missionären zugetheilt. Kaum kann ich meine Ge- burtsstadt und das Grab meines Vaters besuchen, ehe ich fort muß in das Gebirge. Mit drei Ge- nossen wandere ich von Gegend zu Gegend, um in bestimmten Pfarrkirchen sogenannte Missionen abzu- halten. Das ist ein fast so schwieriges Wander- leben, wie jenes in Indien gewesen. Aber in diesen Verhältnissen muß unsere Priesterschaft eine ganz neue Seite hervorkehren. Bei hohen, mächtigen Herren sind wir die Heiteren, Geschmeidigen, Duld- samen gewesen; bei den wilden Völkern die Apostel der Cultur, die strengen aber liebevollen Lehrer des Christusglaubens. Hier aber, bei dem verknö- cherten, trägen, leichtsinnigen und noch dazu durch neue Grundsätze verdorbenen Landvolke müssen wir erscheinen als ernste Warner, als gewaltige Richter der Sünde. Mit Gott und Himmel und Liebe richtet man bei solchen Leuten nichts aus, damit hat der Ortsseelsorger sich abgemüht genug. Wir predigen von Teufel und Hölle und ewigen Peinen.
Anfangs, da kommen sie mit Uebermuth und Neugierde zur Kirche herein, um die Wanderprediger zu sehen; aber als sie die dumpfen Worte von der Noth der Seelen, von der Gefahr des irdischen Lebens, von der drangvollen Sterbstunde und von dem schrecklichen Gericht des Gerechten hören, da heben sie an zu erbleichen. Bald liegen sie zerknirscht
miſſionären zugetheilt. Kaum kann ich meine Ge- burtsſtadt und das Grab meines Vaters beſuchen, ehe ich fort muß in das Gebirge. Mit drei Ge- noſſen wandere ich von Gegend zu Gegend, um in beſtimmten Pfarrkirchen ſogenannte Miſſionen abzu- halten. Das iſt ein faſt ſo ſchwieriges Wander- leben, wie jenes in Indien geweſen. Aber in dieſen Verhältniſſen muß unſere Prieſterſchaft eine ganz neue Seite hervorkehren. Bei hohen, mächtigen Herren ſind wir die Heiteren, Geſchmeidigen, Duld- ſamen geweſen; bei den wilden Völkern die Apoſtel der Cultur, die ſtrengen aber liebevollen Lehrer des Chriſtusglaubens. Hier aber, bei dem verknö- cherten, trägen, leichtſinnigen und noch dazu durch neue Grundſätze verdorbenen Landvolke müſſen wir erſcheinen als ernſte Warner, als gewaltige Richter der Sünde. Mit Gott und Himmel und Liebe richtet man bei ſolchen Leuten nichts aus, damit hat der Ortsſeelſorger ſich abgemüht genug. Wir predigen von Teufel und Hölle und ewigen Peinen.
Anfangs, da kommen ſie mit Uebermuth und Neugierde zur Kirche herein, um die Wanderprediger zu ſehen; aber als ſie die dumpfen Worte von der Noth der Seelen, von der Gefahr des irdiſchen Lebens, von der drangvollen Sterbſtunde und von dem ſchrecklichen Gericht des Gerechten hören, da heben ſie an zu erbleichen. Bald liegen ſie zerknirſcht
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miſſionären zugetheilt. Kaum kann ich meine Ge-
burtsſtadt und das Grab meines Vaters beſuchen,
ehe ich fort muß in das Gebirge. Mit drei Ge-
noſſen wandere ich von Gegend zu Gegend, um in
beſtimmten Pfarrkirchen ſogenannte Miſſionen abzu-
halten. Das iſt ein faſt ſo ſchwieriges Wander-
leben, wie jenes in Indien geweſen. Aber in dieſen
Verhältniſſen muß unſere Prieſterſchaft eine ganz
neue Seite hervorkehren. Bei hohen, mächtigen
Herren ſind wir die Heiteren, Geſchmeidigen, Duld-
ſamen geweſen; bei den wilden Völkern die Apoſtel
der Cultur, die ſtrengen aber liebevollen Lehrer
des Chriſtusglaubens. Hier aber, bei dem verknö-
cherten, trägen, leichtſinnigen und noch dazu durch
neue Grundſätze verdorbenen Landvolke müſſen wir
erſcheinen als ernſte Warner, als gewaltige Richter
der Sünde. Mit Gott und Himmel und Liebe richtet
man bei ſolchen Leuten nichts aus, damit hat der
Ortsſeelſorger ſich abgemüht genug. Wir predigen
von Teufel und Hölle und ewigen Peinen.
Anfangs, da kommen ſie mit Uebermuth und
Neugierde zur Kirche herein, um die Wanderprediger
zu ſehen; aber als ſie die dumpfen Worte von der
Noth der Seelen, von der Gefahr des irdiſchen
Lebens, von der drangvollen Sterbſtunde und von
dem ſchrecklichen Gericht des Gerechten hören, da
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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