So oft ich hinauf mag klettern, das Meer hab ich noch immer und immer nicht geschaut.
Man soll es sehen können, heißt es, aber an einem klaren Wintertag. -- Jetztund hab ich sonst nichts mehr zu wünschen, so will ich das Eine noch.
Bei meinem Herabsteigen habe ich einen Strauß von Alpenrosen, Edelweiß, Kohlröslein, Speik, Arnika und anderen Blumen und Pflanzen gesammelt, hab ihn vornehm auf meinen Hut ge- steckt, wie ein tollverliebter Bursch. Für wen trägst du den Buschen heim? -- Ich? für Weib und Kind. -- Hei, du verrückter Alter, du!
Aber, wenn ich weg von ihr bin, wie da oben auf der Alm, so sehe ich doch wieder, daß sie hold ist. -- Einen Alpenblumenstrauß wird sie von mir nehmen, ich will ja recht artig und nicht zudringlich sein. -- Hätt' ich nur eine einzige Ader von dem alten Rüppel, wie wollt' ich ein Lied her- sagen, das sich zum Strauß thät' schicken!
So meine Gedanken; es ist schrecklich, wie ich noch übermüthig bin.
Wie ich herabkomme zur Lauterhöhe, wo der Schirmtanner ein Kreuz hat setzen lassen und wo heute auf dem Waldanger des Holzmeisters Rinder grasen und lustig dabei schellen, setz' ich mich zur Rast unter einen Baum. Ich gucke auf einen arg-
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So oft ich hinauf mag klettern, das Meer hab ich noch immer und immer nicht geſchaut.
Man ſoll es ſehen können, heißt es, aber an einem klaren Wintertag. — Jetztund hab ich ſonſt nichts mehr zu wünſchen, ſo will ich das Eine noch.
Bei meinem Herabſteigen habe ich einen Strauß von Alpenroſen, Edelweiß, Kohlröslein, Speik, Arnika und anderen Blumen und Pflanzen geſammelt, hab ihn vornehm auf meinen Hut ge- ſteckt, wie ein tollverliebter Burſch. Für wen trägſt du den Buſchen heim? — Ich? für Weib und Kind. — Hei, du verrückter Alter, du!
Aber, wenn ich weg von ihr bin, wie da oben auf der Alm, ſo ſehe ich doch wieder, daß ſie hold iſt. — Einen Alpenblumenſtrauß wird ſie von mir nehmen, ich will ja recht artig und nicht zudringlich ſein. — Hätt’ ich nur eine einzige Ader von dem alten Rüppel, wie wollt’ ich ein Lied her- ſagen, das ſich zum Strauß thät’ ſchicken!
So meine Gedanken; es iſt ſchrecklich, wie ich noch übermüthig bin.
Wie ich herabkomme zur Lauterhöhe, wo der Schirmtanner ein Kreuz hat ſetzen laſſen und wo heute auf dem Waldanger des Holzmeiſters Rinder graſen und luſtig dabei ſchellen, ſetz’ ich mich zur Raſt unter einen Baum. Ich gucke auf einen arg-
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So oft ich hinauf mag klettern, das Meer hab ich
noch immer und immer nicht geſchaut.
Man ſoll es ſehen können, heißt es, aber
an einem klaren Wintertag. — Jetztund hab ich
ſonſt nichts mehr zu wünſchen, ſo will ich das
Eine noch.
Bei meinem Herabſteigen habe ich einen
Strauß von Alpenroſen, Edelweiß, Kohlröslein,
Speik, Arnika und anderen Blumen und Pflanzen
geſammelt, hab ihn vornehm auf meinen Hut ge-
ſteckt, wie ein tollverliebter Burſch. Für wen trägſt
du den Buſchen heim? — Ich? für Weib und
Kind. — Hei, du verrückter Alter, du!
Aber, wenn ich weg von ihr bin, wie da oben
auf der Alm, ſo ſehe ich doch wieder, daß ſie
hold iſt. — Einen Alpenblumenſtrauß wird ſie
von mir nehmen, ich will ja recht artig und nicht
zudringlich ſein. — Hätt’ ich nur eine einzige Ader
von dem alten Rüppel, wie wollt’ ich ein Lied her-
ſagen, das ſich zum Strauß thät’ ſchicken!
So meine Gedanken; es iſt ſchrecklich, wie ich
noch übermüthig bin.
Wie ich herabkomme zur Lauterhöhe, wo der
Schirmtanner ein Kreuz hat ſetzen laſſen und wo
heute auf dem Waldanger des Holzmeiſters Rinder
graſen und luſtig dabei ſchellen, ſetz’ ich mich zur
Raſt unter einen Baum. Ich gucke auf einen arg-
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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