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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Da richtet sich jählings der Kopf des Alten
wieder auf, anmutig zart gleiten seine Finger über
die Saiten aus Stroh; wie Schalkheit zuckt es in
seinen Zügen, und als wollte er seine frühere Rede
ergänzen, sagt er mit fast kecker Stimme: "Der
Hirtenknab', der junge Tropf, schüttelt ungläubig
seinen großen Kopf. Da langt ihm der Herr die
Hand hin zumal, und weist ihm sein heiliges
Wundenmal; just so fürwahr, und das Wundmal
ist groß, wie ein Groschenstück gar ...."

Ueberzeugend genug streckt der Greis die hohle
Hand aus, und Mancher legt richtig ein Wund-
mal hinein -- einen guten Pfennig oder ein
Groschenstück.

Der Alte bedankt sich gar fein; hat hierauf
die Hand über die Flammen gehalten, und die
Gaben sind in die Glut gefallen.

Dann ist er im Walde verschwunden.

Warum er die Geldstücke, die einzigen Gaben,
die er seit langer Zeit erhalten haben mag, in das
Feuer geworfen hat, das können wir uns nicht
erklären.

Der Graßsteiger hat den armen Mann suchen
lassen, um ihn für die Ostern an seinen Tisch zu
führen. Der Rüppel ist nicht gefunden worden.

So geht's immer tiefer in die Nacht; zum
großen Glück eine recht milde, warme Nacht, denn

Da richtet ſich jählings der Kopf des Alten
wieder auf, anmutig zart gleiten ſeine Finger über
die Saiten aus Stroh; wie Schalkheit zuckt es in
ſeinen Zügen, und als wollte er ſeine frühere Rede
ergänzen, ſagt er mit faſt kecker Stimme: „Der
Hirtenknab’, der junge Tropf, ſchüttelt ungläubig
ſeinen großen Kopf. Da langt ihm der Herr die
Hand hin zumal, und weiſt ihm ſein heiliges
Wundenmal; juſt ſo fürwahr, und das Wundmal
iſt groß, wie ein Groſchenſtück gar ....“

Ueberzeugend genug ſtreckt der Greis die hohle
Hand aus, und Mancher legt richtig ein Wund-
mal hinein — einen guten Pfennig oder ein
Groſchenſtück.

Der Alte bedankt ſich gar fein; hat hierauf
die Hand über die Flammen gehalten, und die
Gaben ſind in die Glut gefallen.

Dann iſt er im Walde verſchwunden.

Warum er die Geldſtücke, die einzigen Gaben,
die er ſeit langer Zeit erhalten haben mag, in das
Feuer geworfen hat, das können wir uns nicht
erklären.

Der Graßſteiger hat den armen Mann ſuchen
laſſen, um ihn für die Oſtern an ſeinen Tiſch zu
führen. Der Rüppel iſt nicht gefunden worden.

So geht’s immer tiefer in die Nacht; zum
großen Glück eine recht milde, warme Nacht, denn

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[379/0389] Da richtet ſich jählings der Kopf des Alten wieder auf, anmutig zart gleiten ſeine Finger über die Saiten aus Stroh; wie Schalkheit zuckt es in ſeinen Zügen, und als wollte er ſeine frühere Rede ergänzen, ſagt er mit faſt kecker Stimme: „Der Hirtenknab’, der junge Tropf, ſchüttelt ungläubig ſeinen großen Kopf. Da langt ihm der Herr die Hand hin zumal, und weiſt ihm ſein heiliges Wundenmal; juſt ſo fürwahr, und das Wundmal iſt groß, wie ein Groſchenſtück gar ....“ Ueberzeugend genug ſtreckt der Greis die hohle Hand aus, und Mancher legt richtig ein Wund- mal hinein — einen guten Pfennig oder ein Groſchenſtück. Der Alte bedankt ſich gar fein; hat hierauf die Hand über die Flammen gehalten, und die Gaben ſind in die Glut gefallen. Dann iſt er im Walde verſchwunden. Warum er die Geldſtücke, die einzigen Gaben, die er ſeit langer Zeit erhalten haben mag, in das Feuer geworfen hat, das können wir uns nicht erklären. Der Graßſteiger hat den armen Mann ſuchen laſſen, um ihn für die Oſtern an ſeinen Tiſch zu führen. Der Rüppel iſt nicht gefunden worden. So geht’s immer tiefer in die Nacht; zum großen Glück eine recht milde, warme Nacht, denn

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/389>, abgerufen am 25.11.2024.