Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf, denn es lag mir am Tage, daß er bereits beschlossen hatte, einen bestimmten Zweck zu verfolgen. War mir schon gestern sein Spielen mit einer halben Neigung unangenehm gewesen, so hielt ich es heut, da ich von Franzens Liebe gehört hatte, für meine Pflicht, meinem leichtfertigen Reisegefährten entgegenzuarbeiten. Was ich dabei zu thun hätte, wußte ich mir freilich selbst noch nicht zu sagen. Das Nöthigste schien mir, Victor nicht allein mit Marien zu lassen, sondern ihm meine unwillkommene Gesellschaft bei ihr aufzudrängen. Kascha wurde sichtlich beruhigt, als ich ihr die Absicht aussprach, ebenfalls nach der Lindenkaupe zu fahren. Ich beschleunigte mein Frühstück, sprang in den Kahn und steuerte dem Walde entgegen. 6. Die Lindenkaupe. Eine Kaupe wird im Spreewald ein Gehöft genannt, welches sich inmitten von feuchtem Wiesenmoor auf einer Dafe festen Dammlandes angesiedelt hat. Diese Kaupen, durch den ganzen Wald zerstreut und immer zu einem näher oder ferner liegenden Dorfe gehörig, erheben sich mit ihrem Grunde ein wenig über das tiefe Wiesenland und bilden in ihrer Nettigkeit und prangenden Wohlhabenheit einen neuen Anziehungspunkt für das landschaftliche Auge. Die auf, denn es lag mir am Tage, daß er bereits beschlossen hatte, einen bestimmten Zweck zu verfolgen. War mir schon gestern sein Spielen mit einer halben Neigung unangenehm gewesen, so hielt ich es heut, da ich von Franzens Liebe gehört hatte, für meine Pflicht, meinem leichtfertigen Reisegefährten entgegenzuarbeiten. Was ich dabei zu thun hätte, wußte ich mir freilich selbst noch nicht zu sagen. Das Nöthigste schien mir, Victor nicht allein mit Marien zu lassen, sondern ihm meine unwillkommene Gesellschaft bei ihr aufzudrängen. Kascha wurde sichtlich beruhigt, als ich ihr die Absicht aussprach, ebenfalls nach der Lindenkaupe zu fahren. Ich beschleunigte mein Frühstück, sprang in den Kahn und steuerte dem Walde entgegen. 6. Die Lindenkaupe. Eine Kaupe wird im Spreewald ein Gehöft genannt, welches sich inmitten von feuchtem Wiesenmoor auf einer Dafe festen Dammlandes angesiedelt hat. Diese Kaupen, durch den ganzen Wald zerstreut und immer zu einem näher oder ferner liegenden Dorfe gehörig, erheben sich mit ihrem Grunde ein wenig über das tiefe Wiesenland und bilden in ihrer Nettigkeit und prangenden Wohlhabenheit einen neuen Anziehungspunkt für das landschaftliche Auge. Die <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0057"/> auf, denn es lag mir am Tage, daß er bereits beschlossen hatte, einen bestimmten Zweck zu verfolgen. War mir schon gestern sein Spielen mit einer halben Neigung unangenehm gewesen, so hielt ich es heut, da ich von Franzens Liebe gehört hatte, für meine Pflicht, meinem leichtfertigen Reisegefährten entgegenzuarbeiten. Was ich dabei zu thun hätte, wußte ich mir freilich selbst noch nicht zu sagen. Das Nöthigste schien mir, Victor nicht allein mit Marien zu lassen, sondern ihm meine unwillkommene Gesellschaft bei ihr aufzudrängen. Kascha wurde sichtlich beruhigt, als ich ihr die Absicht aussprach, ebenfalls nach der Lindenkaupe zu fahren. Ich beschleunigte mein Frühstück, sprang in den Kahn und steuerte dem Walde entgegen.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="6"> <head>6. Die Lindenkaupe.</head> <p>Eine Kaupe wird im Spreewald ein Gehöft genannt, welches sich inmitten von feuchtem Wiesenmoor auf einer Dafe festen Dammlandes angesiedelt hat. Diese Kaupen, durch den ganzen Wald zerstreut und immer zu einem näher oder ferner liegenden Dorfe gehörig, erheben sich mit ihrem Grunde ein wenig über das tiefe Wiesenland und bilden in ihrer Nettigkeit und prangenden Wohlhabenheit einen neuen Anziehungspunkt für das landschaftliche Auge. Die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
auf, denn es lag mir am Tage, daß er bereits beschlossen hatte, einen bestimmten Zweck zu verfolgen. War mir schon gestern sein Spielen mit einer halben Neigung unangenehm gewesen, so hielt ich es heut, da ich von Franzens Liebe gehört hatte, für meine Pflicht, meinem leichtfertigen Reisegefährten entgegenzuarbeiten. Was ich dabei zu thun hätte, wußte ich mir freilich selbst noch nicht zu sagen. Das Nöthigste schien mir, Victor nicht allein mit Marien zu lassen, sondern ihm meine unwillkommene Gesellschaft bei ihr aufzudrängen. Kascha wurde sichtlich beruhigt, als ich ihr die Absicht aussprach, ebenfalls nach der Lindenkaupe zu fahren. Ich beschleunigte mein Frühstück, sprang in den Kahn und steuerte dem Walde entgegen.
6. Die Lindenkaupe. Eine Kaupe wird im Spreewald ein Gehöft genannt, welches sich inmitten von feuchtem Wiesenmoor auf einer Dafe festen Dammlandes angesiedelt hat. Diese Kaupen, durch den ganzen Wald zerstreut und immer zu einem näher oder ferner liegenden Dorfe gehörig, erheben sich mit ihrem Grunde ein wenig über das tiefe Wiesenland und bilden in ihrer Nettigkeit und prangenden Wohlhabenheit einen neuen Anziehungspunkt für das landschaftliche Auge. Die
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/57>, abgerufen am 20.07.2024. |