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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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nungen des Erzherzogs Karl befinden sich einige unschätzbare
Blätter Dürers, auf denen Hexen mit ihrem strudelnden
Haar, ihrem Triefauge, ihren enterartig verthierten Brüsten,
ihrem geknautschten, stummelzahnigen Munde und dem Aus¬
druck eben so großer Schadenfreude, als zügelloser Geilheit,
Schauder erregen. Die Poesie hat das Hexenwesen besonders
im ältern Englischen Drama durchgearbeitet, in der Hexe,
die Middleton verfaßt hat; in der Hexe von Edmon¬
ton
, die Rowley, Decker und Ford zusammen arbei¬
teten; in Shakespeare's Macbeth und in Heywoods
Hexen
von Lancashire (81). Im letztern Stück ist ge¬
wissermaaßen eine Galerie aller Arten von Unfug gegeben,
womit die Hexen die Gesellschaft zerrütten. So bewirken
sie z. B. daß in einer Familie die ganze sittliche Ordnung
des Hauses sich umkehrt, Vater und Mutter fürchten den
Sohn und die Tochter, der Sohn fürchtet den Knecht, die
Tochter die Magd u. s. w. Heine hat das Wesentliche
der Scenerie des Hexensabbaths in sein Tanzpoem Faust
aufgenommen. Das Grundlose für die Annahme wirklicher
Hexen und namentlich das Entsetzliche des Hexenprocesses ist
sehr anschaulich in einer trefflichen Deutschen Erzählung:
Veit Fraser dargestellt, die sich in den "Nachtseiten der
Gesellschaft, eine Galerie merkwürdiger Verbrechen und
Rechtsfälle", 1844, Bd. 9-11., findet. Weitläufiger über
das Hexenhafte zu sein, können wir uns ersparen, da in den
letzten Decennien die vielen Commentatoren des Götheschen
Faust es nicht an Fleiß haben fehlen lassen, vielerlei Notizen
und Bemerkungen über die Magie, die Hexenküche und die
Walpurgisnacht auf dem Blocksberge zusammenzutragen; am
vollständigsten ist dies in den Studien zu Göthe's Faust von
Ed. Meyer 1847 geschehen.

nungen des Erzherzogs Karl befinden ſich einige unſchätzbare
Blätter Dürers, auf denen Hexen mit ihrem ſtrudelnden
Haar, ihrem Triefauge, ihren enterartig verthierten Brüſten,
ihrem geknautſchten, ſtummelzahnigen Munde und dem Aus¬
druck eben ſo großer Schadenfreude, als zügelloſer Geilheit,
Schauder erregen. Die Poeſie hat das Hexenweſen beſonders
im ältern Engliſchen Drama durchgearbeitet, in der Hexe,
die Middleton verfaßt hat; in der Hexe von Edmon¬
ton
, die Rowley, Decker und Ford zuſammen arbei¬
teten; in Shakeſpeare's Macbeth und in Heywoods
Hexen
von Lancashire (81). Im letztern Stück iſt ge¬
wiſſermaaßen eine Galerie aller Arten von Unfug gegeben,
womit die Hexen die Geſellſchaft zerrütten. So bewirken
ſie z. B. daß in einer Familie die ganze ſittliche Ordnung
des Hauſes ſich umkehrt, Vater und Mutter fürchten den
Sohn und die Tochter, der Sohn fürchtet den Knecht, die
Tochter die Magd u. ſ. w. Heine hat das Weſentliche
der Scenerie des Hexenſabbaths in ſein Tanzpoem Fauſt
aufgenommen. Das Grundloſe für die Annahme wirklicher
Hexen und namentlich das Entſetzliche des Hexenproceſſes iſt
ſehr anſchaulich in einer trefflichen Deutſchen Erzählung:
Veit Fraſer dargeſtellt, die ſich in den „Nachtſeiten der
Geſellſchaft, eine Galerie merkwürdiger Verbrechen und
Rechtsfälle“, 1844, Bd. 9–11., findet. Weitläufiger über
das Hexenhafte zu ſein, können wir uns erſparen, da in den
letzten Decennien die vielen Commentatoren des Götheſchen
Fauſt es nicht an Fleiß haben fehlen laſſen, vielerlei Notizen
und Bemerkungen über die Magie, die Hexenküche und die
Walpurgisnacht auf dem Blocksberge zuſammenzutragen; am
vollſtändigſten iſt dies in den Studien zu Göthe's Fauſt von
Ed. Meyer 1847 geſchehen.

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[370/0392] nungen des Erzherzogs Karl befinden ſich einige unſchätzbare Blätter Dürers, auf denen Hexen mit ihrem ſtrudelnden Haar, ihrem Triefauge, ihren enterartig verthierten Brüſten, ihrem geknautſchten, ſtummelzahnigen Munde und dem Aus¬ druck eben ſo großer Schadenfreude, als zügelloſer Geilheit, Schauder erregen. Die Poeſie hat das Hexenweſen beſonders im ältern Engliſchen Drama durchgearbeitet, in der Hexe, die Middleton verfaßt hat; in der Hexe von Edmon¬ ton, die Rowley, Decker und Ford zuſammen arbei¬ teten; in Shakeſpeare's Macbeth und in Heywoods Hexen von Lancashire (81). Im letztern Stück iſt ge¬ wiſſermaaßen eine Galerie aller Arten von Unfug gegeben, womit die Hexen die Geſellſchaft zerrütten. So bewirken ſie z. B. daß in einer Familie die ganze ſittliche Ordnung des Hauſes ſich umkehrt, Vater und Mutter fürchten den Sohn und die Tochter, der Sohn fürchtet den Knecht, die Tochter die Magd u. ſ. w. Heine hat das Weſentliche der Scenerie des Hexenſabbaths in ſein Tanzpoem Fauſt aufgenommen. Das Grundloſe für die Annahme wirklicher Hexen und namentlich das Entſetzliche des Hexenproceſſes iſt ſehr anſchaulich in einer trefflichen Deutſchen Erzählung: Veit Fraſer dargeſtellt, die ſich in den „Nachtſeiten der Geſellſchaft, eine Galerie merkwürdiger Verbrechen und Rechtsfälle“, 1844, Bd. 9–11., findet. Weitläufiger über das Hexenhafte zu ſein, können wir uns erſparen, da in den letzten Decennien die vielen Commentatoren des Götheſchen Fauſt es nicht an Fleiß haben fehlen laſſen, vielerlei Notizen und Bemerkungen über die Magie, die Hexenküche und die Walpurgisnacht auf dem Blocksberge zuſammenzutragen; am vollſtändigſten iſt dies in den Studien zu Göthe's Fauſt von Ed. Meyer 1847 geſchehen.

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/392>, abgerufen am 23.11.2024.