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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Er brach ab, man merkte es, wie er sich Gewalt
anthat, gelassen zu bleiben; er zog sich schier krampf-
haft zusammen, aber er blieb stehen mitten in der
Stube.

"Freilich, freilich, die Branntweinbrenner haben
den Alten nicht leiden mögen," sagte einer der Köhler.
Dann zu mir gewendet: "Bester Herr, Der hat's
gut gemeint! Gott tröst' seine arme Seel! -- Hat
noch die Orgel gespielt in der heiligen Nacht, aber
in der Christtagsfrüh ist kein Gebetläuten gewesen.
Den Reiter Peter, -- das ist halt unser Musikant
-- hat' er in der Nacht noch angeredet, daß der
sollt' die Musik für den Christtag übernehmen; --
das ist sein letzt' Wort gewesen, und weg ist der
Schulmeister. -- Du heiliger Antoni, was haben
wir den alten Mann nicht gesucht. Spüren hat
man ihn nicht können, der Schnee ist weit und breit,
und gar im Wald drin, steinhart gewesen; hat Jeden
tragen, so weit er hat wollen gehen. Ganz Winkel-
steg ist auf gewesen, ist alle Wälder abgegangen und
alle Straßen draußen im Land --."

Der Mann schwieg; ein Achselzucken und eine
Handbewegung deuteten an, sie hätten den Schul-
meister nicht gefunden.

Der Wirth wendete sich wieder langsam gegen
den Tisch und sagte fast traurig: "Und so haben
wir Winkelsteger halt keinen Schulmeister. Ich für

Er brach ab, man merkte es, wie er ſich Gewalt
anthat, gelaſſen zu bleiben; er zog ſich ſchier krampf-
haft zuſammen, aber er blieb ſtehen mitten in der
Stube.

„Freilich, freilich, die Branntweinbrenner haben
den Alten nicht leiden mögen,“ ſagte einer der Köhler.
Dann zu mir gewendet: „Beſter Herr, Der hat’s
gut gemeint! Gott tröſt’ ſeine arme Seel! — Hat
noch die Orgel geſpielt in der heiligen Nacht, aber
in der Chriſttagsfrüh iſt kein Gebetläuten geweſen.
Den Reiter Peter, — das iſt halt unſer Muſikant
— hat’ er in der Nacht noch angeredet, daß der
ſollt’ die Muſik für den Chriſttag übernehmen; —
das iſt ſein letzt’ Wort geweſen, und weg iſt der
Schulmeiſter. — Du heiliger Antoni, was haben
wir den alten Mann nicht geſucht. Spüren hat
man ihn nicht können, der Schnee iſt weit und breit,
und gar im Wald drin, ſteinhart geweſen; hat Jeden
tragen, ſo weit er hat wollen gehen. Ganz Winkel-
ſteg iſt auf geweſen, iſt alle Wälder abgegangen und
alle Straßen draußen im Land —.“

Der Mann ſchwieg; ein Achſelzucken und eine
Handbewegung deuteten an, ſie hätten den Schul-
meiſter nicht gefunden.

Der Wirth wendete ſich wieder langſam gegen
den Tiſch und ſagte faſt traurig: „Und ſo haben
wir Winkelſteger halt keinen Schulmeiſter. Ich für

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[12/0022] Er brach ab, man merkte es, wie er ſich Gewalt anthat, gelaſſen zu bleiben; er zog ſich ſchier krampf- haft zuſammen, aber er blieb ſtehen mitten in der Stube. „Freilich, freilich, die Branntweinbrenner haben den Alten nicht leiden mögen,“ ſagte einer der Köhler. Dann zu mir gewendet: „Beſter Herr, Der hat’s gut gemeint! Gott tröſt’ ſeine arme Seel! — Hat noch die Orgel geſpielt in der heiligen Nacht, aber in der Chriſttagsfrüh iſt kein Gebetläuten geweſen. Den Reiter Peter, — das iſt halt unſer Muſikant — hat’ er in der Nacht noch angeredet, daß der ſollt’ die Muſik für den Chriſttag übernehmen; — das iſt ſein letzt’ Wort geweſen, und weg iſt der Schulmeiſter. — Du heiliger Antoni, was haben wir den alten Mann nicht geſucht. Spüren hat man ihn nicht können, der Schnee iſt weit und breit, und gar im Wald drin, ſteinhart geweſen; hat Jeden tragen, ſo weit er hat wollen gehen. Ganz Winkel- ſteg iſt auf geweſen, iſt alle Wälder abgegangen und alle Straßen draußen im Land —.“ Der Mann ſchwieg; ein Achſelzucken und eine Handbewegung deuteten an, ſie hätten den Schul- meiſter nicht gefunden. Der Wirth wendete ſich wieder langſam gegen den Tiſch und ſagte faſt traurig: „Und ſo haben wir Winkelſteger halt keinen Schulmeiſter. Ich für

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/22>, abgerufen am 28.03.2024.