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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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herrscht diese Manier. Shakespeare hat sie von der hohen
Tragödie ausgeschlossen, Calderon aber, weil er überhaupt
moralisch-conventionelle Rechenexempel zu lösen hat, wendet
sie fast überall an. Selbst im theologischen Drama, wie im
magico prodigioso, läßt er die tragische Entwicklung sich in
die Folie der Komik reflectiren.

Dieselben Bestimmungen der Asymmetrie, die wir häßlich
nennen, wenn sie einen positiven Charakter ansprechen, werden
komisch, wenn diese Prätension nur ein Schein ist. Die
Komik haben wir jedoch hier nicht weiter zu verfolgen, wo
uns das Häßliche beschäftigt und wir seine Auflösung in's
Lächerliche nur anzudeuten haben. Wohl aber haben wir zu
zeigen, wie die Asymmetrie durch den falschen Contrast der
antagonistischen Hebel der Symmetrie in die Disharmonie
übergeht. In der Symmetrie, wie in der Asymmetrie, ist die
Beziehung der inversen Glieder im Allgemeinen noch eine
ruhige. Geht die Entgegensetzung in Spannung über, so
wird sie zum Contrast. Er ist bekanntlich eines der vor¬
züglichsten ästhetischen Mittel. Qualitativ kann er nur in
sich widersprechenden Bestimmungen bestehen, quantitativ aber
viele Grade haben, schwach und stark, matt und grell sein.
Es liegt in den nähern Umständen begründet, was für ein
Contrast in einem gegebenen Fall der nothwendige ist. Für
ein und dasselbe Wesen sind nach verschiedenen Seiten hin
verschiedene Widersprüche möglich; aber jedes hat auch kraft
seiner Eigenthümlichkeit einen absoluten Widerspruch an sich,
der seine totale Negation enthält; dem Leben steht der Tod,
dem Tod das Leben, der Wahrheit die Lüge, der Lüge die
Wahrheit, dem Schönen das Häßliche, dem Häßlichen das
Schöne u. s. w. als absoluter Widerspruch gegenüber. Dem
Leben steht dagegen die Krankheit, der Wahrheit der Irrthum,

herrſcht dieſe Manier. Shakeſpeare hat ſie von der hohen
Tragödie ausgeſchloſſen, Calderon aber, weil er überhaupt
moraliſch-conventionelle Rechenexempel zu löſen hat, wendet
ſie faſt überall an. Selbſt im theologiſchen Drama, wie im
magico prodigioso, läßt er die tragiſche Entwicklung ſich in
die Folie der Komik reflectiren.

Dieſelben Beſtimmungen der Aſymmetrie, die wir häßlich
nennen, wenn ſie einen poſitiven Charakter anſprechen, werden
komiſch, wenn dieſe Prätenſion nur ein Schein iſt. Die
Komik haben wir jedoch hier nicht weiter zu verfolgen, wo
uns das Häßliche beſchäftigt und wir ſeine Auflöſung in's
Lächerliche nur anzudeuten haben. Wohl aber haben wir zu
zeigen, wie die Aſymmetrie durch den falſchen Contraſt der
antagoniſtiſchen Hebel der Symmetrie in die Disharmonie
übergeht. In der Symmetrie, wie in der Aſymmetrie, iſt die
Beziehung der inverſen Glieder im Allgemeinen noch eine
ruhige. Geht die Entgegenſetzung in Spannung über, ſo
wird ſie zum Contraſt. Er iſt bekanntlich eines der vor¬
züglichſten äſthetiſchen Mittel. Qualitativ kann er nur in
ſich widerſprechenden Beſtimmungen beſtehen, quantitativ aber
viele Grade haben, ſchwach und ſtark, matt und grell ſein.
Es liegt in den nähern Umſtänden begründet, was für ein
Contraſt in einem gegebenen Fall der nothwendige iſt. Für
ein und daſſelbe Weſen ſind nach verſchiedenen Seiten hin
verſchiedene Widerſprüche möglich; aber jedes hat auch kraft
ſeiner Eigenthümlichkeit einen abſoluten Widerſpruch an ſich,
der ſeine totale Negation enthält; dem Leben ſteht der Tod,
dem Tod das Leben, der Wahrheit die Lüge, der Lüge die
Wahrheit, dem Schönen das Häßliche, dem Häßlichen das
Schöne u. ſ. w. als abſoluter Widerſpruch gegenüber. Dem
Leben ſteht dagegen die Krankheit, der Wahrheit der Irrthum,

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[89/0111] herrſcht dieſe Manier. Shakeſpeare hat ſie von der hohen Tragödie ausgeſchloſſen, Calderon aber, weil er überhaupt moraliſch-conventionelle Rechenexempel zu löſen hat, wendet ſie faſt überall an. Selbſt im theologiſchen Drama, wie im magico prodigioso, läßt er die tragiſche Entwicklung ſich in die Folie der Komik reflectiren. Dieſelben Beſtimmungen der Aſymmetrie, die wir häßlich nennen, wenn ſie einen poſitiven Charakter anſprechen, werden komiſch, wenn dieſe Prätenſion nur ein Schein iſt. Die Komik haben wir jedoch hier nicht weiter zu verfolgen, wo uns das Häßliche beſchäftigt und wir ſeine Auflöſung in's Lächerliche nur anzudeuten haben. Wohl aber haben wir zu zeigen, wie die Aſymmetrie durch den falſchen Contraſt der antagoniſtiſchen Hebel der Symmetrie in die Disharmonie übergeht. In der Symmetrie, wie in der Aſymmetrie, iſt die Beziehung der inverſen Glieder im Allgemeinen noch eine ruhige. Geht die Entgegenſetzung in Spannung über, ſo wird ſie zum Contraſt. Er iſt bekanntlich eines der vor¬ züglichſten äſthetiſchen Mittel. Qualitativ kann er nur in ſich widerſprechenden Beſtimmungen beſtehen, quantitativ aber viele Grade haben, ſchwach und ſtark, matt und grell ſein. Es liegt in den nähern Umſtänden begründet, was für ein Contraſt in einem gegebenen Fall der nothwendige iſt. Für ein und daſſelbe Weſen ſind nach verſchiedenen Seiten hin verſchiedene Widerſprüche möglich; aber jedes hat auch kraft ſeiner Eigenthümlichkeit einen abſoluten Widerſpruch an ſich, der ſeine totale Negation enthält; dem Leben ſteht der Tod, dem Tod das Leben, der Wahrheit die Lüge, der Lüge die Wahrheit, dem Schönen das Häßliche, dem Häßlichen das Schöne u. ſ. w. als abſoluter Widerſpruch gegenüber. Dem Leben ſteht dagegen die Krankheit, der Wahrheit der Irrthum,

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/111>, abgerufen am 23.11.2024.