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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Handwerk und der Wissenschaft und dem Soldaten-
leben zugewendet; Armut, Wirrniß und Reue hast
du geärntet. Fremde Menschen haben dich gehegt
und gepflegt wie einen Sohn und Bruder; sie sind
dafür mißhandelt worden. Du bringst der Welt
und den Menschen nichts Gutes; Andreas, du
mußt in die tiefste Wildniß gehen und ein Ein-
siedler sein! --

Im Sachsenlande, unter den Balken einer
Windmühle hab' ich mir diese Wahrheiten gesagt.
Und darnach bin ich davon, bin geflohen durch das
Böhmen- und Oesterreicherland, bin nach vielen
Tagen in die Stadt Salzburg gekommen. Daß in
dieser Stadt mich armen, kranken, herabgekommenen
Teufel noch wer erkennen sollt', hab ich nicht ge-
fürchtet. Im Petershofe liegt mein Vater begraben,
den Hügel hab ich sehen wollen, ehe ich mir eine
Höhle suche in einer verlassenen Waldschlucht. Und
wie ich so auf der kalten gefrornen Erde liege,
und wieder einmal weinen kann aus tiefstem Her-
zen über mein noch so blutjunges und so unglück-
seliges Leben, da kommt ein Herr zwischen den
Gräbern gegangen, frägt nach meiner Kümmerniß
und schlägt die Hände zusammen. "Erdmann,"
ruft er aus, "Sie hier? und wie sehen Sie aus!
kaum vier Jahre davon und kaum mehr zu er-
kennen!"


Handwerk und der Wiſſenſchaft und dem Soldaten-
leben zugewendet; Armut, Wirrniß und Reue haſt
du geärntet. Fremde Menſchen haben dich gehegt
und gepflegt wie einen Sohn und Bruder; ſie ſind
dafür mißhandelt worden. Du bringſt der Welt
und den Menſchen nichts Gutes; Andreas, du
mußt in die tiefſte Wildniß gehen und ein Ein-
ſiedler ſein! —

Im Sachſenlande, unter den Balken einer
Windmühle hab’ ich mir dieſe Wahrheiten geſagt.
Und darnach bin ich davon, bin geflohen durch das
Böhmen- und Oeſterreicherland, bin nach vielen
Tagen in die Stadt Salzburg gekommen. Daß in
dieſer Stadt mich armen, kranken, herabgekommenen
Teufel noch wer erkennen ſollt’, hab ich nicht ge-
fürchtet. Im Petershofe liegt mein Vater begraben,
den Hügel hab ich ſehen wollen, ehe ich mir eine
Höhle ſuche in einer verlaſſenen Waldſchlucht. Und
wie ich ſo auf der kalten gefrornen Erde liege,
und wieder einmal weinen kann aus tiefſtem Her-
zen über mein noch ſo blutjunges und ſo unglück-
ſeliges Leben, da kommt ein Herr zwiſchen den
Gräbern gegangen, frägt nach meiner Kümmerniß
und ſchlägt die Hände zuſammen. „Erdmann,“
ruft er aus, „Sie hier? und wie ſehen Sie aus!
kaum vier Jahre davon und kaum mehr zu er-
kennen!“


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[59/0069] Handwerk und der Wiſſenſchaft und dem Soldaten- leben zugewendet; Armut, Wirrniß und Reue haſt du geärntet. Fremde Menſchen haben dich gehegt und gepflegt wie einen Sohn und Bruder; ſie ſind dafür mißhandelt worden. Du bringſt der Welt und den Menſchen nichts Gutes; Andreas, du mußt in die tiefſte Wildniß gehen und ein Ein- ſiedler ſein! — Im Sachſenlande, unter den Balken einer Windmühle hab’ ich mir dieſe Wahrheiten geſagt. Und darnach bin ich davon, bin geflohen durch das Böhmen- und Oeſterreicherland, bin nach vielen Tagen in die Stadt Salzburg gekommen. Daß in dieſer Stadt mich armen, kranken, herabgekommenen Teufel noch wer erkennen ſollt’, hab ich nicht ge- fürchtet. Im Petershofe liegt mein Vater begraben, den Hügel hab ich ſehen wollen, ehe ich mir eine Höhle ſuche in einer verlaſſenen Waldſchlucht. Und wie ich ſo auf der kalten gefrornen Erde liege, und wieder einmal weinen kann aus tiefſtem Her- zen über mein noch ſo blutjunges und ſo unglück- ſeliges Leben, da kommt ein Herr zwiſchen den Gräbern gegangen, frägt nach meiner Kümmerniß und ſchlägt die Hände zuſammen. „Erdmann,“ ruft er aus, „Sie hier? und wie ſehen Sie aus! kaum vier Jahre davon und kaum mehr zu er- kennen!“

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/69>, abgerufen am 23.11.2024.