WEnn man die Erklärung der Gesetze ansiehet, daß sie nemlich nichts an- ders sind, denn Regeln und Richt- schnuren, wornach die Unterthanen ihre Hand- lungen anstellen sollen, so erkennet man, wie es von einer unumgänglichen Nothwendigkeit sey, daß sie in einer solchen Sprache abgefaßt seyn, die die Unterthanen verstehen, um ihre Actiones darnach zu reguliren. Es hat sonst eben so viel Effect, als wenn man einem in einer fremden Sprache, welcher der andere nicht kundig wäre, etwas befehlen oder verbiethen wolte. Dafern die Unterthanen die Gesetze nicht verstehen, so kan man sie ja auch nicht, wenn sie darwider handeln, bestraffen, und kön- nen sie sich gleich bey denen, die hierinnen er- fahrner sind, darum befragen, so ist es doch ziemlicher Maßen durch einen Umweg gegan- gen, wenn sie entweder viele Jahre nach einan- der von gewissen Leuten sich derselben Beschaf- fenheit sollen erklären lassen, oder bey allen ih- ren Actionen andere deswegen consuliren, und sonst in Gefahr stehen, in die Gesetze, wie in ge-
legte
DasXX.Capitel. Von Geſetzen.
§. 1.
WEnn man die Erklaͤrung der Geſetze anſiehet, daß ſie nemlich nichts an- ders ſind, denn Regeln und Richt- ſchnuren, wornach die Unterthanen ihre Hand- lungen anſtellen ſollen, ſo erkennet man, wie es von einer unumgaͤnglichen Nothwendigkeit ſey, daß ſie in einer ſolchen Sprache abgefaßt ſeyn, die die Unterthanen verſtehen, um ihre Actiones darnach zu reguliren. Es hat ſonſt eben ſo viel Effect, als wenn man einem in einer fremden Sprache, welcher der andere nicht kundig waͤre, etwas befehlen oder verbiethen wolte. Dafern die Unterthanen die Geſetze nicht verſtehen, ſo kan man ſie ja auch nicht, wenn ſie darwider handeln, beſtraffen, und koͤn- nen ſie ſich gleich bey denen, die hierinnen er- fahrner ſind, darum befragen, ſo iſt es doch ziemlicher Maßen durch einen Umweg gegan- gen, wenn ſie entweder viele Jahre nach einan- der von gewiſſen Leuten ſich derſelben Beſchaf- fenheit ſollen erklaͤren laſſen, oder bey allen ih- ren Actionen andere deswegen conſuliren, und ſonſt in Gefahr ſtehen, in die Geſetze, wie in ge-
legte
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Das XX. Capitel.
Von Geſetzen.
§. 1.
WEnn man die Erklaͤrung der Geſetze
anſiehet, daß ſie nemlich nichts an-
ders ſind, denn Regeln und Richt-
ſchnuren, wornach die Unterthanen ihre Hand-
lungen anſtellen ſollen, ſo erkennet man, wie
es von einer unumgaͤnglichen Nothwendigkeit
ſey, daß ſie in einer ſolchen Sprache abgefaßt
ſeyn, die die Unterthanen verſtehen, um ihre
Actiones darnach zu reguliren. Es hat ſonſt
eben ſo viel Effect, als wenn man einem in einer
fremden Sprache, welcher der andere nicht
kundig waͤre, etwas befehlen oder verbiethen
wolte. Dafern die Unterthanen die Geſetze
nicht verſtehen, ſo kan man ſie ja auch nicht,
wenn ſie darwider handeln, beſtraffen, und koͤn-
nen ſie ſich gleich bey denen, die hierinnen er-
fahrner ſind, darum befragen, ſo iſt es doch
ziemlicher Maßen durch einen Umweg gegan-
gen, wenn ſie entweder viele Jahre nach einan-
der von gewiſſen Leuten ſich derſelben Beſchaf-
fenheit ſollen erklaͤren laſſen, oder bey allen ih-
ren Actionen andere deswegen conſuliren, und
ſonſt in Gefahr ſtehen, in die Geſetze, wie in ge-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/586>, abgerufen am 22.11.2024.
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