chen mit eigenen und nicht mit fremden Augen sehen und hören dürffe, so machen doch nicht eben die Studia an und vor sich selbst einen gu- ten Regenten, sondern vielmehr die unermüdete application auf die Staats-Affairen, durch welche sie sich eine sonderliche Erfahrung zuwe- ge bringen.
§. 19. Diesemnach muß ein Regente keinen Mignon haben, dessen Willen er in allen, oder doch den meisten Verfallenheiten folgte, sondern vielmehr die Sache, nach Beschaffenheit der Umstände, selbst untersuchen, und sich nach eige- nen Gutdüncken der Landes-väterlichen Auto- rität gebrauchen. Auch muß er nicht erwei- sen, daß sich einer sowohl von seinen Ministern und Räthen, als auch übrigen Bedienten so ne- cessair gemacht, daß er seiner nicht entrathen könte. Denn, wenn ein Bedienter und Offi- ciante merckt, daß ein Regente seiner nicht mis- sen kan, so werden die meisten insolent, miß- brauchen der Gnade des Fürstens, scheuen sich nicht, ihm in einem und dem andern nach eige- nen Gefallen Gesetze vorzuschreiben. Wie schädlich solches sey, haben manche Regenten in den alten und neuen Zeiten erfahren. Jm Ge- gentheil, wenn ein Diener siehet, daß der Herr seiner zu allen Zeiten loß werden kan, so führet
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chen mit eigenen und nicht mit fremden Augen ſehen und hoͤren duͤrffe, ſo machen doch nicht eben die Studia an und vor ſich ſelbſt einen gu- ten Regenten, ſondern vielmehr die unermuͤdete application auf die Staats-Affairen, durch welche ſie ſich eine ſonderliche Erfahrung zuwe- ge bringen.
§. 19. Dieſemnach muß ein Regente keinen Mignon haben, deſſen Willen er in allen, oder doch den meiſten Verfallenheiten folgte, ſondern vielmehr die Sache, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, ſelbſt unterſuchen, und ſich nach eige- nen Gutduͤncken der Landes-vaͤterlichen Auto- ritaͤt gebrauchen. Auch muß er nicht erwei- ſen, daß ſich einer ſowohl von ſeinen Miniſtern und Raͤthen, als auch uͤbrigen Bedienten ſo ne- ceſſair gemacht, daß er ſeiner nicht entrathen koͤnte. Denn, wenn ein Bedienter und Offi- ciante merckt, daß ein Regente ſeiner nicht miſ- ſen kan, ſo werden die meiſten inſolent, miß- brauchen der Gnade des Fuͤrſtens, ſcheuen ſich nicht, ihm in einem und dem andern nach eige- nen Gefallen Geſetze vorzuſchreiben. Wie ſchaͤdlich ſolches ſey, haben manche Regenten in den alten und neuen Zeiten erfahren. Jm Ge- gentheil, wenn ein Diener ſiehet, daß der Herr ſeiner zu allen Zeiten loß werden kan, ſo fuͤhret
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chen mit eigenen und nicht mit fremden Augen
ſehen und hoͤren duͤrffe, ſo machen doch nicht
eben die Studia an und vor ſich ſelbſt einen gu-
ten Regenten, ſondern vielmehr die unermuͤdete
application auf die Staats-Affairen, durch
welche ſie ſich eine ſonderliche Erfahrung zuwe-
ge bringen.
§. 19. Dieſemnach muß ein Regente keinen
Mignon haben, deſſen Willen er in allen, oder
doch den meiſten Verfallenheiten folgte, ſondern
vielmehr die Sache, nach Beſchaffenheit der
Umſtaͤnde, ſelbſt unterſuchen, und ſich nach eige-
nen Gutduͤncken der Landes-vaͤterlichen Auto-
ritaͤt gebrauchen. Auch muß er nicht erwei-
ſen, daß ſich einer ſowohl von ſeinen Miniſtern
und Raͤthen, als auch uͤbrigen Bedienten ſo ne-
ceſſair gemacht, daß er ſeiner nicht entrathen
koͤnte. Denn, wenn ein Bedienter und Offi-
ciante merckt, daß ein Regente ſeiner nicht miſ-
ſen kan, ſo werden die meiſten inſolent, miß-
brauchen der Gnade des Fuͤrſtens, ſcheuen ſich
nicht, ihm in einem und dem andern nach eige-
nen Gefallen Geſetze vorzuſchreiben. Wie
ſchaͤdlich ſolches ſey, haben manche Regenten in
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/827>, abgerufen am 23.11.2024.
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