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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Sich aus der Kutte Form von Fleisch und Blut.
Da sank die graue Hüll' und sonder Hehle
Enthüllte sich -- wozu denn ach! war's gut? --
Der Geist mit üppger Brust und vollen Waden
Als Herzogin Fitzfulk höchst muntre Gnaden.
g. Das Diabolische.

Wir haben das Böse zuerst als das Verbrecherische be¬
trachtet. Als pure negative Gesinnung, ohne sich symbolisch
in einer deformen Gestalt oder objectiv in einer Handlung
auszudrücken, würde es nämlich kein ästhetisches Object sein.
Wir haben die Bezeichnung des Verbrecherischen aber auch
deshalb gewählt, weil wir andeuten wollten, daß der Mensch
sich durch einen hybriden Affect, durch Leidenschaft, durch den
Conflict der Umstände zu einer bösen That kann hinreißen
lassen, ohne in sich durch und durch, ohne principiell böse,
ohne diabolisch zu sein. Oedipus, Orestes, Medea, Othello,
Karl Moor u. s. w. begehen Verbrechen, ohne daß man
ihnen Bosheit, Freude am Bösen, zuschreiben könnte. Das
Gespenstische haben wir dem Verbrecherischen nachfolgen
lassen, weil es wesentlich durch irgendwelchen schuldvollen
Zusammenhang vermittelt wird. Wir haben es unterscheiden
vom Reich der Dämonen; wir haben es auch unterscheiden
vom Reich der Schatten überhaupt. Die Erscheinung eines
Geistes, wie des Erdgeistes im Götheschen Faust, eines
Schattens, wie des Dareios in den Aeschyleischen Persern,
kann Grauen erwecken, aber zugleich erhaben schön sein.
Zum Gespenst wird der Schatten erst, wenn ein Todter
seine Geschichte noch nicht ausgelebt hat, also in den Prag¬
matismus der fortlaufenden noch verwickelt ist. Wir be¬
dienten uns aus Vorsicht auch hier einer umfassenderen Be¬

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 23
Sich aus der Kutte Form von Fleiſch und Blut.
Da ſank die graue Hüll' und ſonder Hehle
Enthüllte ſich — wozu denn ach! war's gut? —
Der Geiſt mit üppger Bruſt und vollen Waden
Als Herzogin Fitzfulk höchſt muntre Gnaden.
γ. Das Diaboliſche.

Wir haben das Böſe zuerſt als das Verbrecheriſche be¬
trachtet. Als pure negative Geſinnung, ohne ſich ſymboliſch
in einer deformen Geſtalt oder objectiv in einer Handlung
auszudrücken, würde es nämlich kein äſthetiſches Object ſein.
Wir haben die Bezeichnung des Verbrecheriſchen aber auch
deshalb gewählt, weil wir andeuten wollten, daß der Menſch
ſich durch einen hybriden Affect, durch Leidenſchaft, durch den
Conflict der Umſtände zu einer böſen That kann hinreißen
laſſen, ohne in ſich durch und durch, ohne principiell böſe,
ohne diaboliſch zu ſein. Oedipus, Oreſtes, Medea, Othello,
Karl Moor u. ſ. w. begehen Verbrechen, ohne daß man
ihnen Bosheit, Freude am Böſen, zuſchreiben könnte. Das
Geſpenſtiſche haben wir dem Verbrecheriſchen nachfolgen
laſſen, weil es weſentlich durch irgendwelchen ſchuldvollen
Zuſammenhang vermittelt wird. Wir haben es unterſcheiden
vom Reich der Dämonen; wir haben es auch unterſcheiden
vom Reich der Schatten überhaupt. Die Erſcheinung eines
Geiſtes, wie des Erdgeiſtes im Götheſchen Fauſt, eines
Schattens, wie des Dareios in den Aeſchyleiſchen Perſern,
kann Grauen erwecken, aber zugleich erhaben ſchön ſein.
Zum Geſpenſt wird der Schatten erſt, wenn ein Todter
ſeine Geſchichte noch nicht ausgelebt hat, alſo in den Prag¬
matismus der fortlaufenden noch verwickelt iſt. Wir be¬
dienten uns aus Vorſicht auch hier einer umfaſſenderen Be¬

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 23
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[353/0375] Sich aus der Kutte Form von Fleiſch und Blut. Da ſank die graue Hüll' und ſonder Hehle Enthüllte ſich — wozu denn ach! war's gut? — Der Geiſt mit üppger Bruſt und vollen Waden Als Herzogin Fitzfulk höchſt muntre Gnaden. γ. Das Diaboliſche. Wir haben das Böſe zuerſt als das Verbrecheriſche be¬ trachtet. Als pure negative Geſinnung, ohne ſich ſymboliſch in einer deformen Geſtalt oder objectiv in einer Handlung auszudrücken, würde es nämlich kein äſthetiſches Object ſein. Wir haben die Bezeichnung des Verbrecheriſchen aber auch deshalb gewählt, weil wir andeuten wollten, daß der Menſch ſich durch einen hybriden Affect, durch Leidenſchaft, durch den Conflict der Umſtände zu einer böſen That kann hinreißen laſſen, ohne in ſich durch und durch, ohne principiell böſe, ohne diaboliſch zu ſein. Oedipus, Oreſtes, Medea, Othello, Karl Moor u. ſ. w. begehen Verbrechen, ohne daß man ihnen Bosheit, Freude am Böſen, zuſchreiben könnte. Das Geſpenſtiſche haben wir dem Verbrecheriſchen nachfolgen laſſen, weil es weſentlich durch irgendwelchen ſchuldvollen Zuſammenhang vermittelt wird. Wir haben es unterſcheiden vom Reich der Dämonen; wir haben es auch unterſcheiden vom Reich der Schatten überhaupt. Die Erſcheinung eines Geiſtes, wie des Erdgeiſtes im Götheſchen Fauſt, eines Schattens, wie des Dareios in den Aeſchyleiſchen Perſern, kann Grauen erwecken, aber zugleich erhaben ſchön ſein. Zum Geſpenſt wird der Schatten erſt, wenn ein Todter ſeine Geſchichte noch nicht ausgelebt hat, alſo in den Prag¬ matismus der fortlaufenden noch verwickelt iſt. Wir be¬ dienten uns aus Vorſicht auch hier einer umfaſſenderen Be¬ Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 23

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/375>, abgerufen am 24.11.2024.