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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Urwaldfrieden.

Mir ist es schon recht im Walde. Die weni-
gen Leute, die mich in den Wald gehen sehen,
lugen mir nach und können es nicht verstehen, daß
ich ein junger blühender Bursche so in der Ein-
samkeit herumsteige. Ei ja, freilich, ich werde von
Tag zu Tag jünger und hebe gar an, zu blühen.
Ich genese. Das macht die frische, urthümliche
Schöpfung, die mich umwebt.

Gefühlsschwärmerei treibe ich nicht. Wie er
einzieht durch die Augen und Ohren und all die
Sinne, der liebe, der schöne Wald, so mag ich ihn
genießen. Nur der Einsame findet den Wald; wo
ihn Mehrere suchen, da flieht er, und nur die
Bäume bleiben zurück.

Sie sehen den Wald vor Bäumen nicht. Ja,
noch mehr, oder zwar noch weniger, sie sehen auch
die Bäume nicht. Sie sehen nur das Holz, das
zum Zimmern oder Verkohlen, das Reisig, das
zum Besen dient. Oder sie machen die grauen

Urwaldfrieden.

Mir iſt es ſchon recht im Walde. Die weni-
gen Leute, die mich in den Wald gehen ſehen,
lugen mir nach und können es nicht verſtehen, daß
ich ein junger blühender Burſche ſo in der Ein-
ſamkeit herumſteige. Ei ja, freilich, ich werde von
Tag zu Tag jünger und hebe gar an, zu blühen.
Ich geneſe. Das macht die friſche, urthümliche
Schöpfung, die mich umwebt.

Gefühlsſchwärmerei treibe ich nicht. Wie er
einzieht durch die Augen und Ohren und all die
Sinne, der liebe, der ſchöne Wald, ſo mag ich ihn
genießen. Nur der Einſame findet den Wald; wo
ihn Mehrere ſuchen, da flieht er, und nur die
Bäume bleiben zurück.

Sie ſehen den Wald vor Bäumen nicht. Ja,
noch mehr, oder zwar noch weniger, ſie ſehen auch
die Bäume nicht. Sie ſehen nur das Holz, das
zum Zimmern oder Verkohlen, das Reiſig, das
zum Beſen dient. Oder ſie machen die grauen

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[76/0086] Urwaldfrieden. Mir iſt es ſchon recht im Walde. Die weni- gen Leute, die mich in den Wald gehen ſehen, lugen mir nach und können es nicht verſtehen, daß ich ein junger blühender Burſche ſo in der Ein- ſamkeit herumſteige. Ei ja, freilich, ich werde von Tag zu Tag jünger und hebe gar an, zu blühen. Ich geneſe. Das macht die friſche, urthümliche Schöpfung, die mich umwebt. Gefühlsſchwärmerei treibe ich nicht. Wie er einzieht durch die Augen und Ohren und all die Sinne, der liebe, der ſchöne Wald, ſo mag ich ihn genießen. Nur der Einſame findet den Wald; wo ihn Mehrere ſuchen, da flieht er, und nur die Bäume bleiben zurück. Sie ſehen den Wald vor Bäumen nicht. Ja, noch mehr, oder zwar noch weniger, ſie ſehen auch die Bäume nicht. Sie ſehen nur das Holz, das zum Zimmern oder Verkohlen, das Reiſig, das zum Beſen dient. Oder ſie machen die grauen

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/86>, abgerufen am 23.11.2024.