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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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schieden Plumpe noch nicht aufkommen läßt. Dies inne zu
werden, dürfen wir nur Martin de Vos mit ihm ver¬
gleichen, in dessen Gestalten die wampigte Ueberwucherung
des Fleisches die Gliederung verdeckt, so daß die Verhält¬
nisse gedrückt und schwerfällig erscheinen.

Das Plumpe als Bewegung wird natürlich zunächst an
die selbst plumpe Gestalt gebunden sein. Von einem Nilpferd,
Krokodil, Pinguin, Eisbären, von einem ungeschlachten
Tölpel sind auch nur plumpe Bewegungen zu erwarten.
Allein es kann auch von einer an sich schönen, ja zierlichen
Gestalt eine plumpe Bewegung hervorgebracht werden, die
als Widerspruch mit ihr um so häßlicher erscheinen muß;
gerade wie umgekehrt die zierliche Bewegung einer an sich
plumpen Masse, z. B. eines Elephanten, der auf dem Seil
tanzt, wozu die Römer ihn abrichteten, nothwendig den
Eindruck des Plumpen an der Gestalt vermindern muß.
Je mehr ein Element schon dazu berechtigt, Feinheit der
Form, Leichtigkeit, ja Eleganz der Bewegung in ihm ent¬
faltet zu sehen, um so widriger empfinden wir es, wenn
statt ihrer Rohheit und Grobheit sich breit machen. Dies
ist vorzüglich im Element des Scherzhaften und Witzigen der
Fall. Der plumpe Scherz, der plumpe Witz, sind häßlich,
weil schon im Begriff des Scherzes und Witzes als eines
Spiels die Leichtigkeit als ein ihnen wesentliches Prädicat
liegt. Die Gemeinheit eines Morolf z. B. äußert sich in
solcher Plumpheit.

Oft wird das Plumpe auch das Bäurische genannt.
Man würde aber sehr irren, wollte man mit ihm das
Bäuerliche vermengen. Das Bäuerliche kann derb, kraft¬
voll, allein es braucht nicht ungeschlacht zu sein. In der
Scala einer ständischen Gliederung wird die Aristokratie jeder

ſchieden Plumpe noch nicht aufkommen läßt. Dies inne zu
werden, dürfen wir nur Martin de Vos mit ihm ver¬
gleichen, in deſſen Geſtalten die wampigte Ueberwucherung
des Fleiſches die Gliederung verdeckt, ſo daß die Verhält¬
niſſe gedrückt und ſchwerfällig erſcheinen.

Das Plumpe als Bewegung wird natürlich zunächſt an
die ſelbſt plumpe Geſtalt gebunden ſein. Von einem Nilpferd,
Krokodil, Pinguin, Eisbären, von einem ungeſchlachten
Tölpel ſind auch nur plumpe Bewegungen zu erwarten.
Allein es kann auch von einer an ſich ſchönen, ja zierlichen
Geſtalt eine plumpe Bewegung hervorgebracht werden, die
als Widerſpruch mit ihr um ſo häßlicher erſcheinen muß;
gerade wie umgekehrt die zierliche Bewegung einer an ſich
plumpen Maſſe, z. B. eines Elephanten, der auf dem Seil
tanzt, wozu die Römer ihn abrichteten, nothwendig den
Eindruck des Plumpen an der Geſtalt vermindern muß.
Je mehr ein Element ſchon dazu berechtigt, Feinheit der
Form, Leichtigkeit, ja Eleganz der Bewegung in ihm ent¬
faltet zu ſehen, um ſo widriger empfinden wir es, wenn
ſtatt ihrer Rohheit und Grobheit ſich breit machen. Dies
iſt vorzüglich im Element des Scherzhaften und Witzigen der
Fall. Der plumpe Scherz, der plumpe Witz, ſind häßlich,
weil ſchon im Begriff des Scherzes und Witzes als eines
Spiels die Leichtigkeit als ein ihnen weſentliches Prädicat
liegt. Die Gemeinheit eines Morolf z. B. äußert ſich in
ſolcher Plumpheit.

Oft wird das Plumpe auch das Bäuriſche genannt.
Man würde aber ſehr irren, wollte man mit ihm das
Bäuerliche vermengen. Das Bäuerliche kann derb, kraft¬
voll, allein es braucht nicht ungeſchlacht zu ſein. In der
Scala einer ſtändiſchen Gliederung wird die Ariſtokratie jeder

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[286/0308] ſchieden Plumpe noch nicht aufkommen läßt. Dies inne zu werden, dürfen wir nur Martin de Vos mit ihm ver¬ gleichen, in deſſen Geſtalten die wampigte Ueberwucherung des Fleiſches die Gliederung verdeckt, ſo daß die Verhält¬ niſſe gedrückt und ſchwerfällig erſcheinen. Das Plumpe als Bewegung wird natürlich zunächſt an die ſelbſt plumpe Geſtalt gebunden ſein. Von einem Nilpferd, Krokodil, Pinguin, Eisbären, von einem ungeſchlachten Tölpel ſind auch nur plumpe Bewegungen zu erwarten. Allein es kann auch von einer an ſich ſchönen, ja zierlichen Geſtalt eine plumpe Bewegung hervorgebracht werden, die als Widerſpruch mit ihr um ſo häßlicher erſcheinen muß; gerade wie umgekehrt die zierliche Bewegung einer an ſich plumpen Maſſe, z. B. eines Elephanten, der auf dem Seil tanzt, wozu die Römer ihn abrichteten, nothwendig den Eindruck des Plumpen an der Geſtalt vermindern muß. Je mehr ein Element ſchon dazu berechtigt, Feinheit der Form, Leichtigkeit, ja Eleganz der Bewegung in ihm ent¬ faltet zu ſehen, um ſo widriger empfinden wir es, wenn ſtatt ihrer Rohheit und Grobheit ſich breit machen. Dies iſt vorzüglich im Element des Scherzhaften und Witzigen der Fall. Der plumpe Scherz, der plumpe Witz, ſind häßlich, weil ſchon im Begriff des Scherzes und Witzes als eines Spiels die Leichtigkeit als ein ihnen weſentliches Prädicat liegt. Die Gemeinheit eines Morolf z. B. äußert ſich in ſolcher Plumpheit. Oft wird das Plumpe auch das Bäuriſche genannt. Man würde aber ſehr irren, wollte man mit ihm das Bäuerliche vermengen. Das Bäuerliche kann derb, kraft¬ voll, allein es braucht nicht ungeſchlacht zu ſein. In der Scala einer ſtändiſchen Gliederung wird die Ariſtokratie jeder

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/308>, abgerufen am 22.11.2024.