ten Arten des Beischlafs (bei den Alten z. B. arma, philotes) u. s. w. sind scheußlich. Die Pornographen stellten auch solche erotische Scenen dar, die man libidines oder spinthria nannte und worüber man die gelehrteleganten Erläuterungen von Raoul Rochette zum Musee secret von Herculanum und Pompeji von Aine und Barre, Paris 1840, nachlesen möge. Nach des Plinius Bericht kaufte z. B. Tiberius zu einem ungeheuren Preise ein Gemälde des Parrhasius, es in seinem Schlafzimmer aufzuhängen. Dies Bild stellte die Ata¬ lanta dar, wie sie dem Meleager auf ekelhaft obscöne Weise mit dem Munde zu Willen war. Mit Panofka (73) eine Parodie darin zu sehen, scheint uns zu mißlich.
c) Das Böse.
Das Abgeschmackte ist das theoretisch Scheußliche; das Ekelhafte ist das sinnlich Scheußliche, das aber, wie wir er¬ kannt haben, in seinen unnatürlichen Extremen schon mit dem praktisch Scheußlichen, mit dem Bösen zusammenhängt. Der böse Wille ist das ethisch Häßliche. Als Wille für sich fällt er in die reine Innerlichkeit. Um aber ästhetisch möglich zu werden, muß er theils von Innen aus sich in die Hä߬ lichkeit der Gestalt symbolisch reflectiren, theils sich als That äußern und zum Verbrechen werden. Schon Homer hat den Thersites so geschildert, daß er sein zänkisches Wesen in einer conformen Gestalt erscheinen läßt, Ilias, II., 214: Immer verkehrt, nicht der Ordnung gemäß, mit den Fürsten zu hadern, Wo ihm nur etwas erschien, das lächerlich vor den Argeiern Wäre. Der häßlichste Mann vor Ilios war er gekommen: Schielend war er, und lahm am andern Fuß; um die Schultern
21 *
ten Arten des Beiſchlafs (bei den Alten z. B. ἁϱμα, φιλοτης) u. ſ. w. ſind ſcheußlich. Die Pornographen ſtellten auch ſolche erotiſche Scenen dar, die man libidines oder spinthria nannte und worüber man die gelehrteleganten Erläuterungen von Raoul Rochette zum Musée secret von Herculanum und Pompeji von Ainé und Barré, Paris 1840, nachleſen möge. Nach des Plinius Bericht kaufte z. B. Tiberius zu einem ungeheuren Preiſe ein Gemälde des Parrhaſius, es in ſeinem Schlafzimmer aufzuhängen. Dies Bild ſtellte die Ata¬ lanta dar, wie ſie dem Meleager auf ekelhaft obscöne Weiſe mit dem Munde zu Willen war. Mit Panofka (73) eine Parodie darin zu ſehen, ſcheint uns zu mißlich.
c) Das Böſe.
Das Abgeſchmackte iſt das theoretiſch Scheußliche; das Ekelhafte iſt das ſinnlich Scheußliche, das aber, wie wir er¬ kannt haben, in ſeinen unnatürlichen Extremen ſchon mit dem praktiſch Scheußlichen, mit dem Böſen zuſammenhängt. Der böſe Wille iſt das ethiſch Häßliche. Als Wille für ſich fällt er in die reine Innerlichkeit. Um aber äſthetiſch möglich zu werden, muß er theils von Innen aus ſich in die Hä߬ lichkeit der Geſtalt ſymboliſch reflectiren, theils ſich als That äußern und zum Verbrechen werden. Schon Homer hat den Therſites ſo geſchildert, daß er ſein zänkiſches Weſen in einer conformen Geſtalt erſcheinen läßt, Ilias, II., 214: Immer verkehrt, nicht der Ordnung gemäß, mit den Fürſten zu hadern, Wo ihm nur etwas erſchien, das lächerlich vor den Argeiern Wäre. Der häßlichſte Mann vor Ilios war er gekommen: Schielend war er, und lahm am andern Fuß; um die Schultern
21 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0345"n="323"/>
ten Arten des Beiſchlafs (bei den Alten z. B. ἁϱμα, φιλοτης)<lb/>
u. ſ. w. ſind ſcheußlich. Die Pornographen ſtellten auch ſolche<lb/>
erotiſche Scenen dar, die man <hirendition="#aq">libidines</hi> oder <hirendition="#aq">spinthria</hi> nannte<lb/>
und worüber man die gelehrteleganten Erläuterungen von<lb/><hirendition="#g">Raoul Rochette</hi> zum <hirendition="#aq">Musée secret</hi> von Herculanum und<lb/>
Pompeji von Ain<hirendition="#aq">é</hi> und Barr<hirendition="#aq">é</hi>, Paris 1840, nachleſen möge.<lb/>
Nach des Plinius Bericht kaufte z. B. Tiberius zu einem<lb/>
ungeheuren Preiſe ein Gemälde des <hirendition="#g">Parrhaſius</hi>, es in<lb/>ſeinem Schlafzimmer aufzuhängen. Dies Bild ſtellte die Ata¬<lb/>
lanta dar, wie ſie dem Meleager auf ekelhaft obscöne Weiſe<lb/>
mit dem Munde zu Willen war. Mit <hirendition="#g">Panofka</hi> (<hirendition="#sup">73</hi>) eine<lb/>
Parodie darin zu ſehen, ſcheint uns zu mißlich.</p><lb/></div><divn="5"><head><hirendition="#aq">c</hi>) <hirendition="#g">Das Böſe</hi>.<lb/></head><p>Das Abgeſchmackte iſt das theoretiſch Scheußliche; das<lb/>
Ekelhafte iſt das ſinnlich Scheußliche, das aber, wie wir er¬<lb/>
kannt haben, in ſeinen unnatürlichen Extremen ſchon mit<lb/>
dem praktiſch Scheußlichen, mit dem Böſen zuſammenhängt.<lb/>
Der böſe Wille iſt das ethiſch Häßliche. Als Wille für ſich<lb/>
fällt er in die reine Innerlichkeit. Um aber äſthetiſch möglich<lb/>
zu werden, muß er theils von Innen aus ſich in die Hä߬<lb/>
lichkeit der Geſtalt ſymboliſch reflectiren, theils ſich als That<lb/>
äußern und zum Verbrechen werden. Schon Homer hat den<lb/><hirendition="#g">Therſites</hi>ſo geſchildert, daß er ſein zänkiſches Weſen in<lb/>
einer conformen Geſtalt erſcheinen läßt, <cit><bibl>Ilias, <hirendition="#aq">II</hi>., 214:</bibl><lb/><quote><hirendition="#c">Immer verkehrt, nicht der Ordnung gemäß, mit den<lb/>
Fürſten zu hadern,</hi></quote></cit><lb/>
Wo ihm nur etwas erſchien, das lächerlich vor den Argeiern<lb/>
Wäre. Der häßlichſte Mann vor Ilios war er gekommen:<lb/>
Schielend war er, und lahm am andern Fuß; um die<lb/>
Schultern<lb/><fwplace="bottom"type="sig">21 *<lb/></fw></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[323/0345]
ten Arten des Beiſchlafs (bei den Alten z. B. ἁϱμα, φιλοτης)
u. ſ. w. ſind ſcheußlich. Die Pornographen ſtellten auch ſolche
erotiſche Scenen dar, die man libidines oder spinthria nannte
und worüber man die gelehrteleganten Erläuterungen von
Raoul Rochette zum Musée secret von Herculanum und
Pompeji von Ainé und Barré, Paris 1840, nachleſen möge.
Nach des Plinius Bericht kaufte z. B. Tiberius zu einem
ungeheuren Preiſe ein Gemälde des Parrhaſius, es in
ſeinem Schlafzimmer aufzuhängen. Dies Bild ſtellte die Ata¬
lanta dar, wie ſie dem Meleager auf ekelhaft obscöne Weiſe
mit dem Munde zu Willen war. Mit Panofka (73) eine
Parodie darin zu ſehen, ſcheint uns zu mißlich.
c) Das Böſe.
Das Abgeſchmackte iſt das theoretiſch Scheußliche; das
Ekelhafte iſt das ſinnlich Scheußliche, das aber, wie wir er¬
kannt haben, in ſeinen unnatürlichen Extremen ſchon mit
dem praktiſch Scheußlichen, mit dem Böſen zuſammenhängt.
Der böſe Wille iſt das ethiſch Häßliche. Als Wille für ſich
fällt er in die reine Innerlichkeit. Um aber äſthetiſch möglich
zu werden, muß er theils von Innen aus ſich in die Hä߬
lichkeit der Geſtalt ſymboliſch reflectiren, theils ſich als That
äußern und zum Verbrechen werden. Schon Homer hat den
Therſites ſo geſchildert, daß er ſein zänkiſches Weſen in
einer conformen Geſtalt erſcheinen läßt, Ilias, II., 214:
Immer verkehrt, nicht der Ordnung gemäß, mit den
Fürſten zu hadern,
Wo ihm nur etwas erſchien, das lächerlich vor den Argeiern
Wäre. Der häßlichſte Mann vor Ilios war er gekommen:
Schielend war er, und lahm am andern Fuß; um die
Schultern
21 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/345>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.