Der Holzhauer weiß freilich nichts von der Schönheit der Wildniß. Dem Holzhauer ist der Wald nichts, als ein feindlicher Vorwart, dem er Brot und Leben abringen muß mit dem blitzenden Beile. Und wie ist das ein langes Tagwerk von der Morgenfrühe bis zur Abenddämmer, eine ein- zige Ruhestunde nur zu Mittag. Während der Waldteufel sein eigener Herr ist, so ist der Holz- hauer der Herren Knecht. -- Was die Nahrung anbelangt, so ist der Holzschläger ein Geschöpf, das sich von Pflanzen nährt; außer er wäre ein tüchtiger Wilderer und ließe sich nicht erwischen. Doch schwelgt er in der Einbildung und nennt seine Mehlnocken gerne nach den Thieren des Waldes. So genießt er zum Frühstück, zum Mittagsmahle, zum Abendbrot nichts als Hirschen, Füchse, Spatzen, und wie er seine Mehlnudeln schon tauft. -- Mich hat ein junger Mann eines Freitags zu einem "Hirschen" eingeladen. Ei, denke ich, der hält den Fasttag nicht, das ist sicher der Evangelischen Einer, die von den Bauernkriegen her in den Alpen zurückgeblieben sein sollen. Aber jene "Hirschen" sind harmlose Mehlküchlein gewesen.
Achtzehn Groschen Arbeitslohn des Tages, das ist schon eine gute Zeit; mancher Wäldler hat sich davon ein Häuschen, Weib und Kind und eine Ziege angeschafft. Das ist dann ein eigener Herd,
Der Holzhauer weiß freilich nichts von der Schönheit der Wildniß. Dem Holzhauer iſt der Wald nichts, als ein feindlicher Vorwart, dem er Brot und Leben abringen muß mit dem blitzenden Beile. Und wie iſt das ein langes Tagwerk von der Morgenfrühe bis zur Abenddämmer, eine ein- zige Ruheſtunde nur zu Mittag. Während der Waldteufel ſein eigener Herr iſt, ſo iſt der Holz- hauer der Herren Knecht. — Was die Nahrung anbelangt, ſo iſt der Holzſchläger ein Geſchöpf, das ſich von Pflanzen nährt; außer er wäre ein tüchtiger Wilderer und ließe ſich nicht erwiſchen. Doch ſchwelgt er in der Einbildung und nennt ſeine Mehlnocken gerne nach den Thieren des Waldes. So genießt er zum Frühſtück, zum Mittagsmahle, zum Abendbrot nichts als Hirſchen, Füchſe, Spatzen, und wie er ſeine Mehlnudeln ſchon tauft. — Mich hat ein junger Mann eines Freitags zu einem „Hirſchen“ eingeladen. Ei, denke ich, der hält den Faſttag nicht, das iſt ſicher der Evangeliſchen Einer, die von den Bauernkriegen her in den Alpen zurückgeblieben ſein ſollen. Aber jene „Hirſchen“ ſind harmloſe Mehlküchlein geweſen.
Achtzehn Groſchen Arbeitslohn des Tages, das iſt ſchon eine gute Zeit; mancher Wäldler hat ſich davon ein Häuschen, Weib und Kind und eine Ziege angeſchafft. Das iſt dann ein eigener Herd,
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Der Holzhauer weiß freilich nichts von der
Schönheit der Wildniß. Dem Holzhauer iſt der
Wald nichts, als ein feindlicher Vorwart, dem er
Brot und Leben abringen muß mit dem blitzenden
Beile. Und wie iſt das ein langes Tagwerk von
der Morgenfrühe bis zur Abenddämmer, eine ein-
zige Ruheſtunde nur zu Mittag. Während der
Waldteufel ſein eigener Herr iſt, ſo iſt der Holz-
hauer der Herren Knecht. — Was die Nahrung
anbelangt, ſo iſt der Holzſchläger ein Geſchöpf,
das ſich von Pflanzen nährt; außer er wäre ein
tüchtiger Wilderer und ließe ſich nicht erwiſchen.
Doch ſchwelgt er in der Einbildung und nennt
ſeine Mehlnocken gerne nach den Thieren des
Waldes. So genießt er zum Frühſtück, zum
Mittagsmahle, zum Abendbrot nichts als Hirſchen,
Füchſe, Spatzen, und wie er ſeine Mehlnudeln
ſchon tauft. — Mich hat ein junger Mann eines
Freitags zu einem „Hirſchen“ eingeladen. Ei, denke
ich, der hält den Faſttag nicht, das iſt ſicher der
Evangeliſchen Einer, die von den Bauernkriegen her
in den Alpen zurückgeblieben ſein ſollen. Aber jene
„Hirſchen“ ſind harmloſe Mehlküchlein geweſen.
Achtzehn Groſchen Arbeitslohn des Tages, das
iſt ſchon eine gute Zeit; mancher Wäldler hat ſich
davon ein Häuschen, Weib und Kind und eine
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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