daß alles dasjenige, was von dem Landes-Für- sten nicht verbothen ist, vor zuläßig gehalten wird. Es sind alle Unbilligkeiten, wie auch die Subtilitäten dabey zu vermeiden, und in allen Handlungen, so viel als möglich, die natürliche Freyheit denen Unterthanen zu lassen. Wie schlecht aber dieses alles in den Römischen und andern ausl. Rechten beobachtet werde, lieget klar am Tage. Denn man findet in den De- cisionibus der Römischen Gesetze tausenderley zugelassene Handlungen, die alle determiniret werden, da doch solches gantz und gar unnöthig ist. Es werden wider die Einfalt der Natur vielmahls die Entia ohne Nutzen multiplicirt, und gantz überflüßige Dinge eingeführt, wel- ches vielfache Verwirrung machet. Daß sie offenbahre Unbilligkeiten enthalten, ist wohl außer Zweiffel zu setzen, und könte solches durch viel Instantien erhärtet werden.
§. 6. Es hat auch das Römische Recht diesen grossen Fehler, daß es die natürliche Freyheit auf eine einem Gesetz-Geber gantz un- anständige Weise ohne Noth und Nutzen durch vielerley Solennitäten, welche als Fall-Stricke anzusehen, und zwar insgemein bey Straffe der Nullität einschräncket. Wenn man be- denckt, wie viel dergleichen Stricke allein bey der Materie der letzten Willen vorkommen, so
hat
daß alles dasjenige, was von dem Landes-Fuͤr- ſten nicht verbothen iſt, vor zulaͤßig gehalten wird. Es ſind alle Unbilligkeiten, wie auch die Subtilitaͤten dabey zu vermeiden, und in allen Handlungen, ſo viel als moͤglich, die natuͤrliche Freyheit denen Unterthanen zu laſſen. Wie ſchlecht aber dieſes alles in den Roͤmiſchen und andern ausl. Rechten beobachtet werde, lieget klar am Tage. Denn man findet in den De- ciſionibus der Roͤmiſchen Geſetze tauſenderley zugelaſſene Handlungen, die alle determiniret werden, da doch ſolches gantz und gar unnoͤthig iſt. Es werden wider die Einfalt der Natur vielmahls die Entia ohne Nutzen multiplicirt, und gantz uͤberfluͤßige Dinge eingefuͤhrt, wel- ches vielfache Verwirrung machet. Daß ſie offenbahre Unbilligkeiten enthalten, iſt wohl außer Zweiffel zu ſetzen, und koͤnte ſolches durch viel Inſtantien erhaͤrtet werden.
§. 6. Es hat auch das Roͤmiſche Recht dieſen groſſen Fehler, daß es die natuͤrliche Freyheit auf eine einem Geſetz-Geber gantz un- anſtaͤndige Weiſe ohne Noth und Nutzen durch vielerley Solennitaͤten, welche als Fall-Stricke anzuſehen, und zwar insgemein bey Straffe der Nullitaͤt einſchraͤncket. Wenn man be- denckt, wie viel dergleichen Stricke allein bey der Materie der letzten Willen vorkommen, ſo
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daß alles dasjenige, was von dem Landes-Fuͤr-
ſten nicht verbothen iſt, vor zulaͤßig gehalten
wird. Es ſind alle Unbilligkeiten, wie auch die
Subtilitaͤten dabey zu vermeiden, und in allen
Handlungen, ſo viel als moͤglich, die natuͤrliche
Freyheit denen Unterthanen zu laſſen. Wie
ſchlecht aber dieſes alles in den Roͤmiſchen und
andern ausl. Rechten beobachtet werde, lieget
klar am Tage. Denn man findet in den De-
ciſionibus der Roͤmiſchen Geſetze tauſenderley
zugelaſſene Handlungen, die alle determiniret
werden, da doch ſolches gantz und gar unnoͤthig
iſt. Es werden wider die Einfalt der Natur
vielmahls die Entia ohne Nutzen multiplicirt,
und gantz uͤberfluͤßige Dinge eingefuͤhrt, wel-
ches vielfache Verwirrung machet. Daß ſie
offenbahre Unbilligkeiten enthalten, iſt wohl
außer Zweiffel zu ſetzen, und koͤnte ſolches durch
viel Inſtantien erhaͤrtet werden.
§. 6. Es hat auch das Roͤmiſche Recht
dieſen groſſen Fehler, daß es die natuͤrliche
Freyheit auf eine einem Geſetz-Geber gantz un-
anſtaͤndige Weiſe ohne Noth und Nutzen durch
vielerley Solennitaͤten, welche als Fall-Stricke
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/593>, abgerufen am 22.11.2024.
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