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Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837.

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chen am besten findet, gewöhnlich unmittelbar am Ufer, N002
wo der durch die Wellen bespülte Sand mehr Festig- N003
keit gewährt. In der Mitte der Landzunge zieht sich N004
ein fast ununterbrochener Dünenzug hin, der die Aus- N005
sicht auf die Dörfer und grösstentheils auch auf das N006
Haff verbirgt. Da nun auch die Postillone, wenn sie N007
in der Nähe der Stations-Dörfer angekommen sind, N008
auszuspannen, mit den Pferden allein in die Dörfer zu N009
reiten und die neuen Postillone mit den Pferden heraus- N010
zuschicken pflegen, um nicht nöthig zu haben den Dü- N011
nenzug zweimal zu überfahren, so bekommt man auf N012
diese Weise die Dörfer gar nicht zu Gesicht.

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Erst spät am Abend waren wir auf der Spitze N002
der Nehrung, Memel gegenüber angekommen, als wir N003
zu unserm Bedauern sahen, dass das Haff mitten im N004
Eisgange begriffen und die Ueberfahrt nach Memel jetzt N005
unmöglich sei. Wir mussten also in dem einzelnen N006
Wirthshause, welches sich hier befindet und der Sand- N007
krug heisst, den Eisgang abwarten.

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Der Eisgang wurde aber den folgenden Tag nur N002
um so stärker und nahm von da an erst ab, so dass N003
wir zwei volle Tage vergeblich auf die Ueberfahrt war- N004
ten mussten. Die Strömung, die, wie schon aus der N005
Gestalt der Nehrung hervorgeht, gewöhnlich an dem N006
östlichen Ufer am stärksten ist, hatte sich ganz auf das N007
diesseitige westliche Ufer hingezogen; in der schmalen N008
Meerenge zusammengedrängt, unterwühlen die Eis- N009
massen das steile, wohl 60-80 Fuss hohe Sandufer, N010
so dass dieses beständig zusammenstürzte. Schon vor N011
unserer Ankunft war ein bedeutendes Stück des Ufers N012
fortgerissen, die Einstürze nahmen am 20sten vor un- N013
sern Augen immer zu, der Wirth des Sandkruges war N014
deshalb genöthigt, eine Windmühle, die er nicht mehr N015
für sicher hielt, abzubrechen; am 21sten war von der N016
Stelle, wo sie gestanden hatte, schon nichts mehr zu N017
sehen, und als wir am Morgen des 22sten den Sand- N018
krug verliessen, war man beschäftigt, noch ein zweites

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chen am besten findet, gewöhnlich unmittelbar am Ufer, N002
wo der durch die Wellen bespülte Sand mehr Festig- N003
keit gewährt. In der Mitte der Landzunge zieht sich N004
ein fast ununterbrochener Dünenzug hin, der die Aus- N005
sicht auf die Dörfer und grösstentheils auch auf das N006
Haff verbirgt. Da nun auch die Postillone, wenn sie N007
in der Nähe der Stations-Dörfer angekommen sind, N008
auszuspannen, mit den Pferden allein in die Dörfer zu N009
reiten und die neuen Postillone mit den Pferden heraus- N010
zuschicken pflegen, um nicht nöthig zu haben den Dü- N011
nenzug zweimal zu überfahren, so bekommt man auf N012
diese Weise die Dörfer gar nicht zu Gesicht.

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Erst spät am Abend waren wir auf der Spitze N002
der Nehrung, Memel gegenüber angekommen, als wir N003
zu unserm Bedauern sahen, dass das Haff mitten im N004
Eisgange begriffen und die Ueberfahrt nach Memel jetzt N005
unmöglich sei. Wir mussten also in dem einzelnen N006
Wirthshause, welches sich hier befindet und der Sand- N007
krug heisst, den Eisgang abwarten.

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Der Eisgang wurde aber den folgenden Tag nur N002
um so stärker und nahm von da an erst ab, so dass N003
wir zwei volle Tage vergeblich auf die Ueberfahrt war- N004
ten mussten. Die Strömung, die, wie schon aus der N005
Gestalt der Nehrung hervorgeht, gewöhnlich an dem N006
östlichen Ufer am stärksten ist, hatte sich ganz auf das N007
diesseitige westliche Ufer hingezogen; in der schmalen N008
Meerenge zusammengedrängt, unterwühlen die Eis- N009
massen das steile, wohl 60-80 Fuss hohe Sandufer, N010
so dass dieses beständig zusammenstürzte. Schon vor N011
unserer Ankunft war ein bedeutendes Stück des Ufers N012
fortgerissen, die Einstürze nahmen am 20sten vor un- N013
sern Augen immer zu, der Wirth des Sandkruges war N014
deshalb genöthigt, eine Windmühle, die er nicht mehr N015
für sicher hielt, abzubrechen; am 21sten war von der N016
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[11/0045] N001 chen am besten findet, gewöhnlich unmittelbar am Ufer, N002 wo der durch die Wellen bespülte Sand mehr Festig- N003 keit gewährt. In der Mitte der Landzunge zieht sich N004 ein fast ununterbrochener Dünenzug hin, der die Aus- N005 sicht auf die Dörfer und grösstentheils auch auf das N006 Haff verbirgt. Da nun auch die Postillone, wenn sie N007 in der Nähe der Stations-Dörfer angekommen sind, N008 auszuspannen, mit den Pferden allein in die Dörfer zu N009 reiten und die neuen Postillone mit den Pferden heraus- N010 zuschicken pflegen, um nicht nöthig zu haben den Dü- N011 nenzug zweimal zu überfahren, so bekommt man auf N012 diese Weise die Dörfer gar nicht zu Gesicht. N001 Erst spät am Abend waren wir auf der Spitze N002 der Nehrung, Memel gegenüber angekommen, als wir N003 zu unserm Bedauern sahen, dass das Haff mitten im N004 Eisgange begriffen und die Ueberfahrt nach Memel jetzt N005 unmöglich sei. Wir mussten also in dem einzelnen N006 Wirthshause, welches sich hier befindet und der Sand- N007 krug heisst, den Eisgang abwarten. N001 Der Eisgang wurde aber den folgenden Tag nur N002 um so stärker und nahm von da an erst ab, so dass N003 wir zwei volle Tage vergeblich auf die Ueberfahrt war- N004 ten mussten. Die Strömung, die, wie schon aus der N005 Gestalt der Nehrung hervorgeht, gewöhnlich an dem N006 östlichen Ufer am stärksten ist, hatte sich ganz auf das N007 diesseitige westliche Ufer hingezogen; in der schmalen N008 Meerenge zusammengedrängt, unterwühlen die Eis- N009 massen das steile, wohl 60-80 Fuss hohe Sandufer, N010 so dass dieses beständig zusammenstürzte. Schon vor N011 unserer Ankunft war ein bedeutendes Stück des Ufers N012 fortgerissen, die Einstürze nahmen am 20sten vor un- N013 sern Augen immer zu, der Wirth des Sandkruges war N014 deshalb genöthigt, eine Windmühle, die er nicht mehr N015 für sicher hielt, abzubrechen; am 21sten war von der N016 Stelle, wo sie gestanden hatte, schon nichts mehr zu N017 sehen, und als wir am Morgen des 22sten den Sand- N018 krug verliessen, war man beschäftigt, noch ein zweites

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Zitationshilfe: Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 1. Berlin, 1837, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural01_1837/45>, abgerufen am 20.04.2024.