Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Fährte ist. Ich habe nicht gewußt, wohin und was
der Mann will; er auch nicht. Ich habe gewaltige
Angst gehabt, daß wir für die Nacht kein Obdach
finden könnten, habe dem Herrn dieses Bedenken
mitgetheilt; er hat darüber eine helle Lache ge-
schlagen und ist weiter gestürmt.

Da ist mir jählings der Gedanke beigefallen:
Andreas, du wanderst mit einem Irren! -- Wäre
der graue Zahn vor mir niedergestürzt, sosehr hätte
mein Herz nicht erbebt, als in diesem Gedanken.

Ich habe gefleht und gewarnt, ich habe ihn
nicht zu halten vermocht; nur an Hängen ist er
stehen geblieben, hat einen Blick in den Abgrund
gethan, um sofort wieder weiter zu eilen. Alle
Glieder haben ihm gezittert, große Tropfen sind ihm
auf der Stirne gestanden, als er in der Abenddämme-
rung an einer Felsenquelle zusammengebrochen ist.

Ich habe in derselbigen Stunde meinem lieben
Gott Alles, Alles versprochen, wenn er uns ein
Obdach finden ließe. Er hat mich erhört. Unweit
der Quelle habe ich in der Kluft zweier Wände
eine Klause entdeckt, wie solche gerne von Gems-
jägern aufgerichtet und zum Schutze benützt werden.

Und unter diesem Dache, mitten in den
Schauern der Wildniß ist ein Feuer angemacht
und dem Freiherrn aus Moos und Strauchwerk
eine Ruhestätte bereitet worden.


Fährte iſt. Ich habe nicht gewußt, wohin und was
der Mann will; er auch nicht. Ich habe gewaltige
Angſt gehabt, daß wir für die Nacht kein Obdach
finden könnten, habe dem Herrn dieſes Bedenken
mitgetheilt; er hat darüber eine helle Lache ge-
ſchlagen und iſt weiter geſtürmt.

Da iſt mir jählings der Gedanke beigefallen:
Andreas, du wanderſt mit einem Irren! — Wäre
der graue Zahn vor mir niedergeſtürzt, ſoſehr hätte
mein Herz nicht erbebt, als in dieſem Gedanken.

Ich habe gefleht und gewarnt, ich habe ihn
nicht zu halten vermocht; nur an Hängen iſt er
ſtehen geblieben, hat einen Blick in den Abgrund
gethan, um ſofort wieder weiter zu eilen. Alle
Glieder haben ihm gezittert, große Tropfen ſind ihm
auf der Stirne geſtanden, als er in der Abenddämme-
rung an einer Felſenquelle zuſammengebrochen iſt.

Ich habe in derſelbigen Stunde meinem lieben
Gott Alles, Alles verſprochen, wenn er uns ein
Obdach finden ließe. Er hat mich erhört. Unweit
der Quelle habe ich in der Kluft zweier Wände
eine Klauſe entdeckt, wie ſolche gerne von Gems-
jägern aufgerichtet und zum Schutze benützt werden.

Und unter dieſem Dache, mitten in den
Schauern der Wildniß iſt ein Feuer angemacht
und dem Freiherrn aus Moos und Strauchwerk
eine Ruheſtätte bereitet worden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0410" n="400"/>
Fährte i&#x017F;t. Ich habe nicht gewußt, wohin und was<lb/>
der Mann will; er auch nicht. Ich habe gewaltige<lb/>
Ang&#x017F;t gehabt, daß wir für die Nacht kein Obdach<lb/>
finden könnten, habe dem Herrn die&#x017F;es Bedenken<lb/>
mitgetheilt; er hat darüber eine helle Lache ge-<lb/>
&#x017F;chlagen und i&#x017F;t weiter ge&#x017F;türmt.</p><lb/>
          <p>Da i&#x017F;t mir jählings der Gedanke beigefallen:<lb/>
Andreas, du wander&#x017F;t mit einem Irren! &#x2014; Wäre<lb/>
der graue Zahn vor mir niederge&#x017F;türzt, &#x017F;o&#x017F;ehr hätte<lb/>
mein Herz nicht erbebt, als in die&#x017F;em Gedanken.</p><lb/>
          <p>Ich habe gefleht und gewarnt, ich habe ihn<lb/>
nicht zu halten vermocht; nur an Hängen i&#x017F;t er<lb/>
&#x017F;tehen geblieben, hat einen Blick in den Abgrund<lb/>
gethan, um &#x017F;ofort wieder weiter zu eilen. Alle<lb/>
Glieder haben ihm gezittert, große Tropfen &#x017F;ind ihm<lb/>
auf der Stirne ge&#x017F;tanden, als er in der Abenddämme-<lb/>
rung an einer Fel&#x017F;enquelle zu&#x017F;ammengebrochen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Ich habe in der&#x017F;elbigen Stunde meinem lieben<lb/>
Gott Alles, Alles ver&#x017F;prochen, wenn er uns ein<lb/>
Obdach finden ließe. Er hat mich erhört. Unweit<lb/>
der Quelle habe ich in der Kluft zweier Wände<lb/>
eine Klau&#x017F;e entdeckt, wie &#x017F;olche gerne von Gems-<lb/>
jägern aufgerichtet und zum Schutze benützt werden.</p><lb/>
          <p>Und unter die&#x017F;em Dache, mitten in den<lb/>
Schauern der Wildniß i&#x017F;t ein Feuer angemacht<lb/>
und dem Freiherrn aus Moos und Strauchwerk<lb/>
eine Ruhe&#x017F;tätte bereitet worden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0410] Fährte iſt. Ich habe nicht gewußt, wohin und was der Mann will; er auch nicht. Ich habe gewaltige Angſt gehabt, daß wir für die Nacht kein Obdach finden könnten, habe dem Herrn dieſes Bedenken mitgetheilt; er hat darüber eine helle Lache ge- ſchlagen und iſt weiter geſtürmt. Da iſt mir jählings der Gedanke beigefallen: Andreas, du wanderſt mit einem Irren! — Wäre der graue Zahn vor mir niedergeſtürzt, ſoſehr hätte mein Herz nicht erbebt, als in dieſem Gedanken. Ich habe gefleht und gewarnt, ich habe ihn nicht zu halten vermocht; nur an Hängen iſt er ſtehen geblieben, hat einen Blick in den Abgrund gethan, um ſofort wieder weiter zu eilen. Alle Glieder haben ihm gezittert, große Tropfen ſind ihm auf der Stirne geſtanden, als er in der Abenddämme- rung an einer Felſenquelle zuſammengebrochen iſt. Ich habe in derſelbigen Stunde meinem lieben Gott Alles, Alles verſprochen, wenn er uns ein Obdach finden ließe. Er hat mich erhört. Unweit der Quelle habe ich in der Kluft zweier Wände eine Klauſe entdeckt, wie ſolche gerne von Gems- jägern aufgerichtet und zum Schutze benützt werden. Und unter dieſem Dache, mitten in den Schauern der Wildniß iſt ein Feuer angemacht und dem Freiherrn aus Moos und Strauchwerk eine Ruheſtätte bereitet worden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/410
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/410>, abgerufen am 24.11.2024.