Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

1815.

Vor mehreren Jahrhunderten sollen in der
Gegend der Winkelwässer Menschen gewohnt haben
die sich von Getreidebau, Viehzucht und Jagd ernährt.
-- Die Winkel ist fürsorglich eingedämmt, an ihren
Ufern hin grünen gepflegte Wiesen und ein Fahr-
weg führt hinaus zu den vorderen Gegenden. An
den Bergen grünen Felder. -- So soll es gewesen
sein. Unweit von dem Platze, wo jetzt das Holz-
meisterhaus steht, zeigt ein Mauerrest die Stätte,
wo eine Kirche gestanden haben soll. Zwar geht die
Meinung, es sei keine Kirche gewesen, sondern ein
Götzentempel, in welchem sie noch dem Woutan
Meth zugetrunken und Thiere geopfert, so oft
der Vollmondschein durch die Blätter der Linden
gerieselt. Zur selben alten Zeit sei jedes Jahr ein
schneeweißer Rabe niedergeflogen von den Alpen-
wüsten, und diesem habe man Korn auf die Steine
gestreut, der Vogel habe das Korn aufgepickt und
hierauf sei er wieder von dannen geflogen. Einmal

Rosegger: Waldschulmeister. 12

1815.

Vor mehreren Jahrhunderten ſollen in der
Gegend der Winkelwäſſer Menſchen gewohnt haben
die ſich von Getreidebau, Viehzucht und Jagd ernährt.
— Die Winkel iſt fürſorglich eingedämmt, an ihren
Ufern hin grünen gepflegte Wieſen und ein Fahr-
weg führt hinaus zu den vorderen Gegenden. An
den Bergen grünen Felder. — So ſoll es geweſen
ſein. Unweit von dem Platze, wo jetzt das Holz-
meiſterhaus ſteht, zeigt ein Mauerreſt die Stätte,
wo eine Kirche geſtanden haben ſoll. Zwar geht die
Meinung, es ſei keine Kirche geweſen, ſondern ein
Götzentempel, in welchem ſie noch dem Woutan
Meth zugetrunken und Thiere geopfert, ſo oft
der Vollmondſchein durch die Blätter der Linden
gerieſelt. Zur ſelben alten Zeit ſei jedes Jahr ein
ſchneeweißer Rabe niedergeflogen von den Alpen-
wüſten, und dieſem habe man Korn auf die Steine
geſtreut, der Vogel habe das Korn aufgepickt und
hierauf ſei er wieder von dannen geflogen. Einmal

Roſegger: Waldſchulmeiſter. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0187" n="177"/>
        <p>
          <date> <hi rendition="#et">1815.</hi> </date>
        </p><lb/>
        <p>Vor mehreren Jahrhunderten &#x017F;ollen in der<lb/>
Gegend der Winkelwä&#x017F;&#x017F;er Men&#x017F;chen gewohnt haben<lb/>
die &#x017F;ich von Getreidebau, Viehzucht und Jagd ernährt.<lb/>
&#x2014; Die Winkel i&#x017F;t für&#x017F;orglich eingedämmt, an ihren<lb/>
Ufern hin grünen gepflegte Wie&#x017F;en und ein Fahr-<lb/>
weg führt hinaus zu den vorderen Gegenden. An<lb/>
den Bergen grünen Felder. &#x2014; So &#x017F;oll es gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ein. Unweit von dem Platze, wo jetzt das Holz-<lb/>
mei&#x017F;terhaus &#x017F;teht, zeigt ein Mauerre&#x017F;t die Stätte,<lb/>
wo eine Kirche ge&#x017F;tanden haben &#x017F;oll. Zwar geht die<lb/>
Meinung, es &#x017F;ei keine Kirche gewe&#x017F;en, &#x017F;ondern ein<lb/>
Götzentempel, in welchem &#x017F;ie noch dem Woutan<lb/>
Meth zugetrunken und Thiere geopfert, &#x017F;o oft<lb/>
der Vollmond&#x017F;chein durch die Blätter der Linden<lb/>
gerie&#x017F;elt. Zur &#x017F;elben alten Zeit &#x017F;ei jedes Jahr ein<lb/>
&#x017F;chneeweißer Rabe niedergeflogen von den Alpen-<lb/>&#x017F;ten, und die&#x017F;em habe man Korn auf die Steine<lb/>
ge&#x017F;treut, der Vogel habe das Korn aufgepickt und<lb/>
hierauf &#x017F;ei er wieder von dannen geflogen. Einmal<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ro&#x017F;egger: Wald&#x017F;chulmei&#x017F;ter. 12</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0187] 1815. Vor mehreren Jahrhunderten ſollen in der Gegend der Winkelwäſſer Menſchen gewohnt haben die ſich von Getreidebau, Viehzucht und Jagd ernährt. — Die Winkel iſt fürſorglich eingedämmt, an ihren Ufern hin grünen gepflegte Wieſen und ein Fahr- weg führt hinaus zu den vorderen Gegenden. An den Bergen grünen Felder. — So ſoll es geweſen ſein. Unweit von dem Platze, wo jetzt das Holz- meiſterhaus ſteht, zeigt ein Mauerreſt die Stätte, wo eine Kirche geſtanden haben ſoll. Zwar geht die Meinung, es ſei keine Kirche geweſen, ſondern ein Götzentempel, in welchem ſie noch dem Woutan Meth zugetrunken und Thiere geopfert, ſo oft der Vollmondſchein durch die Blätter der Linden gerieſelt. Zur ſelben alten Zeit ſei jedes Jahr ein ſchneeweißer Rabe niedergeflogen von den Alpen- wüſten, und dieſem habe man Korn auf die Steine geſtreut, der Vogel habe das Korn aufgepickt und hierauf ſei er wieder von dannen geflogen. Einmal Roſegger: Waldſchulmeiſter. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/187
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/187>, abgerufen am 04.05.2024.