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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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vorzüglich von der übertriebenen Nachsicht und Zärtlichkeit meiner Stiefmutter ausging, erschien mir mit der Zeit eben so unerträglich als gefährlich. Und so beschloß ich, ihn dem Pfarrer für einige Zeit zur Erziehung zu übergeben.

Sechs Jahre lang blieb mein Sohn im Pfarrhause zu Burg, gedieh an Körper und Geist aufs Beste, und so wurde das Dorf und der Spreewald zu seiner zweiten Heimath, an der er mit der größten Liebe hing. Auch als ich ihn später zu mir zurücknahm, zugleich mit den ältesten Söhnen des Pfarrers, die fortan in meinem Hause blieben, um sich zur Universität vorzubereiten, behielt er diese Anhänglichkeit, zumal sie von seinen Schulfreunden getheilt wurde. Ja sie wuchs nur mit der Zeit, so daß alle seine Ferienreisen, in den Schülerjahren und noch in der Studentenzeit, nach diesem Einen Ziele hingingen.

Er war zwanzig und etliche Jahre alt geworden, hatte seine Studien vollendet und rüstete sich, da er Naturforscher werden wollte, zu einer großen Reise zu wissenschaftlichen Zwecken. Aber es stand bei ihm fest, daß er vorher einen Ausflug nach dem Spreewalde machen müsse. Ich hatte längst gemerkt, daß von dorther noch ein ganz besonderer Magnet auf ihn wirke, eine Beobachtung, die mich mit stiller Freude erfüllte. Es war vielleicht für eine Reihe von Jahren der letzte Besuch meines Sohnes in Burg, er bat und drang daher in mich, ihn zu begleiten. Das war mir freilich

vorzüglich von der übertriebenen Nachsicht und Zärtlichkeit meiner Stiefmutter ausging, erschien mir mit der Zeit eben so unerträglich als gefährlich. Und so beschloß ich, ihn dem Pfarrer für einige Zeit zur Erziehung zu übergeben.

Sechs Jahre lang blieb mein Sohn im Pfarrhause zu Burg, gedieh an Körper und Geist aufs Beste, und so wurde das Dorf und der Spreewald zu seiner zweiten Heimath, an der er mit der größten Liebe hing. Auch als ich ihn später zu mir zurücknahm, zugleich mit den ältesten Söhnen des Pfarrers, die fortan in meinem Hause blieben, um sich zur Universität vorzubereiten, behielt er diese Anhänglichkeit, zumal sie von seinen Schulfreunden getheilt wurde. Ja sie wuchs nur mit der Zeit, so daß alle seine Ferienreisen, in den Schülerjahren und noch in der Studentenzeit, nach diesem Einen Ziele hingingen.

Er war zwanzig und etliche Jahre alt geworden, hatte seine Studien vollendet und rüstete sich, da er Naturforscher werden wollte, zu einer großen Reise zu wissenschaftlichen Zwecken. Aber es stand bei ihm fest, daß er vorher einen Ausflug nach dem Spreewalde machen müsse. Ich hatte längst gemerkt, daß von dorther noch ein ganz besonderer Magnet auf ihn wirke, eine Beobachtung, die mich mit stiller Freude erfüllte. Es war vielleicht für eine Reihe von Jahren der letzte Besuch meines Sohnes in Burg, er bat und drang daher in mich, ihn zu begleiten. Das war mir freilich

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[0114] vorzüglich von der übertriebenen Nachsicht und Zärtlichkeit meiner Stiefmutter ausging, erschien mir mit der Zeit eben so unerträglich als gefährlich. Und so beschloß ich, ihn dem Pfarrer für einige Zeit zur Erziehung zu übergeben. Sechs Jahre lang blieb mein Sohn im Pfarrhause zu Burg, gedieh an Körper und Geist aufs Beste, und so wurde das Dorf und der Spreewald zu seiner zweiten Heimath, an der er mit der größten Liebe hing. Auch als ich ihn später zu mir zurücknahm, zugleich mit den ältesten Söhnen des Pfarrers, die fortan in meinem Hause blieben, um sich zur Universität vorzubereiten, behielt er diese Anhänglichkeit, zumal sie von seinen Schulfreunden getheilt wurde. Ja sie wuchs nur mit der Zeit, so daß alle seine Ferienreisen, in den Schülerjahren und noch in der Studentenzeit, nach diesem Einen Ziele hingingen. Er war zwanzig und etliche Jahre alt geworden, hatte seine Studien vollendet und rüstete sich, da er Naturforscher werden wollte, zu einer großen Reise zu wissenschaftlichen Zwecken. Aber es stand bei ihm fest, daß er vorher einen Ausflug nach dem Spreewalde machen müsse. Ich hatte längst gemerkt, daß von dorther noch ein ganz besonderer Magnet auf ihn wirke, eine Beobachtung, die mich mit stiller Freude erfüllte. Es war vielleicht für eine Reihe von Jahren der letzte Besuch meines Sohnes in Burg, er bat und drang daher in mich, ihn zu begleiten. Das war mir freilich

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/114>, abgerufen am 08.05.2024.