Ich weiß wol, ihr versteht Priesteramt zu vertreten; so seid mein Beichtvater und erlöset mich von einem Geheimniß, von dem ich nicht weiß, ist es eine schwarze Taube oder ein weißer Rabe. -- Wenn es aber wäre, daß ihr mich nicht solltet be- greifen können . . . ."
Er hat eingehalten; in seinem Blick ist etwas wie Mißtrauen gelegen.
Ich versetze hierauf, daß ich ihn nach nichts fragen wolle, als nach der Ursache seines Gebah- rens am Altare unserer Kirche.
"Da fragt ihr mich ja nach Allem!" ruft er mühsam lachend aus; "da fragt ihr mich nach meinem Lebenslauf, nach meinem Seelenweh, nach meinem Teufel und nach meinem Gott. -- Gut, gut, kommt nur her und setzet euch zu mir auf diesen Stamm. Besser schickt sich keine Stätte für meine Antwort, als eine aus Vernichtung gebaute. So setzet euch auf diese Rune!"
Mir wird schier unheimlich. Im Tann ist es still, daß man das Aechzen des Geästes vernehmen kann; oben aber fliegt das Gewölke dahin von einem Gewände zum andern.
Ich setze mich neben den Mann, in dessen Augen und Worten aber vielmehr Kraft liegt, als man in dem gebückten, sich schwerschleppenden Ein- spanig hätte vermuthen können.
Ich weiß wol, ihr verſteht Prieſteramt zu vertreten; ſo ſeid mein Beichtvater und erlöſet mich von einem Geheimniß, von dem ich nicht weiß, iſt es eine ſchwarze Taube oder ein weißer Rabe. — Wenn es aber wäre, daß ihr mich nicht ſolltet be- greifen können . . . .“
Er hat eingehalten; in ſeinem Blick iſt etwas wie Mißtrauen gelegen.
Ich verſetze hierauf, daß ich ihn nach nichts fragen wolle, als nach der Urſache ſeines Gebah- rens am Altare unſerer Kirche.
„Da fragt ihr mich ja nach Allem!“ ruft er mühſam lachend aus; „da fragt ihr mich nach meinem Lebenslauf, nach meinem Seelenweh, nach meinem Teufel und nach meinem Gott. — Gut, gut, kommt nur her und ſetzet euch zu mir auf dieſen Stamm. Beſſer ſchickt ſich keine Stätte für meine Antwort, als eine aus Vernichtung gebaute. So ſetzet euch auf dieſe Rune!“
Mir wird ſchier unheimlich. Im Tann iſt es ſtill, daß man das Aechzen des Geäſtes vernehmen kann; oben aber fliegt das Gewölke dahin von einem Gewände zum andern.
Ich ſetze mich neben den Mann, in deſſen Augen und Worten aber vielmehr Kraft liegt, als man in dem gebückten, ſich ſchwerſchleppenden Ein- ſpanig hätte vermuthen können.
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Ich weiß wol, ihr verſteht Prieſteramt zu vertreten;
ſo ſeid mein Beichtvater und erlöſet mich von
einem Geheimniß, von dem ich nicht weiß, iſt es
eine ſchwarze Taube oder ein weißer Rabe. —
Wenn es aber wäre, daß ihr mich nicht ſolltet be-
greifen können . . . .“
Er hat eingehalten; in ſeinem Blick iſt etwas
wie Mißtrauen gelegen.
Ich verſetze hierauf, daß ich ihn nach nichts
fragen wolle, als nach der Urſache ſeines Gebah-
rens am Altare unſerer Kirche.
„Da fragt ihr mich ja nach Allem!“ ruft er
mühſam lachend aus; „da fragt ihr mich nach
meinem Lebenslauf, nach meinem Seelenweh, nach
meinem Teufel und nach meinem Gott. — Gut,
gut, kommt nur her und ſetzet euch zu mir auf
dieſen Stamm. Beſſer ſchickt ſich keine Stätte für
meine Antwort, als eine aus Vernichtung gebaute.
So ſetzet euch auf dieſe Rune!“
Mir wird ſchier unheimlich. Im Tann iſt es
ſtill, daß man das Aechzen des Geäſtes vernehmen
kann; oben aber fliegt das Gewölke dahin von
einem Gewände zum andern.
Ich ſetze mich neben den Mann, in deſſen
Augen und Worten aber vielmehr Kraft liegt, als
man in dem gebückten, ſich ſchwerſchleppenden Ein-
ſpanig hätte vermuthen können.
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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