Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Bartelmei plötzlich. Dann richtet er die Augen nach
der Spanflamme und flüstert: "Ja, Mädel, wo
steigst denn du daher heut' in der finstern Nacht?
Marian! Botschaft bringst mir? -- Botschaft?"

Immer höher richtet er sich auf, immer wieder-
holt er das Wort "Botschaft!" endlich sinkt er
zurück und schlummert.

Nach einer Weile schlägt er die Augen auf
und sagt mit matter Stimme: "Bin ich kindisch
gewesen, Schwester? Ein närrischer Traum! Es
steigt mir das Geblüt so auf. Ich verspür's, lang
wird's nimmer dauern; es kommt mir schon der
Brand zum Herzen. -- Ich muß euch behüt' Gott
sagen, allen miteinander. Hab' auf deine Kinder
Acht, Schwester, daß sie dir nicht in den Wald
laufen mit der Büchs. -- Für die Truhen ist der
Ehrenwald schon bezahlt. -- Und thut mich fleißig
waschen; will nicht als der kohlschwarze Ruß-
Bartelmei in den Himmel eingehen."

Als das Morgenroth durch die Fensterlein
schimmert, ist der Mann todt. Sie ziehen ihm sein
Sonntagsgewand an und legen ihn auf das Brett.
Seiner Schwester Kinder besprengen ihn mit Wasser
des Waldes.

Gestern haben wir ihn begraben.



Bartelmei plötzlich. Dann richtet er die Augen nach
der Spanflamme und flüſtert: „Ja, Mädel, wo
ſteigſt denn du daher heut’ in der finſtern Nacht?
Marian! Botſchaft bringſt mir? — Botſchaft?“

Immer höher richtet er ſich auf, immer wieder-
holt er das Wort „Botſchaft!“ endlich ſinkt er
zurück und ſchlummert.

Nach einer Weile ſchlägt er die Augen auf
und ſagt mit matter Stimme: „Bin ich kindiſch
geweſen, Schweſter? Ein närriſcher Traum! Es
ſteigt mir das Geblüt ſo auf. Ich verſpür’s, lang
wird’s nimmer dauern; es kommt mir ſchon der
Brand zum Herzen. — Ich muß euch behüt’ Gott
ſagen, allen miteinander. Hab’ auf deine Kinder
Acht, Schweſter, daß ſie dir nicht in den Wald
laufen mit der Büchs. — Für die Truhen iſt der
Ehrenwald ſchon bezahlt. — Und thut mich fleißig
waſchen; will nicht als der kohlſchwarze Ruß-
Bartelmei in den Himmel eingehen.“

Als das Morgenroth durch die Fenſterlein
ſchimmert, iſt der Mann todt. Sie ziehen ihm ſein
Sonntagsgewand an und legen ihn auf das Brett.
Seiner Schweſter Kinder beſprengen ihn mit Waſſer
des Waldes.

Geſtern haben wir ihn begraben.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0374" n="364"/>
Bartelmei plötzlich. Dann richtet er die Augen nach<lb/>
der Spanflamme und flü&#x017F;tert: &#x201E;Ja, Mädel, wo<lb/>
&#x017F;teig&#x017F;t denn du daher heut&#x2019; in der fin&#x017F;tern Nacht?<lb/>
Marian! Bot&#x017F;chaft bring&#x017F;t mir? &#x2014; Bot&#x017F;chaft?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Immer höher richtet er &#x017F;ich auf, immer wieder-<lb/>
holt er das Wort &#x201E;Bot&#x017F;chaft!&#x201C; endlich &#x017F;inkt er<lb/>
zurück und &#x017F;chlummert.</p><lb/>
          <p>Nach einer Weile &#x017F;chlägt er die Augen auf<lb/>
und &#x017F;agt mit matter Stimme: &#x201E;Bin ich kindi&#x017F;ch<lb/>
gewe&#x017F;en, Schwe&#x017F;ter? Ein närri&#x017F;cher Traum! Es<lb/>
&#x017F;teigt mir das Geblüt &#x017F;o auf. Ich ver&#x017F;pür&#x2019;s, lang<lb/>
wird&#x2019;s nimmer dauern; es kommt mir &#x017F;chon der<lb/>
Brand zum Herzen. &#x2014; Ich muß euch behüt&#x2019; Gott<lb/>
&#x017F;agen, allen miteinander. Hab&#x2019; auf deine Kinder<lb/>
Acht, Schwe&#x017F;ter, daß &#x017F;ie dir nicht in den Wald<lb/>
laufen mit der Büchs. &#x2014; Für die Truhen i&#x017F;t der<lb/>
Ehrenwald &#x017F;chon bezahlt. &#x2014; Und thut mich fleißig<lb/>
wa&#x017F;chen; will nicht als der kohl&#x017F;chwarze Ruß-<lb/>
Bartelmei in den Himmel eingehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Als das Morgenroth durch die Fen&#x017F;terlein<lb/>
&#x017F;chimmert, i&#x017F;t der Mann todt. Sie ziehen ihm &#x017F;ein<lb/>
Sonntagsgewand an und legen ihn auf das Brett.<lb/>
Seiner Schwe&#x017F;ter Kinder be&#x017F;prengen ihn mit Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
des Waldes.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern haben wir ihn begraben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0374] Bartelmei plötzlich. Dann richtet er die Augen nach der Spanflamme und flüſtert: „Ja, Mädel, wo ſteigſt denn du daher heut’ in der finſtern Nacht? Marian! Botſchaft bringſt mir? — Botſchaft?“ Immer höher richtet er ſich auf, immer wieder- holt er das Wort „Botſchaft!“ endlich ſinkt er zurück und ſchlummert. Nach einer Weile ſchlägt er die Augen auf und ſagt mit matter Stimme: „Bin ich kindiſch geweſen, Schweſter? Ein närriſcher Traum! Es ſteigt mir das Geblüt ſo auf. Ich verſpür’s, lang wird’s nimmer dauern; es kommt mir ſchon der Brand zum Herzen. — Ich muß euch behüt’ Gott ſagen, allen miteinander. Hab’ auf deine Kinder Acht, Schweſter, daß ſie dir nicht in den Wald laufen mit der Büchs. — Für die Truhen iſt der Ehrenwald ſchon bezahlt. — Und thut mich fleißig waſchen; will nicht als der kohlſchwarze Ruß- Bartelmei in den Himmel eingehen.“ Als das Morgenroth durch die Fenſterlein ſchimmert, iſt der Mann todt. Sie ziehen ihm ſein Sonntagsgewand an und legen ihn auf das Brett. Seiner Schweſter Kinder beſprengen ihn mit Waſſer des Waldes. Geſtern haben wir ihn begraben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/374
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/374>, abgerufen am 22.11.2024.