Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Die vordersten Fenster in der Kirche, zwischen
welchen der Altar kommt, sind mir nicht ganz recht.
Die Scheiben sind so hell, und das thut mir zu-
weilen im Auge weh. Und es schaut die Waldlehne
und der Holzschlag herein. Ei, das wäre was Rechtes
für den Sonntagsbeter, da thät' er im Gedanken
allfort Holz hacken, statt seine arme Seele demüthig
dem lieben Gott vorzuführen, und er thät' die ge-
schlagenen Stämme zählen und die Stöcke und die
Reisighaufen und solche Dinge, um deren Anzahl
er sich sonst die ganze Woche nicht kümmert. Da
muß das Gebet schon wie ein Blutquell aus dem
Herzen strömen, wenn der Gedanke dabei nicht durch-
zugehen trachtet, und so muß man die Kirche wie
eine Burg bewahren, daß der Sonntag nicht hinaus
und der Werktag nicht herein kann.

Die beiden Fenster müssen mit Glasmalereien
versehen werden, und das will ich besorgen. Ich
habe mir rothes, gelbes, blaues und grünes Papier
kommen lassen und arbeite nun schon seit Tagen
als Bildschnitzer bei verschlossenen Thüren.

Ueber den Kirchenheiligen sind die Leute noch
nicht einig geworden. Aber ich habe darüber meine
Gedanken. Stellen wir gar keinen auf. "Leute,"
hab ich gesagt, "stellen wir gar keinen auf. Jeder
soll sich den seinen denken nach Belieben. Die Hei-
ligen sind unsichtbar und im Himmel; wir könnten

Die vorderſten Fenſter in der Kirche, zwiſchen
welchen der Altar kommt, ſind mir nicht ganz recht.
Die Scheiben ſind ſo hell, und das thut mir zu-
weilen im Auge weh. Und es ſchaut die Waldlehne
und der Holzſchlag herein. Ei, das wäre was Rechtes
für den Sonntagsbeter, da thät’ er im Gedanken
allfort Holz hacken, ſtatt ſeine arme Seele demüthig
dem lieben Gott vorzuführen, und er thät’ die ge-
ſchlagenen Stämme zählen und die Stöcke und die
Reiſighaufen und ſolche Dinge, um deren Anzahl
er ſich ſonſt die ganze Woche nicht kümmert. Da
muß das Gebet ſchon wie ein Blutquell aus dem
Herzen ſtrömen, wenn der Gedanke dabei nicht durch-
zugehen trachtet, und ſo muß man die Kirche wie
eine Burg bewahren, daß der Sonntag nicht hinaus
und der Werktag nicht herein kann.

Die beiden Fenſter müſſen mit Glasmalereien
verſehen werden, und das will ich beſorgen. Ich
habe mir rothes, gelbes, blaues und grünes Papier
kommen laſſen und arbeite nun ſchon ſeit Tagen
als Bildſchnitzer bei verſchloſſenen Thüren.

Ueber den Kirchenheiligen ſind die Leute noch
nicht einig geworden. Aber ich habe darüber meine
Gedanken. Stellen wir gar keinen auf. „Leute,“
hab ich geſagt, „ſtellen wir gar keinen auf. Jeder
ſoll ſich den ſeinen denken nach Belieben. Die Hei-
ligen ſind unſichtbar und im Himmel; wir könnten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0240" n="230"/>
          <p>Die vorder&#x017F;ten Fen&#x017F;ter in der Kirche, zwi&#x017F;chen<lb/>
welchen der Altar kommt, &#x017F;ind mir nicht ganz recht.<lb/>
Die Scheiben &#x017F;ind &#x017F;o hell, und das thut mir zu-<lb/>
weilen im Auge weh. Und es &#x017F;chaut die Waldlehne<lb/>
und der Holz&#x017F;chlag herein. Ei, das wäre was Rechtes<lb/>
für den Sonntagsbeter, da thät&#x2019; er im Gedanken<lb/>
allfort Holz hacken, &#x017F;tatt &#x017F;eine arme Seele demüthig<lb/>
dem lieben Gott vorzuführen, und er thät&#x2019; die ge-<lb/>
&#x017F;chlagenen Stämme zählen und die Stöcke und die<lb/>
Rei&#x017F;ighaufen und &#x017F;olche Dinge, um deren Anzahl<lb/>
er &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t die ganze Woche nicht kümmert. Da<lb/>
muß das Gebet &#x017F;chon wie ein Blutquell aus dem<lb/>
Herzen &#x017F;trömen, wenn der Gedanke dabei nicht durch-<lb/>
zugehen trachtet, und &#x017F;o muß man die Kirche wie<lb/>
eine Burg bewahren, daß der Sonntag nicht hinaus<lb/>
und der Werktag nicht herein kann.</p><lb/>
          <p>Die beiden Fen&#x017F;ter mü&#x017F;&#x017F;en mit Glasmalereien<lb/>
ver&#x017F;ehen werden, und das will ich be&#x017F;orgen. Ich<lb/>
habe mir rothes, gelbes, blaues und grünes Papier<lb/>
kommen la&#x017F;&#x017F;en und arbeite nun &#x017F;chon &#x017F;eit Tagen<lb/>
als Bild&#x017F;chnitzer bei ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Thüren.</p><lb/>
          <p>Ueber den Kirchenheiligen &#x017F;ind die Leute noch<lb/>
nicht einig geworden. Aber ich habe darüber meine<lb/>
Gedanken. Stellen wir gar keinen auf. &#x201E;Leute,&#x201C;<lb/>
hab ich ge&#x017F;agt, &#x201E;&#x017F;tellen wir gar keinen auf. Jeder<lb/>
&#x017F;oll &#x017F;ich den &#x017F;einen denken nach Belieben. Die Hei-<lb/>
ligen &#x017F;ind un&#x017F;ichtbar und im Himmel; wir könnten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0240] Die vorderſten Fenſter in der Kirche, zwiſchen welchen der Altar kommt, ſind mir nicht ganz recht. Die Scheiben ſind ſo hell, und das thut mir zu- weilen im Auge weh. Und es ſchaut die Waldlehne und der Holzſchlag herein. Ei, das wäre was Rechtes für den Sonntagsbeter, da thät’ er im Gedanken allfort Holz hacken, ſtatt ſeine arme Seele demüthig dem lieben Gott vorzuführen, und er thät’ die ge- ſchlagenen Stämme zählen und die Stöcke und die Reiſighaufen und ſolche Dinge, um deren Anzahl er ſich ſonſt die ganze Woche nicht kümmert. Da muß das Gebet ſchon wie ein Blutquell aus dem Herzen ſtrömen, wenn der Gedanke dabei nicht durch- zugehen trachtet, und ſo muß man die Kirche wie eine Burg bewahren, daß der Sonntag nicht hinaus und der Werktag nicht herein kann. Die beiden Fenſter müſſen mit Glasmalereien verſehen werden, und das will ich beſorgen. Ich habe mir rothes, gelbes, blaues und grünes Papier kommen laſſen und arbeite nun ſchon ſeit Tagen als Bildſchnitzer bei verſchloſſenen Thüren. Ueber den Kirchenheiligen ſind die Leute noch nicht einig geworden. Aber ich habe darüber meine Gedanken. Stellen wir gar keinen auf. „Leute,“ hab ich geſagt, „ſtellen wir gar keinen auf. Jeder ſoll ſich den ſeinen denken nach Belieben. Die Hei- ligen ſind unſichtbar und im Himmel; wir könnten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/240
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/240>, abgerufen am 08.05.2024.