt, die Hölle ſchroppen zu laſſen. Der Herr
Sohn wird ſo lang auf die Oberwelt geſchickt. Da es hier
aber gerade kalt iſt, ſo erſtarrt der von der Höllenwärme
verwöhnte Teufel und bleibt in dieſem Zuſtande am Wege
liegen. Ein höchſt aufgeklärter Dorfſchulmeiſter, der ſich
vom Glauben an den Teufel längſt emancipirt hat, findet
ihn, hält ihn für ein Curiosum naturae und nimmt ihn nach
Hauſe, ſehr erfreut über ſolche Rarität. Hier thauet nun
aber der Teufel auf, was denn zu ſehr lächerlichen Situationen
Anlaß gibt. Die Pariſer haben auch das teufliſche Element
zu ganz allerliebſten Zeichnungen mit Anmuth zu geſtalten
gewußt, zu den ſogenannten diableries, phantaſtiſchen
Schattenbildern in der Art der Ombres chinoises. Sie
machen auch einen Ausläufer jener Breughel-Callot-Hoff¬
mannſchen Zerrbildnerei aus, welche die Franzoſen einmal für
ächte Romantik zu halten ſich capriçirt haben. Wir wollen
zum Schluß dieſer kurzen äſthetiſchen Phänomenologie des
Teufels eine ſolche diablerie von Nicolet beſchreiben, die
auch für uns Deutſche durch Lewald's 1836, I.,
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[384/0406] Im Mittelalter geſtattete die Figur des Teufels, deſſen Macht der chriſtliche Glaube überwunden wußte, eine Licenz der Kritik, die ſonſt verpönt war. Späterhin mußte auch dieſe Komik eben ſo wohl in concrete menſchliche Individuali¬ täten gelegt werden, als auch die finſtere Seite des Böſen in wirkliche Menſchen gelegt ward. Daher iſt der Teufel allmälig für die Kunſt überflüſſig geworden. Er iſt, auch in der Komik, zu einer allegoriſchen Perſon zuſammenge¬ ſchrumpft, die nur noch in barocken und burlesken Com¬ poſitionen eine gewiſſe Poeſie erlaubt, wie z. B. Grabbe in einem Luſtſpiel die Großmutter des Teufels auf den Ein¬ fall gerathen läßt, die Hölle ſchroppen zu laſſen. Der Herr Sohn wird ſo lang auf die Oberwelt geſchickt. Da es hier aber gerade kalt iſt, ſo erſtarrt der von der Höllenwärme verwöhnte Teufel und bleibt in dieſem Zuſtande am Wege liegen. Ein höchſt aufgeklärter Dorfſchulmeiſter, der ſich vom Glauben an den Teufel längſt emancipirt hat, findet ihn, hält ihn für ein Curiosum naturae und nimmt ihn nach Hauſe, ſehr erfreut über ſolche Rarität. Hier thauet nun aber der Teufel auf, was denn zu ſehr lächerlichen Situationen Anlaß gibt. Die Pariſer haben auch das teufliſche Element zu ganz allerliebſten Zeichnungen mit Anmuth zu geſtalten gewußt, zu den ſogenannten diableries, phantaſtiſchen Schattenbildern in der Art der Ombres chinoises. Sie machen auch einen Ausläufer jener Breughel-Callot-Hoff¬ mannſchen Zerrbildnerei aus, welche die Franzoſen einmal für ächte Romantik zu halten ſich capriçirt haben. Wir wollen zum Schluß dieſer kurzen äſthetiſchen Phänomenologie des Teufels eine ſolche diablerie von Nicolet beſchreiben, die auch für uns Deutſche durch Lewald's 1836, I., Beilage zum erſten Heft, zugänglich geworden iſt. Wir

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/406>, abgerufen am 22.11.2024.