Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.straffen ist, oder unterschiedene Verbrechen zu- sammen kommen, oder auch eines zu unterschie- denen mahlen wiederhohlet worden. Fragt man sie, warum solche harte Straffen dictiret werden? so antworten sie, um andern Leuten ein desto grösser Schrecken einzujagen. Siehe peinliche Hals-Gerichts Ordnung, Art. 137. und die Delinquenten desto grössern Schmer- tzen und Straffe empfinden. Allein man muß bey den menschlichen Straffen nicht so schlech- terdings darauf sehen, was vor ein Verbre- chen und wie vielmahls es begangen worden, sondern auch, was vor ein Nutzen aus der Straffe zu erwarten stehet. Aus dieser Ab- sicht sind die Straffen im geringsten nicht auf- zuerlegen, daß dem Delinquenten wehe gesche- he, und der Beleidigte sein Müthgen kühlen, oder an des andern Schmertzen und Straffe Gefallen und Lust haben möge. Dieser Zweck hat keinen Nutzen, und ist daher vor unmensch- lich und unzuläßig zu halten. Die aber nur bloß wegen einer vergangenen und geschehenen Boßheit des Delinquenten bestraffen, han- deln darinnen wider die Gesetze der Socialität, weil sie ohne Hoffnung einiges Nutzens andern Leuten Ubel verursachen. §. 18. Hernach wird der andere Endzweck der L l 4
ſtraffen iſt, oder unterſchiedene Verbrechen zu- ſammen kommen, oder auch eines zu unterſchie- denen mahlen wiederhohlet worden. Fragt man ſie, warum ſolche harte Straffen dictiret werden? ſo antworten ſie, um andern Leuten ein deſto groͤſſer Schrecken einzujagen. Siehe peinliche Hals-Gerichts Ordnung, Art. 137. und die Delinquenten deſto groͤſſern Schmer- tzen und Straffe empfinden. Allein man muß bey den menſchlichen Straffen nicht ſo ſchlech- terdings darauf ſehen, was vor ein Verbre- chen und wie vielmahls es begangen worden, ſondern auch, was vor ein Nutzen aus der Straffe zu erwarten ſtehet. Aus dieſer Ab- ſicht ſind die Straffen im geringſten nicht auf- zuerlegen, daß dem Delinquenten wehe geſche- he, und der Beleidigte ſein Muͤthgen kuͤhlen, oder an des andern Schmertzen und Straffe Gefallen und Luſt haben moͤge. Dieſer Zweck hat keinen Nutzen, und iſt daher vor unmenſch- lich und unzulaͤßig zu halten. Die aber nur bloß wegen einer vergangenen und geſchehenen Boßheit des Delinquenten beſtraffen, han- deln darinnen wider die Geſetze der Socialitaͤt, weil ſie ohne Hoffnung einiges Nutzens andern Leuten Ubel verurſachen. §. 18. Hernach wird der andere Endzweck der L l 4
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ſtraffen iſt, oder unterſchiedene Verbrechen zu-
ſammen kommen, oder auch eines zu unterſchie-
denen mahlen wiederhohlet worden. Fragt
man ſie, warum ſolche harte Straffen dictiret
werden? ſo antworten ſie, um andern Leuten
ein deſto groͤſſer Schrecken einzujagen. Siehe
peinliche Hals-Gerichts Ordnung, Art. 137.
und die Delinquenten deſto groͤſſern Schmer-
tzen und Straffe empfinden. Allein man muß
bey den menſchlichen Straffen nicht ſo ſchlech-
terdings darauf ſehen, was vor ein Verbre-
chen und wie vielmahls es begangen worden,
ſondern auch, was vor ein Nutzen aus der
Straffe zu erwarten ſtehet. Aus dieſer Ab-
ſicht ſind die Straffen im geringſten nicht auf-
zuerlegen, daß dem Delinquenten wehe geſche-
he, und der Beleidigte ſein Muͤthgen kuͤhlen,
oder an des andern Schmertzen und Straffe
Gefallen und Luſt haben moͤge. Dieſer Zweck
hat keinen Nutzen, und iſt daher vor unmenſch-
lich und unzulaͤßig zu halten. Die aber nur
bloß wegen einer vergangenen und geſchehenen
Boßheit des Delinquenten beſtraffen, han-
deln darinnen wider die Geſetze der Socialitaͤt,
weil ſie ohne Hoffnung einiges Nutzens andern
Leuten Ubel verurſachen.
§. 18. Hernach wird der andere Endzweck
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