Meinetwegen? Nein, nein, mein Segen be- deutet ja nichts. O Herrgott, Dein ist die Macht, und mich lasse nicht noch einmal versinken in Schuld und Verzweiflung!
Ist also ein Wilderer geworden, der Berthold. Das Holzen wirft viel zu wenig ab für eine Stube voll von Kindern. Ich schicke ihm an Lebens- mitteln, was ich vermag; aber das genügt nicht. Für das kranke Weib eine kräftige Suppe, für die Kinder ein Stück Fleisch will er haben und schießt die Rehe nieder, die ihm des Weges kommen. Dazu thut die Leidenschaft das ihre, und so ist der Berthold, der vormaleinst als Hirt ein so guter, lustiger Bursch gewesen, durch Armuth, Trotz und Liebe zu den Seinigen, recht sauber zum Verbrecher herangewachsen.
Einmal schon bin ich vor dem Förster auf den Knieen gelegen, daß er es dem armen Familien- vater um Gotteswillen ein wenig, nur ein klein wenig nachsehen möge, er werde sich gewiß bessern und ich wolle mich für ihn zum Pfande stellen. Bis zu diesen Tagen hat er sich nicht gebessert; aber das Geschehniß dieser wilden Wintertage hat ihn laut weinen gemacht, denn seine Waldlilie liebt er über Alles.
Ein trüber Winterabend ist es gewesen. Die Fensterchen sind mit Moos vermauert; draußen
Meinetwegen? Nein, nein, mein Segen be- deutet ja nichts. O Herrgott, Dein iſt die Macht, und mich laſſe nicht noch einmal verſinken in Schuld und Verzweiflung!
Iſt alſo ein Wilderer geworden, der Berthold. Das Holzen wirft viel zu wenig ab für eine Stube voll von Kindern. Ich ſchicke ihm an Lebens- mitteln, was ich vermag; aber das genügt nicht. Für das kranke Weib eine kräftige Suppe, für die Kinder ein Stück Fleiſch will er haben und ſchießt die Rehe nieder, die ihm des Weges kommen. Dazu thut die Leidenſchaft das ihre, und ſo iſt der Berthold, der vormaleinſt als Hirt ein ſo guter, luſtiger Burſch geweſen, durch Armuth, Trotz und Liebe zu den Seinigen, recht ſauber zum Verbrecher herangewachſen.
Einmal ſchon bin ich vor dem Förſter auf den Knieen gelegen, daß er es dem armen Familien- vater um Gotteswillen ein wenig, nur ein klein wenig nachſehen möge, er werde ſich gewiß beſſern und ich wolle mich für ihn zum Pfande ſtellen. Bis zu dieſen Tagen hat er ſich nicht gebeſſert; aber das Geſchehniß dieſer wilden Wintertage hat ihn laut weinen gemacht, denn ſeine Waldlilie liebt er über Alles.
Ein trüber Winterabend iſt es geweſen. Die Fenſterchen ſind mit Moos vermauert; draußen
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Meinetwegen? Nein, nein, mein Segen be-
deutet ja nichts. O Herrgott, Dein iſt die Macht,
und mich laſſe nicht noch einmal verſinken in
Schuld und Verzweiflung!
Iſt alſo ein Wilderer geworden, der Berthold.
Das Holzen wirft viel zu wenig ab für eine
Stube voll von Kindern. Ich ſchicke ihm an Lebens-
mitteln, was ich vermag; aber das genügt nicht.
Für das kranke Weib eine kräftige Suppe, für die
Kinder ein Stück Fleiſch will er haben und ſchießt
die Rehe nieder, die ihm des Weges kommen.
Dazu thut die Leidenſchaft das ihre, und ſo iſt der
Berthold, der vormaleinſt als Hirt ein ſo guter,
luſtiger Burſch geweſen, durch Armuth, Trotz und
Liebe zu den Seinigen, recht ſauber zum Verbrecher
herangewachſen.
Einmal ſchon bin ich vor dem Förſter auf den
Knieen gelegen, daß er es dem armen Familien-
vater um Gotteswillen ein wenig, nur ein klein
wenig nachſehen möge, er werde ſich gewiß beſſern
und ich wolle mich für ihn zum Pfande ſtellen.
Bis zu dieſen Tagen hat er ſich nicht gebeſſert;
aber das Geſchehniß dieſer wilden Wintertage hat
ihn laut weinen gemacht, denn ſeine Waldlilie liebt
er über Alles.
Ein trüber Winterabend iſt es geweſen. Die
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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