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Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603.

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auch in dem Lande nicht/ sondern kommen auff Gertrudis
widerumb/ ein jeder zu seinem Nest. Wo aber jhre Kinder
bleiben/ ist noch nie erfahren.

Wann der Feldflüchtige/ verlogene Lenhard Dorenheu-
ser noch lebte/ der könte an Priester Johann einen Brieff
schreiben/ vnd den Berlinischen Störchen an ein Bein bin-
den/ das er jhm hier auff antwort/ wiederumb zu rück schrie-
be. Denn er pflag sich zu rühmen/ das er diß für seine gewon-
heit hielte/ vnd leicht zu wegen bringen könte. Es ist auch von
niemand geschrieben/ es ist von keinem Menschen gehört oder
gesehen/ das ein Storch were/ von einem andern auff dem
Rücken zum Wasser geführet/ oder were bey jhme den Winter
vber im Nest geblieben. Vnd wenn sie gleich blieben/ was
wolten sie essen[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]

Dennoch müssen wir das/ für eine Historia gleuben vnd
rühmen/ was vns ein Poet vorschreibt/ das seine Comaedien
Vogel geredet haben/ vnd müssens noch weiter vnd anders
deuten/ denn es geredet ist.

Wir helffen auch das herlich aus der Schrifft beweisen.
Denn Storga heist/ die angeborne natürliche liebe/ zwischen
Eltern vnd Kindern/ daher werde er Storch genant. Auff E-
breisch aber/ heist er Chasidah, das heist Barmhertzig vnd
Mitleidig. Denn diese Tugend beweise er den Eltern. Da wir
doch seinen fleis viel mehr in seiner Kinderzucht sehen/ den
auch alle Vogel ohne das haben. Aber was er seinen Eltern
thue/ hat niemand jemals gesehen. Vnd weil er keine bleiben-
de stet/ Wetter vnd Nahrung hat/ so ists jhm auch vnmüg-
lich.

Das ist gewiß/ das daß Mennlein zehen tage ehe wider
zum Nest kompt/ denn das Freulein/ vnd vnter des das aus-
bessert vnd vernewert. Darnach teglich sitzet/ in die Lufft
siehet/ vnd alle so fürüber fliegen/ mit einem geklapper will-
kommen heisset/ biß die rechte Haußmutter kompt/ die er

mit

auch in dem Lande nicht/ ſondern kommen auff Gertrudis
widerumb/ ein jeder zu ſeinem Neſt. Wo aber jhre Kinder
bleiben/ iſt noch nie erfahren.

Wann der Feldfluͤchtige/ verlogene Lenhard Dorenheu-
ſer noch lebte/ der koͤnte an Prieſter Johann einen Brieff
ſchreiben/ vnd den Berliniſchen Stoͤrchen an ein Bein bin-
den/ das er jhm hier auff antwort/ wiederumb zu ruͤck ſchrie-
be. Denn er pflag ſich zu ruͤhmen/ das er diß fuͤr ſeine gewon-
heit hielte/ vnd leicht zu wegen bringen koͤnte. Es iſt auch von
niemand geſchrieben/ es iſt von keinem Menſchen gehoͤrt oder
geſehen/ das ein Storch were/ von einem andern auff dem
Ruͤcken zum Waſſer gefuͤhret/ oder were bey jhme den Winter
vber im Neſt geblieben. Vnd wenn ſie gleich blieben/ was
wolten ſie eſſen[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]

Dennoch muͤſſen wir das/ fuͤr eine Hiſtoria gleuben vnd
ruͤhmen/ was vns ein Poet vorſchreibt/ das ſeine Comædien
Vogel geredet haben/ vnd muͤſſens noch weiter vnd anders
deuten/ denn es geredet iſt.

Wir helffen auch das herlich aus der Schrifft beweiſen.
Denn Storga heiſt/ die angeborne natuͤrliche liebe/ zwiſchen
Eltern vnd Kindern/ daher werde er Storch genant. Auff E-
breiſch aber/ heiſt er Chaſidah, das heiſt Barmhertzig vnd
Mitleidig. Denn dieſe Tugend beweiſe er den Eltern. Da wir
doch ſeinen fleis viel mehr in ſeiner Kinderzucht ſehen/ den
auch alle Vogel ohne das haben. Aber was er ſeinen Eltern
thue/ hat niemand jemals geſehen. Vnd weil er keine bleiben-
de ſtet/ Wetter vnd Nahrung hat/ ſo iſts jhm auch vnmuͤg-
lich.

Das iſt gewiß/ das daß Mennlein zehen tage ehe wider
zum Neſt kompt/ denn das Freulein/ vnd vnter des das aus-
beſſert vnd vernewert. Darnach teglich ſitzet/ in die Lufft
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kommen heiſſet/ biß die rechte Haußmutter kompt/ die er

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[284/0294] auch in dem Lande nicht/ ſondern kommen auff Gertrudis widerumb/ ein jeder zu ſeinem Neſt. Wo aber jhre Kinder bleiben/ iſt noch nie erfahren. Wann der Feldfluͤchtige/ verlogene Lenhard Dorenheu- ſer noch lebte/ der koͤnte an Prieſter Johann einen Brieff ſchreiben/ vnd den Berliniſchen Stoͤrchen an ein Bein bin- den/ das er jhm hier auff antwort/ wiederumb zu ruͤck ſchrie- be. Denn er pflag ſich zu ruͤhmen/ das er diß fuͤr ſeine gewon- heit hielte/ vnd leicht zu wegen bringen koͤnte. Es iſt auch von niemand geſchrieben/ es iſt von keinem Menſchen gehoͤrt oder geſehen/ das ein Storch were/ von einem andern auff dem Ruͤcken zum Waſſer gefuͤhret/ oder were bey jhme den Winter vber im Neſt geblieben. Vnd wenn ſie gleich blieben/ was wolten ſie eſſen_ Dennoch muͤſſen wir das/ fuͤr eine Hiſtoria gleuben vnd ruͤhmen/ was vns ein Poet vorſchreibt/ das ſeine Comædien Vogel geredet haben/ vnd muͤſſens noch weiter vnd anders deuten/ denn es geredet iſt. Wir helffen auch das herlich aus der Schrifft beweiſen. Denn Storga heiſt/ die angeborne natuͤrliche liebe/ zwiſchen Eltern vnd Kindern/ daher werde er Storch genant. Auff E- breiſch aber/ heiſt er Chaſidah, das heiſt Barmhertzig vnd Mitleidig. Denn dieſe Tugend beweiſe er den Eltern. Da wir doch ſeinen fleis viel mehr in ſeiner Kinderzucht ſehen/ den auch alle Vogel ohne das haben. Aber was er ſeinen Eltern thue/ hat niemand jemals geſehen. Vnd weil er keine bleiben- de ſtet/ Wetter vnd Nahrung hat/ ſo iſts jhm auch vnmuͤg- lich. Das iſt gewiß/ das daß Mennlein zehen tage ehe wider zum Neſt kompt/ denn das Freulein/ vnd vnter des das aus- beſſert vnd vernewert. Darnach teglich ſitzet/ in die Lufft ſiehet/ vnd alle ſo fuͤruͤber fliegen/ mit einem geklapper will- kommen heiſſet/ biß die rechte Haußmutter kompt/ die er mit

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Zitationshilfe: Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/294>, abgerufen am 10.05.2024.