Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

most gestellt hatte. Fast lechzend, zitternd griff er
nach dem Glase, führte es zum Mund und that
einen langen Zug. Dann hielt er starren Auges ein
bischen inne, dann setzte er wieder an und leerte
das Glas bis auf den letzten Tropfen. Das mußte
ein fürchterlicher Durst gewesen sein. Langsam sank
die Hand mit dem leeren Gefäße nieder; tief auf-
athmend glotzte der Wirth vor sich hin.

So verging die Zeit, bis die Wirthin zu mir
kam und sagte: "Wir haben ein gutes Bett, da oben
auf dem Boden; aber ich sag's dem Herrn fein
g'rad heraus, der Wind hat heut ein par Dach-
schindeln davongetragen und da thut's ein kleinwenig
durchtröpfeln. Im Schulhaus oben wär' wol ein
rechtschaffen bequemes Stübelein, weil es für den
neuen Lehrer schon eingerichtet ist; und fein zum
Heizen wär's auch, und wir haben den Schlüssel,
weil mein Alter Richter ist und auf das Schulhaus
zu schauen hat. Jetzt, wenn sonst der Herr nicht
gerade ungern im Schulhaus schläft, so thät ich schon
dazu rathen. Ei beileib', es ist nicht unheimlich,
gar nicht; es ist fein still und fein sauber. Mich
däucht, das ganze Jahr wollt' ich darin wohnen."

So zog ich das Schulhaus dem Dachboden vor.
Und nicht lange nachher geleitete mich ein Küchen-
mädchen mit der Laterne hinaus in die stockfinstere
regnerische Nacht, das Dörfchen entlang, an der

moſt geſtellt hatte. Faſt lechzend, zitternd griff er
nach dem Glaſe, führte es zum Mund und that
einen langen Zug. Dann hielt er ſtarren Auges ein
bischen inne, dann ſetzte er wieder an und leerte
das Glas bis auf den letzten Tropfen. Das mußte
ein fürchterlicher Durſt geweſen ſein. Langſam ſank
die Hand mit dem leeren Gefäße nieder; tief auf-
athmend glotzte der Wirth vor ſich hin.

So verging die Zeit, bis die Wirthin zu mir
kam und ſagte: „Wir haben ein gutes Bett, da oben
auf dem Boden; aber ich ſag’s dem Herrn fein
g’rad heraus, der Wind hat heut ein par Dach-
ſchindeln davongetragen und da thut’s ein kleinwenig
durchtröpfeln. Im Schulhaus oben wär’ wol ein
rechtſchaffen bequemes Stübelein, weil es für den
neuen Lehrer ſchon eingerichtet iſt; und fein zum
Heizen wär’s auch, und wir haben den Schlüſſel,
weil mein Alter Richter iſt und auf das Schulhaus
zu ſchauen hat. Jetzt, wenn ſonſt der Herr nicht
gerade ungern im Schulhaus ſchläft, ſo thät ich ſchon
dazu rathen. Ei beileib’, es iſt nicht unheimlich,
gar nicht; es iſt fein ſtill und fein ſauber. Mich
däucht, das ganze Jahr wollt’ ich darin wohnen.“

So zog ich das Schulhaus dem Dachboden vor.
Und nicht lange nachher geleitete mich ein Küchen-
mädchen mit der Laterne hinaus in die ſtockfinſtere
regneriſche Nacht, das Dörfchen entlang, an der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="15"/>
mo&#x017F;t ge&#x017F;tellt hatte. Fa&#x017F;t lechzend, zitternd griff er<lb/>
nach dem Gla&#x017F;e, führte es zum Mund und that<lb/>
einen langen Zug. Dann hielt er &#x017F;tarren Auges ein<lb/>
bischen inne, dann &#x017F;etzte er wieder an und leerte<lb/>
das Glas bis auf den letzten Tropfen. Das mußte<lb/>
ein fürchterlicher Dur&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;ein. Lang&#x017F;am &#x017F;ank<lb/>
die Hand mit dem leeren Gefäße nieder; tief auf-<lb/>
athmend glotzte der Wirth vor &#x017F;ich hin.</p><lb/>
        <p>So verging die Zeit, bis die Wirthin zu mir<lb/>
kam und &#x017F;agte: &#x201E;Wir haben ein gutes Bett, da oben<lb/>
auf dem Boden; aber ich &#x017F;ag&#x2019;s dem Herrn fein<lb/>
g&#x2019;rad heraus, der Wind hat heut ein par Dach-<lb/>
&#x017F;chindeln davongetragen und da thut&#x2019;s ein kleinwenig<lb/>
durchtröpfeln. Im Schulhaus oben wär&#x2019; wol ein<lb/>
recht&#x017F;chaffen bequemes Stübelein, weil es für den<lb/>
neuen Lehrer &#x017F;chon eingerichtet i&#x017F;t; und fein zum<lb/>
Heizen wär&#x2019;s auch, und wir haben den Schlü&#x017F;&#x017F;el,<lb/>
weil mein Alter Richter i&#x017F;t und auf das Schulhaus<lb/>
zu &#x017F;chauen hat. Jetzt, wenn &#x017F;on&#x017F;t der Herr nicht<lb/>
gerade ungern im Schulhaus &#x017F;chläft, &#x017F;o thät ich &#x017F;chon<lb/>
dazu rathen. Ei beileib&#x2019;, es i&#x017F;t nicht unheimlich,<lb/>
gar nicht; es i&#x017F;t fein &#x017F;till und fein &#x017F;auber. Mich<lb/>
däucht, das ganze Jahr wollt&#x2019; ich darin wohnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>So zog ich das Schulhaus dem Dachboden vor.<lb/>
Und nicht lange nachher geleitete mich ein Küchen-<lb/>
mädchen mit der Laterne hinaus in die &#x017F;tockfin&#x017F;tere<lb/>
regneri&#x017F;che Nacht, das Dörfchen entlang, an der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] moſt geſtellt hatte. Faſt lechzend, zitternd griff er nach dem Glaſe, führte es zum Mund und that einen langen Zug. Dann hielt er ſtarren Auges ein bischen inne, dann ſetzte er wieder an und leerte das Glas bis auf den letzten Tropfen. Das mußte ein fürchterlicher Durſt geweſen ſein. Langſam ſank die Hand mit dem leeren Gefäße nieder; tief auf- athmend glotzte der Wirth vor ſich hin. So verging die Zeit, bis die Wirthin zu mir kam und ſagte: „Wir haben ein gutes Bett, da oben auf dem Boden; aber ich ſag’s dem Herrn fein g’rad heraus, der Wind hat heut ein par Dach- ſchindeln davongetragen und da thut’s ein kleinwenig durchtröpfeln. Im Schulhaus oben wär’ wol ein rechtſchaffen bequemes Stübelein, weil es für den neuen Lehrer ſchon eingerichtet iſt; und fein zum Heizen wär’s auch, und wir haben den Schlüſſel, weil mein Alter Richter iſt und auf das Schulhaus zu ſchauen hat. Jetzt, wenn ſonſt der Herr nicht gerade ungern im Schulhaus ſchläft, ſo thät ich ſchon dazu rathen. Ei beileib’, es iſt nicht unheimlich, gar nicht; es iſt fein ſtill und fein ſauber. Mich däucht, das ganze Jahr wollt’ ich darin wohnen.“ So zog ich das Schulhaus dem Dachboden vor. Und nicht lange nachher geleitete mich ein Küchen- mädchen mit der Laterne hinaus in die ſtockfinſtere regneriſche Nacht, das Dörfchen entlang, an der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/25
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/25>, abgerufen am 29.12.2024.