Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

zurückgezogen, oder unredlich geflüchtet haben, und
die nun durch erlaubten oder unerlaubten Erwerb
ihr Leben fristen. Wol wahr, es sind finstere Men-
schen, in deren Herzen das Unglück oder noch was
Aergeres nagt. Sie haben weder einen Priester,
noch einen Arzt, noch einen Schullehrer in ihrer
Nähe; sie sind ganz verlassen und abgesondert,
und nur auf ihre Unbeholfenheit und auf ihr
eigenes ungezügeltes Wesen angewiesen. -- Ich
bin der Eigenthümer der Waldungen. Ich habe
seit längerer Zeit schon die Absicht, einen Mann
in diese unwirthliche Gegend zu senden, der die
Bewohner derselben ein wenig leite, ihnen mit
redlichem Rathe beistehe, und die Kinder in Lesen
und Schreiben unterrichte. Der Mann könnte sich
gar sehr verdient machen. Es findet sich wahr-
haftig so leicht Keiner dafür; es wäre denn Einer,
der weltsatt in der Einsamkeit leben und doch für
die Menschen wirken wolle. -- Erdmann, was
meinen Sie dazu?"

Nach diesen Worten ist mir jählings gewesen,
als ob ich sogleich meine Hand hinhalten und
sagen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den
Zuständen dieser alten Welt zerfallen, will ich in
der Wildniß eine neue gründen. Eine neue Schule,
eine neue Gemeine -- ein neues Leben. Lasset
mich heute noch ziehen! -- So ist das Feuer doch

zurückgezogen, oder unredlich geflüchtet haben, und
die nun durch erlaubten oder unerlaubten Erwerb
ihr Leben friſten. Wol wahr, es ſind finſtere Men-
ſchen, in deren Herzen das Unglück oder noch was
Aergeres nagt. Sie haben weder einen Prieſter,
noch einen Arzt, noch einen Schullehrer in ihrer
Nähe; ſie ſind ganz verlaſſen und abgeſondert,
und nur auf ihre Unbeholfenheit und auf ihr
eigenes ungezügeltes Weſen angewieſen. — Ich
bin der Eigenthümer der Waldungen. Ich habe
ſeit längerer Zeit ſchon die Abſicht, einen Mann
in dieſe unwirthliche Gegend zu ſenden, der die
Bewohner derſelben ein wenig leite, ihnen mit
redlichem Rathe beiſtehe, und die Kinder in Leſen
und Schreiben unterrichte. Der Mann könnte ſich
gar ſehr verdient machen. Es findet ſich wahr-
haftig ſo leicht Keiner dafür; es wäre denn Einer,
der weltſatt in der Einſamkeit leben und doch für
die Menſchen wirken wolle. — Erdmann, was
meinen Sie dazu?“

Nach dieſen Worten iſt mir jählings geweſen,
als ob ich ſogleich meine Hand hinhalten und
ſagen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den
Zuſtänden dieſer alten Welt zerfallen, will ich in
der Wildniß eine neue gründen. Eine neue Schule,
eine neue Gemeine — ein neues Leben. Laſſet
mich heute noch ziehen! — So iſt das Feuer doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="62"/>
zurückgezogen, oder unredlich geflüchtet haben, und<lb/>
die nun durch erlaubten oder unerlaubten Erwerb<lb/>
ihr Leben fri&#x017F;ten. Wol wahr, es &#x017F;ind fin&#x017F;tere Men-<lb/>
&#x017F;chen, in deren Herzen das Unglück oder noch was<lb/>
Aergeres nagt. Sie haben weder einen Prie&#x017F;ter,<lb/>
noch einen Arzt, noch einen Schullehrer in ihrer<lb/>
Nähe; &#x017F;ie &#x017F;ind ganz verla&#x017F;&#x017F;en und abge&#x017F;ondert,<lb/>
und nur auf ihre Unbeholfenheit und auf ihr<lb/>
eigenes ungezügeltes We&#x017F;en angewie&#x017F;en. &#x2014; Ich<lb/>
bin der Eigenthümer der Waldungen. Ich habe<lb/>
&#x017F;eit längerer Zeit &#x017F;chon die Ab&#x017F;icht, einen Mann<lb/>
in die&#x017F;e unwirthliche Gegend zu &#x017F;enden, der die<lb/>
Bewohner der&#x017F;elben ein wenig leite, ihnen mit<lb/>
redlichem Rathe bei&#x017F;tehe, und die Kinder in Le&#x017F;en<lb/>
und Schreiben unterrichte. Der Mann könnte &#x017F;ich<lb/>
gar &#x017F;ehr verdient machen. Es findet &#x017F;ich wahr-<lb/>
haftig &#x017F;o leicht Keiner dafür; es wäre denn Einer,<lb/>
der welt&#x017F;att in der Ein&#x017F;amkeit leben und doch für<lb/>
die Men&#x017F;chen wirken wolle. &#x2014; Erdmann, was<lb/>
meinen Sie dazu?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;en Worten i&#x017F;t mir jählings gewe&#x017F;en,<lb/>
als ob ich &#x017F;ogleich meine Hand hinhalten und<lb/>
&#x017F;agen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den<lb/>
Zu&#x017F;tänden die&#x017F;er alten Welt zerfallen, will ich in<lb/>
der Wildniß eine neue gründen. Eine neue Schule,<lb/>
eine neue Gemeine &#x2014; ein neues Leben. La&#x017F;&#x017F;et<lb/>
mich heute noch ziehen! &#x2014; So i&#x017F;t das Feuer doch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] zurückgezogen, oder unredlich geflüchtet haben, und die nun durch erlaubten oder unerlaubten Erwerb ihr Leben friſten. Wol wahr, es ſind finſtere Men- ſchen, in deren Herzen das Unglück oder noch was Aergeres nagt. Sie haben weder einen Prieſter, noch einen Arzt, noch einen Schullehrer in ihrer Nähe; ſie ſind ganz verlaſſen und abgeſondert, und nur auf ihre Unbeholfenheit und auf ihr eigenes ungezügeltes Weſen angewieſen. — Ich bin der Eigenthümer der Waldungen. Ich habe ſeit längerer Zeit ſchon die Abſicht, einen Mann in dieſe unwirthliche Gegend zu ſenden, der die Bewohner derſelben ein wenig leite, ihnen mit redlichem Rathe beiſtehe, und die Kinder in Leſen und Schreiben unterrichte. Der Mann könnte ſich gar ſehr verdient machen. Es findet ſich wahr- haftig ſo leicht Keiner dafür; es wäre denn Einer, der weltſatt in der Einſamkeit leben und doch für die Menſchen wirken wolle. — Erdmann, was meinen Sie dazu?“ Nach dieſen Worten iſt mir jählings geweſen, als ob ich ſogleich meine Hand hinhalten und ſagen müßte: Ich bin der Mann dazu. Mit den Zuſtänden dieſer alten Welt zerfallen, will ich in der Wildniß eine neue gründen. Eine neue Schule, eine neue Gemeine — ein neues Leben. Laſſet mich heute noch ziehen! — So iſt das Feuer doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/72
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/72>, abgerufen am 23.11.2024.