ich an meinem Hofmeister, der stets um mich ist als Lehrer und Gesellschafter, und der mich sehr lieb hat. Er ist Priester und gehört dem Orden der Gesellschaft Jesu an. Er ist ein mildfreund- licher, heiterer Mann und sehr fromm und gut. Oft, wenn er in unserer Hauskirche die Messe ge- lesen, hat er ein verklärtes Antlitz gehabt, wie der heilige Franz Xaver auf dem Altare. Ich erinnere mich noch, daß er mir einmal vertraut hat, wie er bei der Messe oft in Seligkeit schwebe, denn da habe er wiederholt Eingebungen, daß ich, sein lieber junger Freund, zu großen, göttlichen Dingen erkoren sei. Daraus habe ich seine außerordentliche Liebe zu mir wahrgenommen.
Und nun soll ich eines Tages diesen meinen einzigen Freund verlieren. Da ist zur selben Zeit ein arges Gesetz herausgekommen und in den Ländern regt sich die Verfolgung gegen den Orden der Ge- sellschaft Jesu. Mein guter Hofmeister muß fort, bitterlich weint er, als er von mir Abschied nimmt. Aber in einem Zustande der Erleuchtung spricht er die Zuversicht aus, daß wir nach überstandener Trübsal uns wieder sehen würden.
Und siehe, das priesterliche Wort ist über alles Erwarten schnell in Erfüllung gegangen. Nach we- nigen Monaten schon ist mein Erzieher wieder im Hause. Er ist aus dem Jesuitenorden getreten;
ich an meinem Hofmeiſter, der ſtets um mich iſt als Lehrer und Geſellſchafter, und der mich ſehr lieb hat. Er iſt Prieſter und gehört dem Orden der Geſellſchaft Jeſu an. Er iſt ein mildfreund- licher, heiterer Mann und ſehr fromm und gut. Oft, wenn er in unſerer Hauskirche die Meſſe ge- leſen, hat er ein verklärtes Antlitz gehabt, wie der heilige Franz Xaver auf dem Altare. Ich erinnere mich noch, daß er mir einmal vertraut hat, wie er bei der Meſſe oft in Seligkeit ſchwebe, denn da habe er wiederholt Eingebungen, daß ich, ſein lieber junger Freund, zu großen, göttlichen Dingen erkoren ſei. Daraus habe ich ſeine außerordentliche Liebe zu mir wahrgenommen.
Und nun ſoll ich eines Tages dieſen meinen einzigen Freund verlieren. Da iſt zur ſelben Zeit ein arges Geſetz herausgekommen und in den Ländern regt ſich die Verfolgung gegen den Orden der Ge- ſellſchaft Jeſu. Mein guter Hofmeiſter muß fort, bitterlich weint er, als er von mir Abſchied nimmt. Aber in einem Zuſtande der Erleuchtung ſpricht er die Zuverſicht aus, daß wir nach überſtandener Trübſal uns wieder ſehen würden.
Und ſiehe, das prieſterliche Wort iſt über alles Erwarten ſchnell in Erfüllung gegangen. Nach we- nigen Monaten ſchon iſt mein Erzieher wieder im Hauſe. Er iſt aus dem Jeſuitenorden getreten;
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ich an meinem Hofmeiſter, der ſtets um mich iſt
als Lehrer und Geſellſchafter, und der mich ſehr
lieb hat. Er iſt Prieſter und gehört dem Orden
der Geſellſchaft Jeſu an. Er iſt ein mildfreund-
licher, heiterer Mann und ſehr fromm und gut.
Oft, wenn er in unſerer Hauskirche die Meſſe ge-
leſen, hat er ein verklärtes Antlitz gehabt, wie der
heilige Franz Xaver auf dem Altare. Ich erinnere
mich noch, daß er mir einmal vertraut hat, wie er
bei der Meſſe oft in Seligkeit ſchwebe, denn da
habe er wiederholt Eingebungen, daß ich, ſein lieber
junger Freund, zu großen, göttlichen Dingen erkoren
ſei. Daraus habe ich ſeine außerordentliche Liebe zu
mir wahrgenommen.
Und nun ſoll ich eines Tages dieſen meinen
einzigen Freund verlieren. Da iſt zur ſelben Zeit ein
arges Geſetz herausgekommen und in den Ländern
regt ſich die Verfolgung gegen den Orden der Ge-
ſellſchaft Jeſu. Mein guter Hofmeiſter muß fort,
bitterlich weint er, als er von mir Abſchied nimmt.
Aber in einem Zuſtande der Erleuchtung ſpricht er
die Zuverſicht aus, daß wir nach überſtandener
Trübſal uns wieder ſehen würden.
Und ſiehe, das prieſterliche Wort iſt über alles
Erwarten ſchnell in Erfüllung gegangen. Nach we-
nigen Monaten ſchon iſt mein Erzieher wieder im
Hauſe. Er iſt aus dem Jeſuitenorden getreten;
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/277>, abgerufen am 25.11.2024.
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