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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Menschen sind wie Lehmkugeln; ein Anstoß, und
sie rollen eine Weile fort. Weiter kommen sie selbst,
nur geleitet müssen sie werden, daß sie einem und
demselben Ziele zustreben. Glieder sind genug, aber
spröde und unschmiegsam selbander. Wenn nur erst
die Kirche fertig ist, daß die Gemeinde ein Herz
hat; dann machen wir uns an den Kopf und bauen
das Schulhaus.



Im Herbste 1816.

In einer der letzten Wochen bin ich mit einem
Papierbogen zu allen Hütten des Waldes herum-
gegangen. Da habe ich die Hausväter nach dem
Stande ihrer Wirthschaft, nach der Zahl ihrer
Familie, nach den Geburtsjahren und Namen der
Leutchen gefragt. Das Geburtsjahr kann zumeist
nur nach Geschehnissen und Zeitumständen angege-
ben werden. -- Der ist geboren im Sommer, in
welchem das große Wasser gewesen; Die ist zur
Welt gekommen in demselbigen Winter, als man
Strohbrot hat essen müssen. Solche Ereignisse sind
hochragende Marksteine.

Das Namensverzeichniß wird nicht gar zu
mannigfaltig. Die Bewohner männlicher Art heißen
Hannes oder Sepp, oder Berthold, oder Toni oder
Mathes; die Leute weiblicher Gattung sind Kathrein
benamset, oder Maria, welch letzter Name in Mini,

Menſchen ſind wie Lehmkugeln; ein Anſtoß, und
ſie rollen eine Weile fort. Weiter kommen ſie ſelbſt,
nur geleitet müſſen ſie werden, daß ſie einem und
demſelben Ziele zuſtreben. Glieder ſind genug, aber
ſpröde und unſchmiegſam ſelbander. Wenn nur erſt
die Kirche fertig iſt, daß die Gemeinde ein Herz
hat; dann machen wir uns an den Kopf und bauen
das Schulhaus.



Im Herbſte 1816.

In einer der letzten Wochen bin ich mit einem
Papierbogen zu allen Hütten des Waldes herum-
gegangen. Da habe ich die Hausväter nach dem
Stande ihrer Wirthſchaft, nach der Zahl ihrer
Familie, nach den Geburtsjahren und Namen der
Leutchen gefragt. Das Geburtsjahr kann zumeiſt
nur nach Geſchehniſſen und Zeitumſtänden angege-
ben werden. — Der iſt geboren im Sommer, in
welchem das große Waſſer geweſen; Die iſt zur
Welt gekommen in demſelbigen Winter, als man
Strohbrot hat eſſen müſſen. Solche Ereigniſſe ſind
hochragende Markſteine.

Das Namensverzeichniß wird nicht gar zu
mannigfaltig. Die Bewohner männlicher Art heißen
Hannes oder Sepp, oder Berthold, oder Toni oder
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[187/0197] Menſchen ſind wie Lehmkugeln; ein Anſtoß, und ſie rollen eine Weile fort. Weiter kommen ſie ſelbſt, nur geleitet müſſen ſie werden, daß ſie einem und demſelben Ziele zuſtreben. Glieder ſind genug, aber ſpröde und unſchmiegſam ſelbander. Wenn nur erſt die Kirche fertig iſt, daß die Gemeinde ein Herz hat; dann machen wir uns an den Kopf und bauen das Schulhaus. Im Herbſte 1816. In einer der letzten Wochen bin ich mit einem Papierbogen zu allen Hütten des Waldes herum- gegangen. Da habe ich die Hausväter nach dem Stande ihrer Wirthſchaft, nach der Zahl ihrer Familie, nach den Geburtsjahren und Namen der Leutchen gefragt. Das Geburtsjahr kann zumeiſt nur nach Geſchehniſſen und Zeitumſtänden angege- ben werden. — Der iſt geboren im Sommer, in welchem das große Waſſer geweſen; Die iſt zur Welt gekommen in demſelbigen Winter, als man Strohbrot hat eſſen müſſen. Solche Ereigniſſe ſind hochragende Markſteine. Das Namensverzeichniß wird nicht gar zu mannigfaltig. Die Bewohner männlicher Art heißen Hannes oder Sepp, oder Berthold, oder Toni oder Mathes; die Leute weiblicher Gattung ſind Kathrein benamſet, oder Maria, welch letzter Name in Mini,

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/197>, abgerufen am 04.05.2024.